Der «Expo-Export»
Von Shusha Maier
Wenn er heute Abend in die Saiten greift, tut er das für einen guten Zweck – zusammen mit einigen Musikerkollegen wird Roger Szedalik im Rösslipark in Feldkirch ein Benefizkonzert zugunsten der Opfer des Erdbebens geben, das kürzlich halb Haiti in Schutt und Asche gelegt hat. Spass wird ihm das Gitarrespielen trotzdem machen, denn Spass macht es ihm immer. «Eigentlich erstaunlich – jetzt spiele ich schon seit 17 Jahren Gitarre und dabei bin ich erst 23», sagt er lachend. Mit sechs hat Roger Szedalik die ersten Unterrichtsstunden bekommen und «nie hat mich jemand zum Üben zwingen müssen». Weiss er, dass er damit eine grosse Ausnahme ist? «Erst seitdem ich selbst unterrichte.» Vorher habe er sich nicht vorstellen können, dass Musizieren eine lästige Pflicht sein kann. «Für mich ist es Ausdrucksmittel aller meiner Gefühle.» Geht es ihm gut, spielt er gerne, geht es ihm nicht so gut, spielt er erst recht gerne, denn «ich vergesse dann schnell, was mich bedrückt oder ärgert».
Dass Roger Szedalik die Musik zu seinem Beruf machen will, war früh klar, da musste er auch keine Minute darüber nachdenken. «Ich habe von der Musikschule in Liechtenstein ans Konservatorium in Feldkirch gewechselt und klassische Gitarre studiert.» Das Musiklehrerdiplom hat er bereits in der Tasche. Das heisst, dass er sich als Musiker finanziell mühelos über Wasser halten kann, was keine Selbstverständlichkeit ist. «Klar stelle ich mir hin und wieder eine Karriere als freischaffender Musiker vor», gesteht Roger Szedalik. Er weiss aber auch, wie hart der Weg dorthin ist. Neben viel, viel Arbeit gehört obendrein eine Portion Glück dazu und das lässt sich nicht herbeizwingen. Glück ist aber auch, dass dem jungen Musiker das Unterrichten viel Freude macht. «Man braucht viel Einfühlungsvermögen und muss flexibel sein, nicht jeder Schüler kann nach derselben Methode unterrichtet werden. Aber gerade diese Herausforderung finde ich besonders spannend.»
Das Wichtigste für Roger Szedalik ist, bei seinen Schülern den Spass am Musizieren zu wecken und zu erhalten, auch wenn es schwierig ist, den Mittelweg zwischen anspruchsvoller Klassik und einfach zu spielendem Pop zu finden. «Ein paar Akkorde schlagen kann fast jeder», darüber gehe allerdings vergessen, dass Gitarre ein sehr schwer zu spielendes Instrument sei. Klassische Gitarristen sind ein exklusiver kleiner Zirkel, weiss Roger Szedalik. In diesen vorzustossen, ist extrem schwierig. Wenn er mit einer Karriere liebäugle, dann wohl eher im modernen, populären Bereich, in dem er sich schon lange zu Hause fühlt. Ausserhalb des Studiums und der Musikschule spielt er zurzeit am liebsten den Sound der 80er- Jahre nach. «Aber auf humoristische Art», beeilt er sich klarzustellen. Und zwar life, auf einer Bühne. Darin sieht Roger Szedalik auch die kommerzielle Zukunft der Musiker: «Mit CD-Verkäufen wird bald kein Geld mehr zu verdienen sein», prophezeit er, die Konsumgewohnheiten seiner Freunde und Kollegen nur allzu gut kennend. «Aber die Nachfrage an life gespieltem Sound wird grösser werden.» Echte Musiker, unverfälschte Töne – das wollen junge Menschen wieder erleben. Seit Jahren spielt Roger Szedalik in verschiedenen Formationen life Rock, Pop und Jazz. Erst vor Kurzem hat er mit der Band «Late Irritation» bei einem Chicagoer Plattenlabel eine CD mit jazzigem House eingespielt. «Pretty fucking whacky» wurden die Burschen aus Liechtenstein, die sich noch aus «alten» Schulbandzeiten kennen, in der amerikanischen Presse genannt. Immer häufiger ist Roger Szedalik auch im liechtensteinischen Jazz-Mekka, der Tangente, zu hören.
Und was macht jemand, der die Freizeitbeschäftigung vieler anderer zum Beruf gemacht hat, in seiner Freizeit? «Na, auch Gitarre spielen», antwortet Roger Szedalik wie aus der Pistole geschossen und lacht. Aber er würde auch ganz gerne einfach «herumhängen» mit seinen Freunden, und wenn er Bewegungsdrang hat, Rollbrett fahren, «das mache ich seit Jahren.
Und jetzt, wo ich älter werde, freut es mich, hin und wieder fein essen zu gehen.» Dass er «älter wird», merke er auch daran, dass ihm das Glas Wein zum Essen richtig schmeckt und dass er sich immer öfter Zeit nimmt, selbst zu kochen. «Fleisch mit Fleisch und ein bisschen Fleisch» komme dann meistens auf den Tisch, als Vorspeise eine Pasta mit viel Mascarpone. Eine üppige Diät, bei Roger Szedalik scheint sie aber nicht anzuschlagen; er ist gertenschlank. Die Tafelmusik darf aus dem Barock sein, «ich liebe die ganze Epoche», von Bach etwa oder auch von einem Spätromantiker wie Debussy oder Liszt. Vom Jazzer John Coltrane könnte er aber auch sämtliche Stücke dreimal hören – an einem Stück, «heavy rotation» nennt man das, erklärt Roger Szedalik.
Eines seiner Vorbilder aber, verrät Roger Szedalik, ist Kurt Rosenwinkel. Der 16 Jahre ältere US-amerikanische Gitarrist hat es bereits zum Professor für Gitarre und Ensembleleitung am Jazz-Ins-titut in Berlin gebracht. Und ist «ein Mann zum Angreifen» geblieben. Von einem Kontinent zum anderen wird aber auch Roger Szedalik bald hoppen – wenn auch nur virtuell. «Wir sind Expo-Export», erzählt er. «Wir», das sind der Schlagzeuger Jean-Jaques Tata, der Bassist Dominik Neunteufel und Gitarrist Roger Szedalik, mit denen Sebastian Frommelt ein Video für die Weltausstellung in Shanghai gedreht hat – und wer weiss, vielleicht ist gerade dieses Video der Grundstein zur Weltkarriere.
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