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Musik ist weiblich

Erst kürzlich wurde Eva Rieger die Ehre zuteil in die American Musicological Society aufgenommen zu werden. Ihr grosses Verdienst: Die Professorin für Musikwissenschaft zeigt nach gründlicher Forschertätigkeit in unzähligen Publikationen welch grossen, verborgenen, Einfluss Frauen auf die Musikgeschichte hatten.

Nannerl Mozart, Clara Schumann und Alma Mahler-Werfel kennt man. Aber Hand aufs Herz: Wer hat schon von Maria Bach, Maria Margarethe Danzi oder Emilie Zumsteeg gehört, oder besser noch wer hat einer Komposition von ihnen gelauscht?
Als die Musikwissenschaftlerin Eva Rieger in den 60er Jahren zu forschen begann, fragte sie sich angesichts der langen, langen Liste von Komponisten: «Wo sind denn da die Frauen?» Denn wie in allen wissenschaftlichen Gebieten ist auch in der Musik die Parität bei weitem nicht gewahrt. Auf Dutzende Männer kommt eine Frau und die blieb dazu meist unbekannt.


Wenigstens das wollte Eva Rieger ändern: ein gutes Dutzend Bücher hat sie in den rund 30 Jahren ihrer Lehr- und Forschertätigkeit an der Universität Bremen den Frauen in der Musik gewidmet. «Frau, Musik und Männerherrschaft» heisst das erste Werk aus ihrer Feder, das zeigt, wie sehr Frauen über die Jahrhunderte in den ihnen zugewiesenen Rollenmustern gefangen waren. Es ist die erste Untersuchung über die Gründe der mangelnden Repräsentanz der Musikerin in der Musikkultur. Kein Wunder konnten Frauen keine grossen Werke schaffen, «sie bekamen ja gar keine Aufträge. Sie konnten nicht Kapellmeister werden, durften also gar nicht mit einer Anstellung rechnen. Das hätte nicht ins Rollenbild gepasst.» Wie viele Talente diese Perspektivlosigkeit hat verkümmern lassen, kann nicht einmal erahnt werden. «Das musikalische Handwerk wurde ja überhaupt nur Töchtern von Musikern beigebracht», erzählt Eva Rieger, andere «verschwendeten» darauf weder Zeit noch Geld. Da lehrte man die Mädchen lieber kochen und nähen, damit konnten sie wenigstens etwas anfangen in der vorgezeichneten Rolle als Hausfrau.


«Tatsache ist, dass Frauen anders gelebt haben», stellt die 69jährige Wissenschaftlerin fest, im Nachsatz kommt mit einem kleinen Seufzer, «anders leben!» Kinder zu gebären gibt Frauen die Disposition zum Frieden, ist die überzeugte Feministin sicher. Sie ortet darin einen der Gründe, warum Frauen sich so lange nicht gegen die gesellschaftlich auferlegten Zwänge gewehrt haben. An sich selbst hat Eva Rieger erfahren, wie schwer es für eine Frau ist, selbstbewusst genug zu werden, um sich in der Gesellschaft – und erst in der Wissenschaft – zu behaupten. «Als junge Frau habe ich mir eine akademische Karriere gar nicht zugetraut», sie wäre wohl Lehrerin geworden, hätte ihre Assistentenstelle an der Hochschule für Musik in Berlin nicht zu einer Dissertation und damit in die so erfolgreiche akademische Laufbahn gezwungen. Dabei ist Eva Rieger in einem intellektuellen Umfeld und in einer Grossstadt aufgewachsen.
In Grossbritannien geboren, verbrachte sie ihre Primarschulzeit in London. Die Jahre in denen sich die Frauenbewegung formierte erlebte die musisch Hochbegabte als Gymnasiastin und als junge Studentin in Berlin: «Die Frauenbewegung hat mich von der ersten Stunde an in ihren Bann geschlagen», erinnert sie sich. Es sei eine logische Folge gewesen, dass sie sich der Genderforschung verschrieben hat. Zudem war die Rolle der Frau in der Musikgeschichte so gut wie unerforscht. Von Eva Rieger stammt die erste feministische Musiktheorie. «Musik ist gut geeignet geschlechtsspezifische Bilder zu transportieren und das wurde auch weidlich genutzt.» Am Beispiel von Richard Wagners «Ring der Nibelungen» sei das deutlich zu hören. Während Siegfried sechs verschiedene Motive bekommt, gesteht der Komponist Brunhilde nur deren zwei zu. Und auch an der Melodieführung und dem Einsatz verschiedener Instrumente lassen sich Rollenklischees festmachen. Dabei ist Eva Rieger sicher: Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt es!  Die sollen auch gar nicht geleugnet werden; daraus aber ein Vorrecht in der Gesellschaft ableiten zu wollen, ist falsch! Langsam, langsam komme etwas Bewegung selbst in die verkrusteten Strukturen der Musikwelt. «Mittlerweile gibt es zahlreiche Frauen in den Orchestern, auch an früher männertypischen Instrumenten wie Horn oder Pauke», freut sich Eva Rieger. Sie ist diplomierte Klarinettistin, spielt hervorragend Klavier und hat ein ambitioniertes Ziel: Zu ihrem 70. Geburtstag will sie ihrer Familie ein Ständchen auf dem Cello spielen. Unterricht nimmt die eifrige Schülerin erst seit wenigen Monaten.

 

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