Hundert Prozent Mama
Im Haus ist es ruhig. Ein Windhauch bläht die duftigen weissen Vorhänge, warme Luft schwappt in die angenehme Kühle des Wohnzimmers. Weisses Sofa, weisse Stühle, helles Holz: der Raum trägt Sommergarderobe; schicke Sommergarderobe, mit Bedacht ausgewählt und mit Geschmack kombiniert. Man merkt: Da war ein Einrichtungsprofi am Werk. Allerdings einer mit Sinn fürs Praktische, denn den eleganten Wohnraum betrachten zwei kleine Mädchen als ihr Spielzimmer und das dürfen sie auch. Der Einrichtungsprofi ist ihre Mutter Nicole Russenberger. Für die junge Frau war klar, dass sie Kinder haben will und daher wurde das Haus von vorneherein kindergerecht gestaltet.
Dass ein weisses Designersofa sich genauso gut als Trampolin eignet, wie Klippan von Ikea, weiss bisher nur Tochter Caterina, Baby Anna ist noch zu klein zum Hüpfen und überhaupt, noch halten beide Mittagsschlaf.
Seit eineinhalb Jahren ist Nicole Russenberger Mutter, genauso lange auch Vollzeithausfrau. Wie fühlt sich eine Frau, die 15 Jahre lang in einem kreativen, interessanten Beruf gearbeitet hat, über eigenes Einkommen verfügen konnte, über ihre Zeit und Interessen, wenn sie sich von einem Monat auf den anderen in die Abhängigkeit des Partners begibt? «Ehrlich gesagt, habe ich mir das leichter vorgestellt», gibt Nicole Russenberger zu. Sie erinnert sich gut daran, wie ihr mit einem Mal bewusst geworden ist, abhängig zu sein. Es war an dem Tag, an dem sie ihren letzten Karenzlohn bekommen hatte.
Sie ist nicht die einzige junge Mutter, die sich schwer tut mit der Einsicht, Anrecht auf einen Teil der Einkünfte ihres Partners zu haben, auch wenn ihr Mann Thomas ihre Entscheidung bei den Kindern zu bleiben schätzt und aus Überzeugung mitträgt. «Mir ist natürlich bewusst, dass ich nicht nur viel arbeite, sondern dass ich auch wichtige Arbeit leiste.» Die wichtigste, möchte man entgegnen – aber es wird ein «die unterschätzteste» daraus. «Ja, Hausarbeit wird als selbstverständlich angesehen», hat auch Nicole Russenberger erfahren müssen. «Man wird heute schon fast schief angesehen als Vollzeithausfrau», sagt sie. Von noch kinderlosen berufstätigen Kolleginnen werde sie hin und wieder gefragt, was sie denn den ganzen Tag daheim mache? «Es wird heutzutage offenbar erwartet, dass Frauen zu jeder Zeit und überall 100 Prozent geben.»
Wie weit das von der Realität entfernt ist, weiss Nicole Russenberger, seit Caterina auf der Welt ist, die gerade gut ausgeschlafen und voller Tatendrang die Treppe heruntertapst. Die Eineinhalbjährige fordert Zeit und Aufmerksamkeit, umso mehr, seit sie vergangenen Mai eine Schwester bekommen hat.
Die Zeit, die sie mit den Kindern verbringen kann, sich ihnen und ihren Bedürfnissen widmen, geben Nicole Russenberger die Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. «Keinen Tag, keine Stunde mit den Kindern möchte ich missen», sagt sie lächelnd. Sicher, Kindern würden viel fordern, «sie geben aber auch unendlich viel zurück.» Es ist auch nicht so, dass sie mit der Hausarbeit hadern würde: «Ich finde es eigentlich schön, ein Daheim zu schaffen, in dem sich alle wohl fühlen», nur sei das neben ihrem Fulltimejob genauso gut gegangen und als Dauerbeschäftigung wäre Nicole Russenberger die Hausarbeit alleine wohl zu eintönig.
Also, so bald als möglich zurück ins Berufsleben? «Ach nein, so eilig habe ich es nicht», sagt sie, denn die ersten paar Jahre will sie auf jeden Fall bei den Kindern bleiben, voll und ganz für sie da sein und ihre Entwicklungen beobachten. Von diesen Entwicklungen will Nicole Russenberger auch einen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben abhängig machen. Das sie das kann, betrachtet die junge Mutter als Privileg, zumal sie auch eine Möglichkeit gefunden hat, einige Stunden in der Woche auswärts arbeiten zu gehen – am Ball zu bleiben sozusagen und dazu noch ein wenig «eigenes» Geld zu verdienen. Sich ein wenig Luxus leisten zu können, ohne Rücksicht auf die Familienfinanzen und ihrem Mann ein Geschenk zu kaufen, von Geld das nicht er nach Hause gebracht hat, machen Nicole Russenbergers Vollzeitmutterglück perfekt.
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