Kommentar: Das Andere ist keine Bedrohung
VON RICHARD BRUNHART
Es dürfte keine Schwierigkeiten bereiten, sich auf einen moralischen Grundkonsens zu einigen: Gewalt ist schlecht. Und dort sollte auch die Grenze bei der Sexualität gezogen werden: Wenn physische oder psychische Gewalt ausgeübt wird. Gewalt lässt sich nach herrschendem Verständnis nur rechtfertigen, wenn es sich um Gegengewalt handelt. Aber wie üben Schwule und Lesben Gewalt aus, wenn sie Gleichberechtigung fordern? Wer ist so dreist zu behaupten, dass sie Gewalt gegen eine «Natur» ausüben, die von der Gesellschaft normiert wird?
Vielmehr erfahren Schwule und Lesben Gewalt – in Form struktureller Gewalt – wenn eine Mehrheit festlegt, dass eine Form von Liebe mit Privilegien begünstigt wird und eine andere nicht. Was ist Liebe, wenn schwule und lesbische Liebe widernatürlich sein sollten? Gegnern von gleichen Rechten für Schwule und Lesben geht es um die Verteidigung einer Identität, die durch jeden anderen Lebensentwurf als bedroht empfunden wird. Doch ist diese Identität es wert, verteidigt zu werden? Lässt sie Liebe überhaupt zu? Denn bedeutet Liebe nicht gerade, das Andere in seiner Andersheit zuzulassen?
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