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Musik als Lebenselixier

Hören ist genauer als Sehen, biologisch gesehen hat es offenbar auch einen grösseren Stellenwert. So ist es auch in Denise Kronabitters Welt. Die Musikwissenschaftlerin setzt der fortschreitenden Visualisierung Klangwolken entgegen, die einhüllen, emporheben und Tore zu Seelen öffnen.

Es ist angenehm still im Haus, die Geräusche, die ins Wohnzimmer dringen, stammen von draussen; manchmal fährt ein Auto am Haus vorbei, da und dort schreit eine Krähe. Auch Schritte über Kies sind zu hören, das Auf- und Zumachen einer Schublade, das Knarren der Holzdielen. Kein Radio dudelt, kein Fernseher plärrt. Denise Kronabitter lässt sich nicht gerne beschallen, trotz ihrer Liebe zu Klängen und Geräuschen.
«Musik ist für mich, seit ich mich erinnern kann, ein Lebenselixier», sagt sie. «Ich sehe mit den Ohren», ist sie überzeugt und hat darum achtgegeben, dass ihr dieses besondere Talent nicht durch Drill und Techniklastigkeit bei einer Ausbildung zur Berufsmusikerin zunichte gemacht wird.
Zum Beruf gemacht hat Denise Kronabitter die Musik dennoch. Sie ist Musikwissenschaftlerin – das Studium hat sie mit Auszeichnung abgeschlossen. Obwohl sie Freude am Forschen hat und sich in verschiedene Themen der historischen oder der vergleichenden Musikwissenschaft förmlich «hineingraben» hat können, wollte sie nicht für die gesamte Zeit ihres Berufslebens in der Forschung bleiben.
Zu gross ist ihre Neugierde, dem nachzufühlen, «wo die Klänge daheim sind, und was sich damit machen lässt. Man muss ihnen Raum geben, auch ganz kleine, unscheinbare Klänge können viel bewirken.» Seit dem Primarschulalter singt Denise Kronabitter und spielt Flöte, Oboe und Gitarre; sie war auf dem Musikgymnasium und wurde am Konservatorium unterrichtet. Vieles, was sie an musiktheoretischem Wissen mit sich trägt, findet sie allerdings heute beim Musizieren im Klanglabor zuweilen störend. Das Klanglabor wurde vor drei Jahren von Denise Kronabitters Lebenspartner, dem Multimediakünstler Arno Oehri, anlässlich seiner 5-Kanal Videoinstallation «the house of pleasures & deceit» gegründet. Seither musizieren Denise Kronabitter, Marco Sele und Arno Oehri häufig gemeinsam.«Dabei ist mir die Thoerie manchmal im Weg, denn im Klanglabor geht es nicht darum, ein Instrument möglichst perfekt zu spielen, sondern herauszufinden, welche Klangvielfalt in ihm steckt.» Die Technik sei bei jener Art der improvisierten Musik nicht so vordergründig wichtig wie etwa Konzentration: «Gute improvisierte Musik braucht Fokus, dann können auch ungewohnte Klänge eine Chance bieten, neue Hördimensionen kennenzulernen», weiss die Theoretikerin, die nichts lieber macht, als Theorie an der Praxis zu messen.
Denise Kronabitter wird nicht müde zu erklären, dass Improvisieren nicht schlechter oder minderwertiger ist als das Spielen klassischer Orchestermusik. «Die Qualifikationen liegen einfach auf anderen Gebieten; was letztlich zählt, ist die Liebe zur und die ernsthafte Beschäftigung mit Musik.
Obwohl sie viel Bühnenerfahrung mitbringt, gesteht Denise Kronabitter, vor jedem Auftritt mit dem Klanglabor nervös zu sein. Die Aufregung komme nun nicht mehr daher, fremden Ansprüchen gerecht zu werden, wie es während ihrer Ausbildung meist der Fall war. Heute geht es vielmehr darum, ihren eigenen Erwartungen zu entsprechen, hausgemachter Druck sozusagen. «Ich möchte mit der Musik Menschen etwas geben, etwas, das von mir kommt – etwas für die Seele.» So ist für sie die Authentizität einer Musik ausschlaggebend. «Das Publikum spürt, ob man einfach halbherzig hier und da ein paar Klänge setzt, oder ob man ganz in ihnen wohnt.»
Dass Denise Kronabitter die Seele ihrer Mitmenschen wichtig ist, beweist sie auch mit ihrem Interesse für die Heilkraft der Musik. Ohne esoterischen Hintergrund hat sie in den vergangenen Jahren  – neben Muttersein und Studium – eine Ausbildung in Sonanztherapie absolviert. Die Begegnung mit Menschen, denen sie mit Klängen und Tönen Gutes tun kann, fasziniert die Musikwissenschaftlerin. Sie macht Klangschalenanwendungen, die bei den unterschiedlichsten Leiden lindernd wirken können. Gilt doch das Ohr seit alters her als das Tor zur Seele. Stimmen, Musik, ja eigentlich alle Töne sprechen sehr direkt Gefühle an. «Für diese Arbeit ist viel Gespür und Intuition nötig», sagt Denise Kronabitter. Das Allerwichtigste aber sei Achtsamkeit und darin trifft sich ihre Arbeit als Therapeutin mit ihrer Arbeit als Improvisationsmusikerin. Auch beim gemeinsamen Musizieren ist Achtsamkeit oberstes Gebot – vor den Musikerkollegen, vor der Musik und ihren Tönen, vor den Zuhörern und nicht zuletzt gebührt auch den Instrumenten Achtsamkeit. Als ihr wichtigstes Instrument begreift Denise Kronabitter ihre Stimme. Klangvoll getragen, guttural-perkussiv oder gebrochen schräg – immer wieder ist sie fasziniert davon, wie viele verschiedene Facetten in der menschlichen Stimme schlummern. Sie liebt es, all diese Facetten auszuprobieren, zu spüren, welche Gefühle sie bei ihr und bei Zuhörern auslösen.
Bald wird die Mutter eines mittlerweile siebenjährigen Sohns die Ausbildung zur Musiktherapeutin beginnen, eine Vertiefung, Weiterführung der Sonanztherapie. Denise Kronabitter freut sich darauf, doch sosehr ihr die therapeutische Arbeit auch gefällt, müsste sie sich darauf beschränken, würde ihr etwas Entscheidendes fehlen. «Auf die künstlerische Auseinandersetzung mit Musik, das Selbstmusizieren möchte ich nicht verzichten müssen.» Die Musik, die sie gerne macht, unterscheidet sich allerdings klar von Neuer Musik und «Pop ist für mich weit, weit weg». In Ersterer vermisst sie vor allem «emotionale Aspekte», Pop ist ihr zu trendig. Werten möchte Denise Kronabitter allerdings nicht, denn «jede Musik, die ernsthaft gemacht wird, erreicht die Menschen.»

 

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