Liechtenstein im Fokus
Von Shusha Maier
«Fotografiert werden? Oh nein! Muss das ein?» Leicht irritiert schaut Fritz Baum auf die junge Fotografin. 60 Jahre Erfahrung hinter der Linse gehen ihm durch den Kopf, vor der Linse stand er aber nie gern.
Auf unzähligen Fotos hat Fritz Baum Liechtenstein und seine Bewohner festgehalten – eine Dokumentation von unschätzbarem Wert, die er dem Landesmuseum und der Gemeinde Ruggell übergeben hat.
1943 griff der damals 18-Jährige zum ersten Mal zur Kamera; es war die Hochzeit von Fürst Franz Josef mit Gräfin Georgina von Wilczek, die ihn dazu bewog. Das Ereignis liess die Augen der Weltöffentlichkeit auf das kleine Liechtenstein richten.
Fünf Jahre zuvor war Fritz Baum mit seinen Eltern und dem zwei Jahre älteren Bruder ins Land gekommen, das der Familie sicherer Hafen war. Glück und die Weitsicht seines Vaters, der die Warnungen seines besten Freundes ernst nahm, veranlasste die jüdische Familie, Nazideutschland im letzten Moment zu verlassen.
Fritz Baum ging in Eschen in die Sekundarschule. «Als Kind habe ich nie Antisemitismus zu spüren bekommen», erinnert er sich. Sogar Liechtensteiner, die als glühende Anhänger des Nationalsozialismus galten, begegneten ihm freundlich, mit Respekt und Umsicht. Nach Abschluss der Schule und Weiterbildung arbeitete der junge Mann im elterlichen Webereibetrieb, den die beiden Brüder später gemeinsam erfolgreich führten. Den Fotoapparat nahm er nur in der Freizeit in die Hand.
«Liechtenstein hatte zu der Zeit kein grosses Interesse daran, sich zu exponieren.» Das sollte sich aber bald ändern: Als Fritz Baum 1955 mit dem legendären Vorstandsvorsitzenden von IBM, Thomas Watson, in New York zusammentraf und feststellen musste, dass dieser trotz Freundschaft mit Prinz Emanuel über Liechtenstein so gut wie nichts wusste, beschloss er, seine erste Imagekampagne des Landes auf den Weg zu bringen. Die Öffnung Liechtensteins kam ihm dabei entgegen: Wie viele hochgestellte Persönlichkeiten damals das Land besuchten, weiss Fritz Baum gar nicht zu sagen. Sicher ist, dass er jeden dieser Staatsbesuche fotografisch festhielt. Unterstützung erhielt er dabei von Walter Kranz, damals Leiter des neu gegründeten Liechtensteinischen Presseamtes und Chef des Protokolls in Personalunion. Der viel zu früh verstorbene Kranz war sich der Wichtigkeit von Medienpräsenz, nicht zuletzt zur Demonstration der Souveränität, bewusst.
Fritz Baum fotografierte für alle grossen Agenturen: Keystone, United Press International (UPI) und auch für die APA, die Austria Presse Agentur. Lachend erinnert er sich an die Pakete mit Filmrollen, die – schnell, schnell – auf die Bahnhöfe von Buchs oder Sargans transportiert werden mussten. Ein äusserst netter Umgang mit den Kondukteuren sei unerlässlich gewesen, damit sie die Filmrollen mit auf den Weg nahmen.
Fritz Baum staunt über die technischen Veränderungen in der Fotografie. Wie wenig Material nun nötig ist, wie vielseitig die Kameras sind, wie wenig Zeit man braucht, ein Foto druckfertig zu haben. Am meisten beneidet er seine jungen Kollegen darum, das Ergebnis ihrer Arbeit gleich prüfen zu können. «Wir konnten damals nur hoffen, qualitativ hochwertiges Material aus den Händen zu geben.» Trotz der Schnelligkeit, die heute gefordert ist, glaubt Fritz Baum aber nicht, dass die Arbeit stressiger geworden ist. «Wir mussten uns ebenfalls sehr beeilen, und das, damit ein Bild am übernächsten Tag in der Zeitung sein konnte – unvorstellbar heute, nicht wahr?»
Fritz Baum hat aber nicht nur Grosses geleistet, um Land und Leute über Jahrzehnte hinweg zu dokumentieren. Unermüdliches Engagement legt er bis heute in seine Bemühungen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung. «Ich wünsche mir immer noch mehr Verständnis, mehr Toleranz und vor allem mehr Zivilcourage», sagt er. Seit der Gründung des Vereins Liechtensteiner Freunde des Yad Vashem arbeitet er in dessen Vorstand. Versucht gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen und -kolleginnen, im Rahmen von Vorträgen und Ausstellungen Jugendliche zu sensibilisieren, schildert, wie es sich anfühlt, verfolgt zu sein, ausgegrenzt, und wie wichtig es ist, Solidarität zu spüren, einen Ort zu haben, an dem man sicher und zu Hause sein kann. Fritz Baum war schnell in Liechtenstein zu Hause – hat seine Wurzeln aber nie vergessen.
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