Der Überflieger
Er ist gross, athletisch und dezent gebräunt. In seinen weissen Haarschopf scheint gerade der Wind gefahren zu sein. Auch auf den Unterarmen glitzern schlohweisse Härchen im Gegenlicht. Die wasserblauen Augen registrieren alles rundum – aufmerksam, ruhig, wohlwollend. So wie er dasitzt, sichtlich gut gelaunt, entspannt, mit wohl dosierter Lässigkeit, schaut er keinen Tag älter aus als fünfzig. Na, so viel älter sei er auch gar nicht, sagt er lachend, das Kompliment von sich weisend, das keines ist, sondern nur Verwunderung ausdrückt. Denn hat man erst einmal erfahren, was Eduard Haas alles kann und zuwege gebracht hat, ist man sicher, dass 50 Jahre dazu nicht reichen können. Wären doch für die meisten 100 Jahre noch zuwenig, um dort hin zu kommen, wo Eduard Haas schon in der Mitte seines Leben ist.
Dass Edi, wie seine Freunde ihn nennen, mit einem goldenen Puddinglöffel im Mund zur Welt gekommen ist, mag zwar manchen als Grund für seinen Erfolg gelten, taugt aber nur bedingt als Erklärung dafür. Denn zugefallen ist Eduard Haas nichts, schon gar nicht das Familienunternehmen. Geerbt hat er nämlich keineswegs: Er war gerade 30, als die Umstände ihn gezwungen hatten, Führungsverantwortung zu übernehmen. Sein Unternehmergeist, sein Geschäftssinn und seine Tüchtigkeit überzeugten den Grossvater, Backwarenfabrikant und Erfinder der legendären Pez-Bonbons, so sehr, dass dieser ihm seine Firmenanteile am Familienunternehmen überschrieb.
Was Eduard Haas zu jener Zeit bereits noch erreicht hatte, ausser erfolgreicher junger Manager eines Traditionsbetriebs zu sein, würde für weitere zwei bis drei Karrieren reichen. Noch als ganz junger Student wird der begeisterte Segler österreichischer Meister und wenig später Vizeweltmeister in dieser Disziplin und zwischen Studium und Sporttraining fand er zudem noch Zeit für eine Ausbildung zum Berufspiloten.
Der Motivation mit der Eduard Haas ein Ziel nach dem anderen ansteuert, liegen dabei nicht die Erfahrungen einer ungetrübten Schulzeit zu Grunde. Die musste er – ganz gegen seinen Willen – in einem Jesuitenkolleg in Kalksburg absitzen. Nicht die Klosterschule an sich war ihm zuwider, sondern die Tatsache, sich dort mit dem klassischen altphilologischem Bildungskanonauseinander setzen zu müssen, statt eine Matura in der ersehnten Kombination von gymnasialer und handwerklicher Ausbildung, wie sie in dem, von ihm favorisierten Werkschulheim Felbertal angeboten wurde zu erlangen. Gegen das anschliessende Betriebswirtschaftsstudium hatte Eduard Haas nie etwas einzuwenden, doch vorher wäre er halt zu gerne Tischler geworden.
Schliesslich aber reichte nicht einmal die Zeit, das Studium in Ruhe abzuschliessen. Kurz vor der Sponsion schon musste er in den Familienbetrieb einsteigen. «Die Umstrukturierungen, die ich damals als Grünschnabel durchsetzte, kamen vor allem bei älteren Angestellten nicht so gut an», erinnert er sich. Für die Unternehmensbilanz allerdings waren sie von Vorteil. Es dauerte nicht lange und die vorher ein wenig schwächelnde Firma, die seit mehr als 100 Jahren Backpulver und seit Mitte vergangenen Jahrhunderts auch andere Lebensmittel und Lebensmittelgrundstoffe, wie etwa Puddingpulver und Backmischungen herstellt, sowie die weltweit bekannten Pez-Bonbons in einer Stückzahl von 4,2 Milliarden pro Jahr, stand wieder auf solider Basis. Für Eduard Haas Zeit, sich der Gründung eigener Unternehmen – etwa der kleinen aber feinen Airline Hawei-Air – zu widmen.
Nach zehn Jahren Unternehmertätigkeit fand der tüchtige Geschäftsmann, sich eine Auszeit verdient zu haben. Allerdings nahm er nur «ein halbes Sabbatical», wie er es nennt. Und das ging so: In der Zeit von sechs Uhr morgens bis zwei am Nachmittag holte er in einer Tischlerei im steirischen Fohnsdorf die ersehnte Handwerkslehre nach – machte nach einem mehr als intensiven Jahr die Gesellenprüfung, denn die Nachmittage gehörten dem Familienbusiness. Nur endlich Tischler sein, reichte Eduard Haas schliesslich aber nicht. Er eröffnete eine Tischlerei, machte so schnell wie möglich die Meisterprüfung und designt und fertigt bis heute aufwändige Einzelstücke – «mit viel Enthusiasmus und Freude» wie er mit einem Lächeln und glänzenden Augen versichert – und das alles ohne auch nur ein einziges seiner anderen Unternehmen zu vernachlässigen. Sein besonderes Augenmerk liegt zurzeit auf der liechtensteinischen Phafag AG. Eine liechtensteinische Pharmafirma, die seit 1934 weltweit einzigartige Wirkstoffe erzeugt. Trotz sicherem Geschäft verzeichnete die Firma seit den 90er Jahren umsatzrückgange. Für Eduard Haas Zeit selbst die Hand ans Ruder zu legen, um die Firma in eine gedeihliche Zukunft zu steuern. Und die Hand des sturmerprobten Überfliegers am Steuer, gilt als Erfolgsgarantie.
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