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M. «comme il faut»

Als «Regisseur im Staatstheater» bezeichnet sich der deutsche Amtskollege von Wilfried Hoop gerne. Der liechtensteinische Protokollchef findet diese Umschreibung seiner Aufgaben ebenfalls treffend. Seine Arbeit ist unverzichtbar und gut gemacht hat er sie, wenn keiner davon spricht.

Von Shusha Maier

Wie vielen Staatsoberhäuptern, Ministerinnen, Botschaftern und Diplomatinnen er in den vergangenen acht Jahren die Türen aufgemacht hat, weiss Wilfried Hoop nicht aus dem Gedächtnis zu sagen. Lebhaft in Erinnerung geblieben sind ihm bei Weitem nicht alle. Johannes Rau, Vaira Vike-Freiberga und Luc Frieden nennt er ohne zu überlegen als jene, die ihm am meisten Eindruck hinterlassen haben. Eine «charismatische Persönlichkeit und grossartiger Mensch» sei der 2006 verstorbene achte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland gewesen, und dieses Prädikat verdienten auch die ehemalige Präsidentin der Republik Lettland und der luxemburgische Finanzminister.
«Aber», sagt Wilfried Hoop, «Türen aufmachen ist beileibe nicht das Einzige, das wir zu tun haben; es ist nicht einmal das Wichtigste.» Es scheint den Protokollchef der liechtensteinischen Regierung ein wenig zu ärgern, dass die meisten Menschen – allen voran die Medienvertreter – meist nur diesen winzigen Teil seines Aufgabenbereichs zu sehen bekommen. Beispielhaft nennt der den kürzlichen Besuch des französischen Budgetministers. «Dieser war je eine halbe Stunde bei der Regierung und beim Erbprinzen, eine ganze Stunde sei der Gast aber mit dem Protokollchef quasi unter vier Augen – bei der Hin- und Rückfahrt zum Flughafen, im Wagen eines liechtensteinischen Regierungsfahrers. «Da müssen Sie nicht nur die Sprache des Gastes können, sondern vor allem auch wissen, worüber Sie mit ihm reden!» Mit Klischees aufräumen und das wahre Liechtenstein zeigen, das sieht Wilfried Hoop als eine seiner bedeutendsten Aufgaben und die erledigt er für gewöhnlich im Hintergrund, unbeobachtet von den Medien.
Dem grossen, schlanken Mann, der am gleichen Tag Geburtstag feiert wie «Her Majesty Queen Elizabeth II», kommt die unverzichtbare, äusserst wichtige Aufgabe zu, Staats-, Minister- und Botschafterbesuche bis in alle Einzelheiten zu planen und zu organisieren. Und das möglichst so, dass anschliessend keine Anekdoten im Umlauf sind, über die er erst Jahre später wird lachen können, wenn überhaupt. Das Training im «comme il faut» hat der polyglotte ehemalige Marketingfachmann – Wilfried Hoop spricht Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch – im Wiener Aussenministerium und an der ENA, der Ecole Nationale d'Administration, in Paris erhalten. «Die Zeit in Paris war einer der Höhepunkte meines Berufslebens», erinnert er sich an diese Zeit. Das muss heissen, dass die französische Hauptstadt sowohl an Lebensqualität, als auch an Bildungsmöglichkeiten sehr viel zu bieten hat; hat der Weitgereiste doch zuvor schon in den USA, in Spanien und in der Westschweiz gelebt.
Zu lernen gab es allerhand; Wilfried Hoop zieht einen dicken blauen Ordner aus seinem Bücherschrank: Tischordnungen, Rangfolgen bei der Begrüssung, Blätter mit korrekten Anreden von Honoratioren quellen heraus: «Das Protokoll regelt sozusagen die Selbstdarstellung eines Staates und ist in erster Linie ein wichtiges Instrument der Aussenpolitik.» Damit es zu keinen diplomatischen Zwischenfällen kommt, unterliegen sämtliche zwischenstaatliche Abläufe einer langen Reihe von weltweit verbindlichen Regeln, die möglichst genau eingehalten werden müssen. Das «Wiener Übereinkommen» von 1961 etwa regelt den diplomatischen Verkehr einschliesslich der Immunitäten der Diplomaten. 174 Staaten sind diesem Übereinkommen beigetreten, das ist beinahe die gesamte Staatengemeinschaft. «Das Abkommen sorgt dafür, dass sich der Botschafter der USA nicht düpiert fühlt, weil sein Kollege aus Albanien vor ihm empfangen wird; die Reihenfolge des Shakehands wird nicht durch die Grösse der Staaten bestimmt, die ein Botschafter vertritt, sondern hängt vom Datum der Übergabe des Beglaubigungsschreibens an S.D. den Erbprinzen ab.» Protokoll hat wenig mit Etikette zu tun, erklärt Wilfried Hoop. Beim einen geht es um die Beziehungen zwischen Staaten, beim anderen ums Zwischenmenschliche. Die Benimmregeln aus dem FF zu beherrschen, wird allerdings dennoch von einem Protokollchef erwartet.

Im Gegensatz zu seinen Amtskollegen aus Österreich oder Deutschland ist Wilfried Hoop nicht im Rang eines Botschafters. Auf seine Arbeit im Land hat das wenig Einfluss, «aber wenn man keinen Diplomatenstatus hat, erschwert das gelegentlich die internationale Zusammenarbeit, weil das viele der rund 80 Staaten, mit denen Liechtenstein diplomatische Beziehungen unterhält, eigentlich als selbstverständlich betrachten».
Pannen hat Wilfried Hoop bei seiner Arbeit noch nicht viele erleben müssen. «Die würden für diese Geschichte auch nicht viel hergeben», meint er schmunzelnd. Über gravierende würde er nicht sprechen dürfen, harmlose seien wiederum nicht besonders unterhaltsam. Mit einer Anekdote rückt der Protokollchef schliesslich doch heraus. Empfang des japanischen Botschafters auf Schloss Vaduz. Bei der Rückfahrt will die noble, aus Deutschland importierte Staatskarosse nicht anspringen; auch mehrere Versuche des Chauffeurs führen zu keinem Erfolg. Ein Ersatzwagen muss her. Der ist zum Glück nach wenigen Minuten zur Stelle, der japanische Diplomat steigt um, lehnt sich bequem in das Polster und rät Wilfried Hoop: «I think you should buy a Toyota!»

Was tut ein Mann, der sich von Berufs wegen viel in Gesellschaft aufhalten muss, in seiner Freizeit? «Ich bin einer, der sich gerne zurückzieht. Bücher lesen, Musik hören, die Natur geniessen, das ist für mich Entspannung.» Wilfried Hoop bezeichnet sich als einen politisch konservativen, wirtschaftlich aber sehr liberalen Menschen.

Und als ehemaliger Marketingleiter des FC St. Gallen und Section Manager bei der Uefa liegt ihm der Fussball nach wie vor sehr am Herzen. Aber nur noch zum Zuschauen, denn seine aktive «Karriere» musste er relativ früh nach einem schweren Sportunfall beenden. «Zum Glück», sagt er heute, «denn dadurch habe ich begonnen, mich auf Dinge zu konzentrieren, die mir heute viel wichtiger sind.»

 

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