Der erste Nothelfer
«Haben Sie ein Helfersyndrom? Ärzten wird doch immer nachgesagt, dass sie ein Helfersyndrom haben, gilt das auch für Chirurgen?» «Aber sicher, das war eindeutig mein Beweggrund Medizin zu studieren – helfen. Als Arzt ist man da, um zu helfen.» Die Hilfe die Edgar Gopp anbietet ist handfest; er ist Liechtensteins einziger plastischer Chirurg – ein akademisch ausgebildeter Handwerker sozusagen. «Aber Feinstarbeit», relativiert er. «Wir plastischen Chirurgen sind sozusagen die Kunsttischler, Orthopäden hingegen die Zimmermänner, um in selben Metier zu bleiben.»
19 Jahre Ausbildung haben Edgar Gopp dorthin gebracht, wo er heute ist. Ein Medizinstudium, anschliessend die Facharztausbildung zum Unfallchirurgen an die er noch eine Fachausbildung zum plastischen Chirurgen hängte. Als Assistenzarzt im Krankenhaus finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet, wollte er dennoch nicht gleich eine eigene Praxis. «Für mich war es wichtig noch eine Weile als Oberarzt Verantwortung zu übernehmen, mich in Eigenverantwortung zu üben, bevor ich den Schritt in die Selbstständigkeit wagte», erzählt er. Wie wichtig es ist, wenn Vorgesetzte Entscheidungen mittragen, hat Edgar Gopp erst während seiner Arbeit im Krankenhaus erfahren. «Im Studium wird man nicht darauf vorbereitet, wie schwer es ist, wenn ein Patient in den Tod begleitet werden muss.» Der einfühlsame Umgang mit sterbenskranken Menschen ist aber nur eine von vielen Eigenschaften, die sich ein junger Arzt häufig alleine aneignen muss. «Einer Familie mitzuteilen, dass Vater oder Mutter gerade gestorben ist, ist ebenfalls sehr, sehr schwer. Als ich das das erste Mal tun musste, habe ich mitgeweint», erinnert sich Edgar Gopp. Zudem kommt der Tod auf der Unfallchirurgischen Abteilung meist so plötzlich, die Angehörigen haben keine Zeit, sich mit der Situation allmählich vertraut zu machen, Abschied zu nehmen, ist die Aufgabe des Arztes eine solche Hiobsbotschaft zu überbringen doppelt schwer. «Als ich das Spital verlassen habe, habe ich auch nicht an Kritik gespart, dass man in solchen Situationen meist allein gelassen wird.» Sicher, es stehe jedem Arzt der Hauspsychologe zur Verfügung – theoretisch. «Dessen Inanspruchnahme wird allerdings als Schwäche gedeutet», weiss Edgar Gopp und bedauert, dass sich die Medizinerschaft noch immer nicht zu regelmässigen Supervisionen durchringen hat können, wie das bei Sonderpädagogen oder Psychologen schon lange gang und gäbe ist. Kein Wunder, sagt Edgar Gopp, haben Ärzte häufig Probleme in ihrem familiären Umfeld, dem sie die berufliche Belastung nicht weitergeben wollen und können, haben exzessive Hobbys, um ihrem Berufsalltag zu entfliehen. Ganz offen redet Edgar Gopp auch über Suchtmittelmissbrauch und erhöhter Suizidgefahr an denen manche seiner Kollegen – vor allem Klinikärzte – leiden.
Auf ihn trifft das alles zum Glück nicht zu, bemerkt er mit einem kleinen Lächeln; in einer freien Praxis sei der Stress bedeutend geringer, als in einer Klinik. Sicher sei er als Spezialist für plastische- und Gesichtschirurgie des Spitals Vaduz immer wieder gezwungen rasch zu handeln, Entscheidungen zu treffen – die psychisch besonders belastende Arbeit erledigen aber mittlerweile andere.
So kann sich Edgar Gopp seiner Familie widmen – er hat eine erwachsene Tochter und zwei Söhne im Kleinkindalter, kann Radfahren, Joggen, Fussball spielen – aus Spass, ohne sich auspowern zu müssen um Angespanntheit und Stress zu vergessen. Spass macht ihm auch sein Präsidentenamt beim Fussballclub Blau-Weiss-Feldkirch, der Club in dem er früher aktiv kickte.
Beruflich hat der 45-Jährige noch einiges vor, ist trotz aller Erfolge noch nicht dort, wo er hin möchte. «Ich möchte in Liechtenstein eine Ambulanz für Handchirurgie aufbauen», legt er seine Pläne dar und darüberhinaus will er in der Schönheitschirurgie die Nummer eins im Land werden. Denn gerade das verfemte Gebiet der ästhetischen Chirurgie liegt dem Arzt besonders am Herzen. Aus Erfahrung weiss er, dass die schärfsten Kritiker häufig jene sind, die als erstes nach dem Facharzt rufen, wenn es sie selbst betrifft und zitiert den britischen Schönheitschirurgen Sir Herold Gilles: «Die Wiederherstellungschirurgie versucht den Menschen wieder normal aussehen zu lassen, die Schönheitschirurgie versucht Normales zu übertreffen.» Was es daran auszusetzen gibt, hat Edgar Gopp noch niemand schlüssig erklären können.
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