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Kreative Träumerin mit Sinn für Realismus

Ein Leben in Bewegung, das mag Doris Gstöhl. Sie fährt lieber Velo als Auto, läuft lieber durch den Wald, als an fernen Stränden in der Sonne zu liegen und schätzt auch Bewegung in ihrem Lebensfluss. Nach vielen innigen Jahren mit ihren Kindern besinnt sie sich wieder mehr und mehr auf sich selbst.

Von Shusha Maier

«Alles, was sich verändert, heisse ich willkommen», sagt Doris Gstöhl mit einem fröhlichen Lachen. Ihre kleine, zarte Gestalt, ihre mädchenhafte Erscheinung hat sich in den vergangenen 20 Jahren allerdings nicht geändert. Es ist kaum zu glauben, dass ihr ältester Sohn bald volljährig sein wird.

Doris Gstöhl ist ausgebildete Hebamme, sie hat einige wenige Jahre in diesem Beruf gearbeitet – war aber «nicht hundertprozentig zufrieden mit sich», wie sie sagt. «Ich hatte oft das Gefühl, ich kann den Frauen nicht das geben, was sie brauchen», erzählt sie. Dass sie dieses Gefühl getrogen haben könnte, kann sie fast nicht glauben. Und doch gibt es Mütter, für die ist Doris Gstöhl die «beste Hebamme, die es gibt». Einfühlsam und doch energisch, fröhlich und gelassen, wachsam und ganz da gab sie ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit – und das selbst Gebärenden, die fast doppelt so alt waren, wie sie es damals war.

Als sich eigene Kinder anmeldeten, beschloss die junge Frau, nur noch «Mama sein zu wollen. Denn wenn ich etwas mache, dann mit Herz und Seele». Mit grossem Vergnügen begleitete Doris Gstöhl ihre zwei Buben und das Mädchen durch die Kindheit. Freute sich an deren Entwicklungsschritten und war stets zur Stelle, um zu unterstützen, zu loben, zu trösten und manchmal, wenn es sein musste, auch, um zu tadeln.

Ein sicheres, stabiles Umfeld, wenige, aber klare Regeln und Grenzen, hat sie erfahren, sind für die Entwicklung von Kindern wichtig. So sehr das häusliche Umfeld Kinder präge, sei es aber auch das öffentliche, die Gemeinschaft, die massgeblichen Einfluss auf deren Entwicklung haben. Darum findet es Doris Gstöhl sehr schade, dass Liechtensteins Schulreform abermals gescheitert ist. Sie hat sich nicht gescheut, ihre Meinung öffentlich kundzutun, die lautet: «Ein Bildungssystem ist nur gut, wenn es auch die Schwachen integriert.»

Auf das liechtensteinische Schulsystem würde das nur beschränkt  zutreffen. Die dafür nötigen Gesetzesgrundlagen hätten mit Spes I  geschaffen werden können und daher bedauert sie umso mehr, dass wiederum eine Chance vertan worden ist, dieses Ziel zu verwirklichen. «Viele engagierte Menschen haben viel Zeit, Wissen und  Erfahrung in die Reformpläne gesteckt, es tut mir leid, dass ihre Bemühungen an der Urne gescheitert sind.»  Doris Gstöhls politisches Interesse kommt nicht von ungefähr.

«Ich bin in einer sehr politischen Familie aufgewachsen. Die Einstellung «Wenn man mitredet, kann man mitgestalten» hat sie von daheim mit auf den Lebensweg bekommen.» Oft geschehen Veränderungen nur durch Druck und Leid, weil man die Zeichen der Zeit zu spät erkannt hat. Dass die Menschen allmählich zu einem neuen Bewusstsein gegenüber der Umwelt, den Nachbar- und Drittweltländern gelangen und somit zurück zu einem fairen Miteinander finden, stimmt sie optimistisch.

«Wir alle leben in einer Zeit des Wandels», sagt sie, «ob wir das wollen oder nicht». Doris Gstöhl begrüsst den gesellschaftlichen Wandel genauso sehr wie den in ihrem Leben. «Ich verändere mich, wie es der Lebensfluss ergibt. Jetzt, wo die Kinder grösser werden, habe ich wieder mehr Zeit für meine eigenen Träume und Ziele.»

Einen dieser Träume hat sich Doris Gstöhl schon verwirklicht: Singen lernen. «Ich bin zwar alt», sagte sie sich vor zehn Jahren – da war sie gerade mal 30 – «aber ich möchte dennoch wissen, was noch in meiner Stimme steckt».

Sie hat also Gesangsstunden genommen und ihre Stimme so weit entwickeln können, dass «sie klingt, und das macht Spass». Nur um zu Hause unter der Dusche zu singen, hat Doris Gstöhl das allerdings nicht gemacht: «Die Idee dahinter war schon, auf einer Bühne zu stehen.» Sie schlüpft gerne – getreu ihrer Vorliebe für Veränderung – in verschiedene Rollen, probiert gerne verschiedene Charakter aus, mag es, sich zumindest stundenweise neu zu erfinden. 

Im Land werden zwar ambitionierten Laien etliche Plattformen geboten, sich künstlerisch zu betätigen, «die Ansprüche sind aber doch recht hoch». «Ich wollte es auch für weniger geschulte Menschen möglich machen, sich ihren Schauspieler- oder  Sängerinnentraum zu verwirklichen.» Doris Gstöhl hatte die Idee zu «Art à la carte» und gründete beherzt den Verein Schaubühne, um diese umzusetzen. «Mich befruchtet es sehr, zu sehen, mit wie viel Elan und Einsatz Menschen etwas auf die Beine stellen und welche Gruppendynamik dabei entsteht», sagt sie. Weil niemand aus der Gruppe finanzielle Interessen hätte, konnten beim letzten «Art à la carte» 50 000 Franken gesammelt werden. Das Geld ist in ein Hilfsprojekt in Indien geflossen, «und mit 50 000 Franken kann man in Indien schon einiges bewegen.» Im kommenden Jahr wird es wieder ein «Art à la carte» geben.

Heuer steht die MusiComedy «Junimond» auf dem Programm.  Am 28. Mai ist Premiere, «Junimond» wird gefeiert werden, das ist sicher. Diesmal ist Doris Gstöhl aber  nicht als Sängerin auf der Bühne. Sie ist die Autorin des Stücks. Das gesamte Drehbuch für den «Abend mit Gesang, Tanz und Comedy» stammt aus ihrer Feder. Ihr Mann Hansjörg baut mit seinen freiwilligen Helfern  begeistert am Bühnenbild. «Wir sind in einer glücklichen Lage, denn wir können es uns leisten, kreativ zu arbeiten, ohne auf eine Gewinnmaximierung zu achten.» Wie viel Freude und Spass so ein Leben ohne Gewinnmaximierung machen kann, ist ganz deutlich in Doris Gstöhls strahlendem Gesicht zu lesen.
 

 

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