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Der Schuster des Rappen

Die lahmenden Zeiten für die Hufschmiede sind vorbei. Der Beruf befindet sich nun im gestreckten Galopp. Otto Waibel ist einer unter ihnen, denen das Hufeisen Glück bringt.

Balgach. – Die Hufeisen auf dem gepflasterten Boden sind schon von Weitem zu hören. Nach mehreren vernehmlichen Schritten kommt auch schon die stolze, prachtvolle Gestalt des Pferdes zum Vorschein. Geführt von seiner Besitzerin, schreitet der grosse Wallach über den Hof, die Mähne liebevoll geflochten und das schöne Fell schwarzbraun glänzend.
Die Fassade der Eleganz bekommt einen kleinen Riss, als Otto Waibel, Hufschmied aus Balgach, auf die ungewöhnliche Gangart hinweist. Genau beobachtet er das Tier, analysiert schnell und wendet sich an die Besitzerin: «Das wurde aber höchste Zeit bei ihm.» Wie die Nägel bei einem Menschen wächst das Horn des Pferdes nach und muss üblicherweise alle sechs bis acht Wochen gekürzt und mit neuen Hufeisen beschlagen werden.

Psychologie ist gefragt

Da Waibel ausschliesslich Stammkunden betreut, sind ihm die Halter und ihre Pferde nicht unbekannt und eine gute Beziehung zu ihnen ist ihm ein grosses Anliegen.«Es ist mir wichtig, dass ich mir Zeit für den Kunden nehmen kann. Zu meinem Beruf gehört viel Psychologie, eine gute Beziehung zum Menschen, vor allem aber auch zum Pferd, ist dabei wesentlich.»

Rund eine Stunde benötigt Waibel für den Standardbeschlag bei einem Pferd. An einem Tag beschlägt er zwischen sechs und an langen Tagen bis zu acht Tiere. Eine Arbeit, die in die Knochen geht: «Man sollte fit sein und einen Ausgleich zum Beruf finden», rät Waibel. Ein Pferdeschuster sollte ausserdem eine Leidenschaft für Pferde haben und sich für ihre Anatomie interessieren. Ebenso wichtig sind handwerkliches Talent und der geschickte Umgang mit Metall. Denn was bei einem ausgebildeten Hufschmied so einfach aussieht, will geübt sein. Es sind wenige Millimeter, die zwischen Heilung und Schmerz entscheiden. «Hat das Pferd einmal Schmerz durch den Hufschmied erfahren, ist es aus mit dem Beschlagen», betont Waibel.

Nachfrage steigt

Während der 1970er-Jahre erlebte der Beruf eine Krise und stand kurz vor dem Aussterben. Aber da sich die Anzahl Pferde in der Schweiz von damals bis heute verdoppelt hat, gibt es zumindest landesweit wieder eine hohe Nachfrage nach Hufschmieden. Waibel stellt klar, dass auch Frauen diesen Beruf ausüben können – es gibt bereits einzelne Vorreiterinnen in der Schweiz.

In den 30 Jahren, in denen Waibel als Hufschmied selbstständig ist, gab es durch die steigende Anzahl der Pferde einige Änderungen in seinem Berufsalltag. Früher waren seine Kunden in der ganzen Ostschweiz verteilt und kamen zu ihm nach Balgach. Heute ist es üblich, dass der Hufschmied zu den Kunden geht. Bei etwa 350 Pferden, die der 52-Jährige betreut, kommt bei ihm und seinem Mitarbeiter Rainer Gerschwiler keine Langeweile auf: «Ich würde gerne noch nebenher Schmiedarbeiten machen, aber ich habe leider keine Zeit», sagt Waibel. Da er vor 2009 ausgebildet wurde, beherrscht er nicht «nur» den Hufbeschlag. Seine Berufslehre war noch so aufgebaut, dass ein Hufschmied drei Jahre lang Wagenschmied und Schlosser lernte und erst im letzten Jahr der vierjährigen Ausbildung der Kontakt mit den Tieren und der Beschlag hinzukam.

Seit mittlerweile zwei Jahren gibt es eine eigenständige Berufslehre für Hufschmiede. Die neu strukturierte Ausbildung dauert immer noch vier Jahre, ist allerdings von Anfang an auf die Arbeit mit Pferden ausgerichtet. Die Schweizer Ausbildung zum Hufschmied ist im Ausland hoch angesehen. Eine der renommiertesten Schulen weit über die Grenzen hinaus ist die militärische Hufschmiedschule in Bern, die auch Waibel besucht hat. Elitäre Schulen dieser Art gibt es weltweit wenige. Bei Einheimischen ist die Hufschmiedschule in Bern besonders beliebt, rund Dreiviertel der Hufschmiede machen ihre Ausbildung dort.

Hohes Ausbildungsniveau

Das hohe Ausbildungsniveau macht Schweizer Hufschmiede auch im Ausland begehrt. Waibel hatte dies früh erkannt und sammelte in Holland, Nordamerika und Australien berufliche Erfahrungen. Aber auch als gestandener Schmied kann er ständig Neues lernen. Jedes Jahr finden in der Schweiz und im bayrischen Kreuth internationale Fachkongresse statt, an denen Tierärzte und Hufschmiede ihre Innovationen vorzeigen. Wobei sich längst nicht alle Neuerungen durchsetzen. Waibel weiss: «Es wurde viel ausprobiert, aber es hat sich bislang noch nichts so bewährt wie das Hufeisen.»

Abwechslungsreicher Beruf

Die Idee der Zusammenarbeit von Hufschmieden und spezialisierten Pferdeärzten ist dagegen ganz im Sinn des Schmieds. Beide können voneinander lernen und mit dem Wissen die Lebensqualität der Pferde erhöhen. «An meinem Beruf begeistert mich, dass ich ein Tier heilen kann und es ihm nach meiner getanen Arbeit besser geht», sagt der Hufschmied, der sich keinen anderen Beruf vorstellen könnte: «Ich interessiere mich für vieles, aber für einen reinen Bürojob könnte ich mich nicht begeistern. Mit meinen Händen zu arbeiten, ist mir wichtig», betont Waibel. Seine Arbeit bei Veranstaltungen zu zeigen oder in Wettkämpfen zu brillieren, die Möglichkeit ins Ausland zu gehen, Kunden bei Turnieren zu begleiten und die verschiedenen Charakteren und Behandlungsfällen machen den Beruf für
Otto Waibel so abwechslungsreich. (saf)

Artikel: http://www.vaterland.li/importe/archiv/wirtschaft/der-schuster-des-rappen-art-74500

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