Was die kleinsten Bewohner leisten
Vaduz. – 95 Prozent der bekannten Tierarten in Liechtenstein sind sogenannte Wirbellose – Tiere, die keine Wirbelsäule haben. Dazu gehören unter anderem Insekten, Spinnen, Hundertfüsser, Krebse und Schnecken. Die Zahlen sprechen für sich: 25 000 verschiedene bekannte Insektenarten gibt es in unserem Land (weltweit 900 000). 700 unterschiedliche Arten sind es bei den Spinnen (weltweit 40 000) und 120 bei den Schnecken (weltweit 100 000). Im Vergleich gibt es in Liechtenstein rund 80 Säugetierarten, weltweit sind dies 5500.
Nach Ansicht der Forscher kennt der Mensch bislang nur einen Bruchteil der enormen Vielfalt: 86 Prozent aller an Land und 91 Prozent aller in den Ozeanen lebenden Arten seien noch unentdeckt und nicht erfasst, schreibt die Presseagentur Sda in einer Meldung. Auch in Liechtenstein fliegen und kriechen Tierarten, die noch keinen Namen haben.
Von Hirschkäfern und Schneeflöhen
Die Artenvielfalt der Wirbellosen in Liechtenstein ist enorm. So versteckt sich am Rheindamm die älteste Spinne Liechtensteins: Die Tapezierspinne – eine Verwandte der Vogelspinne. In den Wäldern kämpfen die seltenen Hirschkäfer mit ihrem «Geweih» um ein Revier. Auch im Winter schläft die Tierwelt nicht: Da sind zum Beispiel Schneeflöhe, die Algen vom Schnee abgrasen. Und im Ruggeller Ried ist die einzige unter Wasser lebende Spinne zu finden. Diese und noch einige Tierarten mehr, stellt das «Vaterland» in seiner Serie vor.
Wichtig für das Ökosystem
Viele Wirbellose bekommt man nie zu Gesicht: Zu selten, zu scheu, zu klein, sind die Gründe. Trotz ihrer Unscheinbarkeit leistet jede dieser Tierarten einen wichtigen Beitrag für das Ökosystem und die Landschaftsgestaltung. Sie zersetzen unter anderem tote Pflanzen oder sind wichtige Jäger, um Insektenpopulationen zu dezimieren. Ansonsten würden pflanzenfressende Insekten Überhand gewinnen. Ein Beispiel: Die Biomasse der Menschen ist weltweit etwa gleich gross wie die der Ameisen.
Wichtige «Zersetzer»
Wie wichtig Insekten aber für unseren Planeten sind, weiss Holger Frick vom Amt für Wald, Natur und Landschaft: «Ohne Insekten würden die Menschen wahrscheinlich innerhalb von ein paar Jahren aussterben.» Insekten bestäuben pflanzliche Nahrungsmittel. Sind aber, wie bereits erwähnt, auch für die Entsorgung der pflanzlichen Abfälle verantwortlich. Zum Beispiel produziert eine Kuh etwa 4800 Kilogramm Dung pro Jahr. Ohne Insekten und andere sogenannte «Zersetzer» würden diese grösstenteils liegen bleiben. «Was längerfristig ziemlich schlimm wäre», so Holger Frick.
Aus diesen Gründen sind intakte Ökosysteme wichtig für den Erhalt der Natur. Je vielfältiger und artenreicher die Natur, desto stabiler ist das ökologische Gleichgewicht. Deshalb sei es wichtig, die Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. «Deren Verlust kann zu weit grösseren ökologischen und entsprechenden wirtschaftlichen Problemen führen, als wenn sie geschützt wird», sagt Frick. Wichtig ist dabei eine vielfältige Landschaft mit verschiedenen Waldtypen, Gewässern, Magerwiesen und Hecken. Monotone Landschaften sind hingegen kritisch für die Natur: Englische Rasen, Monokulturen oder von invasiven Pflanzenarten dominierte Landschaften liefern nur beschränkt Futter und Lebensraum für ein breites Spektrum an Tierarten.
Umdenken im Siedlungsraum
Was die Vielfalt der Wälder betrifft, ist Liechtenstein auf einem guten Weg. Verschiedene Baumarten und naturbelassene Orte bieten gute Lebensräume. Das Problem liegt eher im Talraum mit seinen stark wachsenden Siedlungen. Hier verschwinden die natürlichen Lebensräume immer mehr. Will Liechtenstein seine Artenvielfalt längerfristig erhalten, muss auch im Siedlungsraum ein Umdenken stattfinden.
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