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Durch Feuer und Eis

Natur und Technik sind in Peter Schoecks Welt kein Gegensatzpaar: Zeitlebens hat er es verstanden sich mit beiden seiner Leidenschaften gleichzeitig und auf höchstem akademischen Niveau zu beschäftigen.

Schoeck Peak ist ein 1810 m hoher Berg der Enterprise Hills in der Westantarktis. Er liegt am Kopf des Horseshoe Valley. Vom Schoeck Peak aus fliesst der Henderson-Gletscher in Richtung Nordost durch die Enterprise Hills zum Union-Gletscher. Und ja – der Berg ist nach Professor Peter A. Schoeck benannt, der Wissenschaftler, der sich in liechtensteinischen Zeitungen hin und wieder zu physikalischen Themen zu Wort meldet. Was den grossgewachsenen Ingenieur, Weltraumforscher und Glaziologen aus Triesen, der sich flink bewegt und noch flinker denkt, so richtig in Harnisch bringen kann, ist Ignoranz und dagegen anzugehen sieht er als gebotene Mission. Es wird wohl seine schwerste sein, was allerhand heisst, denn in Peter Schoecks 83-jährigem Leben reiht sich eine schwere Mission an die nächste.
1926 geboren, in ein Deutschland das an der «Schmach des Versailler Diktats» schwer zu tragen hatte, war er zu Pflichtbewusstsein, Vaterlandsliebe und Disziplin erzogen worden. In einem gelehrten und humanistischen Umfeld erhielt aber auch der Geist des begabten Knaben Nahrung, sein Talent die nötige Unterstützung. Peter Schoecks ganzes Interesse galt schon in jungen Jahren der Technik, zugleich war er aber ein leidenschaftlicher Naturfreund. Seine Liebe zur Natur, sein Interesse an der Technik, verbunden mit Abenteuerlust glaubte er als Marieoffizier ausleben zu können. Eine Karriere, zu der es allerdings nicht kommen sollte. Er war erst 14 Jahre alt und noch auf der Seekadettenschule, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Sein Ziel U-Boot-Kommandant zu werden, zerschellte; bewähren musste er sich dennoch. Als knapp 18 Jähriger war Peter Schoeck Offizier mit Verantwortung über einen 120 Mann starkeEinheit der «Special Forces» die hinter den feindlichen Frontlinien operierte. Fünf Stunden vor Kriegsende wurde er noch verwundet und von den Briten gefangen genommen.


Er war nicht lange in Gefangenschaft, konnte bald an der Universität von Karlsruhe Maschinenbau und Mathematik studieren. Das erste Job-Angebot kam aus den USA. Amerika – in den 50er Jahren, ein Ziel das Freiheit und Abenteuer verhiess. Die Wirklichkeit sah anders aus: Peter Schoeck landete als Konstrukteur in einer Pumpenfabrik im Mittleren Westen. «20 Kirchen und ein Kino gabs dort», erzählt er lachend und einen weiten, weiten Horizont. «Doch Bergsteigen und Skifahren waren mein Leben und daher bin ich schliesslich als Skilehrer nach Minnesota gegangen.» Also doch Abenteuer, Freiheit und als Draufgabe die sprichwörtlichen, unbegrenzten Möglichkeiten. Denn einer von Peter Schoechs Skischülern war Professor für Physik an der Universität von Minnesota und bot dem Sportler einen akademischen Posten an. Der junge Wissenschaftler griff zu und betrieb fortan Weltraumforschung. Genau gesagt: Er berechnete den «reentry corridor», den Wiedereitrittskorridor, für Raumfahrzeuge.

Ob das der Grund war, dass sein «Himmelsgeschenk» so punktgenau landete? Das Himmelgeschenk war ein  Angebot der amerikanischen Marine, die 1956 einen als Bergführer, Pilot und Navigator ausgebildeten Offizier für Operationen in den Polarregionen suchte und schon bald war Peter Schoeck, als Offizier der US Marine inzwischen Amerikaner geworden, auf einem Eisbrecher in die Arktis unterwegs. Die Mission war in Grönland Radarstationen aufzustellen – einen Radarschutzschild für die USA gegen feindliche sowjetische Flugzeuge, man war schon mitten im kalten Krieg. Der junge Neoamerikaner machte seine Sache so gut, dass er gleich nach dem Arktiseinsatz als leitender Wissenschaftler für Glaziologie auf die amerikanische Antarktisstation Little America V verpflichtet wurde.


Eineinhalb Jahre lang lebte Peter Schoeck als leitender Wissenschaftler für Eis- und Südlichtforschung  der amerikanischen Antarktisexpedition im Internationalen Geophysikalischen Jahr auf dem letzten, damals noch völlig unerforschten Kontinent. Fast vollständig von der Aussenwelt abgeschnitten, erforschte er Polarlichter, bohrte die Gletscher an, legte 5000 Kilometer auf Langlaufskiern zurück, bei Temperaturen von minus 60 Grad und Stürmen mit 120 Stundenkilometer Geschwindigkeit – er war in seinem Element. Nur ein einziges Mal konnte er während all der Zeit  mit seiner Familie telefonieren und die Stimme seiner inzwischen geborenen Tochter hören; ging aber dennoch in seiner Forscherarbeit und der überwältigenden Naturkulisse vollkommen auf, war glücklich.


Umso härter traf es ihn, als plötzlich 21 Meter freier Fall, sieben gebrochene Rippen und schwere innere Verletzungen dem allem ein Ende setzten. Peter Schoeck war bei einer Inlandexpedition im Nebel in eine Gletscherspalte gestürzt. Dass er in der 80 Meter tiefen Spalte nach 21 Metern stecken blieb, war ein physikalisches Wunder, dass er das überlebte ein medizinisches. Es brauchte Zeit, bis der geschundene Körper wieder hergestellt war und erst am Ende der Rehabilitationszeit, die er in Neuseeland verbrachte, wurde ihm bewusst, dass der interessanteste Abschnitt seines Lebens zu Ende war. Ein Jahr danach war er, nach einer Mission in China, wieder zurück als Dozent für Thermodynamik an der Universität von Minnesota und freute sich über das Angebot einer Professur in Minsk, das er im Rahmen eines wissentschaftlichen  Austauschprogamms erhielt. Während der Vorbereitungen und bereits in Europa auf dem Weg nach Minsk, klopfte der CIA an seine Tür. Er war militärischer Geheimnisträger und durfte nicht nach Russland.


So verbrachte der Deutsch- Amerikaner die nächsten vier Jahre  im dauernden Wechsel zwischen Vorlesungen und Forschungsarbeit an der Universität von Tennesse und gleichzeitig als Direktor eines Instituts der Deutschen Forschungsanstalt für Luft und Raumfahrt in Stuttgart. 1966 – des ewigen hin und hers schon ein wenig müde – erhielt Peter Schoeck von Bosch das Angebot Direktor des Unternehmensbereichs für Forschung und Entwicklung zu werden. «So wechselte ich von der Weltraumtechnik in die erdgebundene Automobiltechnik», erzählt er lebhaft gestikulierend. Seine Arbeit bei Bosch gipfelte in der Entwicklung der Lambdasonde, dem Schlüssel zur Funktion des Abgas-Katalysators. Peter Schoeck präsentierte diese 1973 in Philadelphia der internationalen Fachwelt.


Und was brachte ihn nach Liechtenstein? Allein die Lebensqualität, ist seine Antwort. Skilauf. Bergsteigen Reiten und die Möglichkeit, seine Kinder in unmittelbarer Berührung mit der Natur aufwachsen zu sehen im Umgang mit einem, so betont er, liebenswerten Menschenschlag, mit dem er sich verbunden fühlt. Dies alles wiege eine Industriekarriere auf.  Wenn er das Panorama, das sich vor seiner Terrasse auftut erklärt, alle Berge quasi beim Vornamen nennt, wird schnell klar: bereut hat Peter Schoeck dies nie.

 

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