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Professor «Schön»

Als er seine Berufswahl traf, gabs das Wort «Schönheitschirurgie» noch gar nicht, zumindest nicht im deutschen Sprachgebrauch. Dass er in der ästhetischen Chirurgie landen würde, hat Manfred Rützler nicht vorhergesehen und schon gar nicht geplant.

Von Shusha Maier

Der vor vier Jahren zum Professor ernannte Mediziner ist zudem  fernab der Welt der Reichen und Schönen aufgewachsen: «Ich bin noch barfuss zur Schule gegangen», erinnert sich der Dornbirner und erzählt, dass er als Kind nur zwei Hosen besass: eine lange und eine kurze Lederhose. Arm sei er sich aber nie vorgekommen; Freunde und Kollegen waren ja nicht besser ausgestattet. Dass er sogar privilegiert war, merkte Manfred Rützler allerdings erst nach vier Jahren Volksschule; viele seiner Schulkollegen mussten mit der Grundschulbildung vorlieb- nehmen: Er durfte aufs Gymnasium. «Zum Leidwesen meiner Eltern war ich ein schlechter Schüler. Von meiner älteren Schwester waren sie anderes gewöhnt, ich aber hatte jedes Schuljahr grosse Mühe, mir den Lernstoff einzupauken». Gelungen ist ihm das aber stets. Sitzengeblieben ist er nie. «Mein Lieblingsfach in der Schule war Zeichnen – Werken habe ich auch gemocht, solange wir Holzschnitzen durften.» Zur Medizin ist Manfred Rützler nach der Matura eher zufällig gekommen, «weil halt schon die Bücher von meiner Schwester Dagmar da waren.» Und Lehrbücher, besonders jene dicken Schinken der Medizin, waren in den 70er-Jahren noch sehr, sehr teuer. Wer nun meint, die Voraussetzungen seinen nicht ideal gewesen, irrt: «Das Medizinstudium hat mich im Gegensatz zum Schulunterricht sehr fasziniert und ich habe in kürzester Zeit abgeschlossen.»

Sein handwerkliches Geschick liess Manfred Rützler die Chirurgie als besonders interessantes und erstrebenswertes Fach erscheinen und er hatte das Glück, auch gleich einen Ausbildungsplatz zu finden. Bei Professor Elmar Blum am Landeskrankenhaus in Feldkirch erhielt er eine umfassende chirurgische Ausbildung und spezialisierte sich danach auf die Gefässchirurgie. Die Krampfadernentfernung, bei der keine Schnitte mehr nötig waren, die also auch keine sichtbaren Narben hinterliess, machte Manfred Rützler den Paradigmenwechsel in der Chirurgie klar. Wo es in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts allein ums «Reparieren» ging, wurde mit einem Mal die Ästhetik immer wichtiger. Kranke Venen mussten zwar nach wie vor operiert werden, sichtbare Zeichen der Operation sollten aber keine bleiben.

«Rützler macht die schönsten Beine», hiess es bald, und die Patientinnen standen vor seiner Praxistüre Schlange. Vielen von ihnen war es ein Anliegen, mit der medizinisch notwendigen Behandlung  auch gleich eine ästhetische zu kombinieren, also auch die Form der Beine zu verschönern. Schlanke Fesseln, schlanke Knie und störende Reiterhosen an den Oberschenkeln sollten am besten gleich in ein und derselben Operation  entfernt werden. Um ausladende Formen loszuwerden, waren damals allerdings noch grosse Eingriffe nötig. Bis – rund 30 Jahre ist das nun her – ein Franzose das Fettabsaugen erfand. Angeblich sei dieser ein Abtreibungsarzt gewesen, erzählt Manfred Rützler, dem die Behörden verboten hatten, Saugcuretten für seine gynäkologischen Eingriffe zu verwenden. Der Doktor suchte daher ein neues Einsatzgebiet für die teuren Instrumente und kam auf die Idee, damit Körperfett aus den Geweben zu schaben. Eine fabelhafte Eingebung, wie man heute weiss. Manfred Rützler war einer der Ersten, der diese Behandlungsmethode in Österreich anwandte. «Wir schauten damals noch einer vom anderen ab.» Im Gegensatz zu heute reichte es den Frauen damals meist, das Fett loszuwerden; ein paar Wellen und Dellen waren nicht so schlimm. Heute allerdings, weiss der Arzt, wollen die Kunden ein perfektes Endergebnis. «Drum frage ich mich, wie ein junger Arzt das lernen soll? Makellos muss ein Körper nach einer Schönheitsoperation aussehen, da verzeiht die Gesellschaft keinen Fehler.»

Nie hätte er erwartet, dass das Geschäft mit der Schönheit derart boomt: «Mit einer freien Praxis in der Chirurgie wirst du verhungern», hatten ihm viele vorausgesagt, als er das Krankenhaus verliess und sich selbstständig machte. Um ein zwar geringes, aber wenigstens sicheres Einkommen zu haben, hat er daher auch als Militärarzt gearbeitet; ein Job, der sich nicht lange mit der rasant zunehmenden Arbeit in seiner Praxis vereinbaren liess. Bald musste er sich von seinem humorvollen Vater raten lassen: «Wenn dir 24 Stunden am Tag zum Arbeiten nicht reichen, musst du halt die Nacht dazunehmen!» Lange Jahre war Manfred Rützler der Einzige in der Region, der Schönheitsoperationen anbot: Beine, Busen, Po – hier was weg, dort etwas dazu wurde zur Routine und ist seit einiger Zeit auch hierzulande salonfähig. 
In den letzten beiden Jahren ist es etwas ruhiger geworden in seiner Praxis: «Man spürt, dass es immer mehr Anbieter gibt und auch, dass weniger Geld am Markt ist.» Manfred Rützler kümmert das nicht besonders; hat er doch damit endlich Zeit, seine Hobbys zu pflegen. Er sammelt mit Leidenschaft Antiquitäten und restauriert gerne alte Autos. Und ausserdem ist er österreichischer Konsul von Jordanien: «Ein Land, das mich besonders fasziniert», für das der Reisemuffel sogar in ein Flugzeug steigt. «Das mache ich aber nur, weil ich stets hoffe, der schönsten Königin der Welt zu begegnen», meint er schmunzelnd.
 

 

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