Der Balzner Bufo-Star
Von Shusha Maier
«Sagt man zu Ihnen Anton oder Tone?» «Ich heisse Josef», kommt die Antwort knapp und trocken. Schrecksekunde! Hat man einen anderen zum Interview geladen, als man vorhatte? Die Augen des Mannes mit dem dichten schwarzen Haarschopf blitzen schelmisch auf und grinsend schiebt er nach, «ich bin Josef Anton getauft worden. Weil ich aber der dritte Josef in meinem Jahrgang war, hat mich der Lehrer kurzerhand Anton oder eben Tone gerufen.» Der Name ist ihm geblieben: Ganz Liechtenstein kennt Tone Bürzle, den Präsidenten des Operettenvereins Balzers.
Die Operettenbühne war einer der Orte, an denen er quasi aufgewachsen ist. Schon als kleiner Bub durfte er seinen Vater – damals der Präsident des Vereins – zu Proben und Aufführungen begleiten. Zuerst verkaufte Tone Bürzle Programmheftchen.
«Ich bin auf den Treppen zum Saal gesessen und habe laut ‹Programm, Programm› gerufen; wie man es von den Zeitungsjungen gewohnt war.» Elf war er, als er das erste Mal auf die Bühne durfte. Im «Zigeunerbaron» hat er einen kleinen Dieb gespielt und Tone Bürzle erinnert sich lachend daran, wie deftig es damals noch auf der Bühne zugegangen ist. «Als ich zur Strafe, weil ich Geld gestohlen hatte, an den Haaren gezogen werden sollte, wäre keinem eingefallen, bloss so zu tun.» Da wurde «getschuppt», gerempelt und gerauft auf der Bühne und alle hatten Spass dabei.
«Als ich jung war, war das Veranstaltungsangebot noch sehr spärlich», da habe man sich über jede Abwechslung gefreut und die meisten waren mit Eifer dabei. Die rasante Zunahme des Kulturangebots, nicht nur in Liechtenstein sondern in der gesamten Region, beobachtet Tone Bürzle mit Sorge. «Die Auswahl ist mittlerweile so riesengross, es gibt Tage, an denen könnte man vier, fünf Veranstaltungen besuchen. Abgesehen davon, dass das gar nicht möglich ist, würde das wohl auch kaum jemand wollen.» Tone Bürzle hat daher eine Vision: Die Kulturveranstalter koordinieren sich. «Ein guter Anfang dafür wäre, zumindest untereinander die Termine abzusprechen», schlägt er vor.
Publikumsschwund, den andere Bühnen beklagen, ist in der Operette Balzers aber kein Thema. «Uns hilft zum grossen Teil die Tradition; es gibt immer noch viele Menschen, denen die Faschingszeit als Unterhaltungszeit gilt. Der Besuch von Operette und Theater gehört dazu.» Busweise würden nach wie vor Zuschauer aus dem katholischen Graubünden anreisen. Sie gehören seit Jahrzehnten zu begeisterten Fans der Balzner Operette.
Seit 2005 gehen der Männerchor und der Operettenverein – früher unter derselben Leitung – getrennte Wege. Neue Statuten machten es möglich, dass in dem nun offenen Verein jeder mitarbeiten kann, der mag. «Es ist mir wichtig, dass der Verein seinen sozialen Charakter beibehält, auch wenn wir grossen Wert darauf legen, hochstehende, qualitative Produktionen zu machen.» Dass das Programm ländlich-dörflich bleibt, ist Tone Bürzle ebenfalls wichtig: «Wir wollen das Publikum so unterhalten, dass es für zwei, drei Stunden seinen Alltag vergisst.» Wenn der Grossteil der Zuseher schmunzelnd nach Hause geht, ist das Ziel erreicht.
Mit Herzblut ist Tone Bürzle nicht nur bei der Organisation dabei – sie verschlingt ungezählte Stunden seiner Freizeit – er spielt und singt auch jedes Mal mit. Nicht wenige besuchen die Operette in Balzers sicher auch, um Tones Kapriolen zu sehen. Von Anfang an bevorzugte er die Buffo-Rollen, für die nicht nur Gesangstalent, sondern auch Schauspieltalent nötig ist. In letzter Zeit denkt Tone Bürzle aber darüber nach, ob nicht bald ein Rollenwechsel ansteht: «Vom komischen Fach zu ernsteren – älteren – Rollen», überlegt er. Den ungläubigen Blick auffangend, kommentiert er: «Ja, ich werde in diesem Jahr 60!» Nein, das sieht man ihm nicht an, genauso wenig, wie man ihm bei all seiner energiegeladenen Hüpferei auf der Bühne anmerkt, dass er die Kunststückchen mit einem künstlichen Kniegelenk vollbringt.
Denn genauso gerne wie Schauspieler und Sänger war Tone Bürzle auch Fussballer; als ihm seine Gelenke den Sport übel zu nehmen begannen, widmete er sich in seiner Freizeit mehr und mehr der Kultur. Sein Arbeitsleben dagegen verlief linear: Als Zahntechniker hat er es bis zum Abteilungsleiter im Ivoclar Vivadent AG - Produktionslabor gebracht.
Ein verantwortungsvoller Posten, der für die Qualitätssicherung der Produkte unadingbar ist. In der Prüfungskommission der Zahntechniker amtet Tone Bürzle als dienstältester Prüfungsexperte. «Zu all der Arbeit ist das Engagement im Operettenverein ein wunderbarer Ausgleich», sagt er. Es hilft ihm abzuschalten und die Batterien wieder aufzuladen und sorgt dafür, dass er keine Probleme mit nach Hause trägt. Von seiner Frau allerdings fordern seine vielen Absenzen grosses Verständnis und das weiss Tone Bürzle auch. Sie hat dafür genug Zeit, die eigenen Hobbys zu pflegen und tut das auch. Sie hört und sieht gerne Operetten, wie auch ihre beiden Kinder, die bereits voll im Leben stehen. Zur Bühne fühlen sich die drei aber nicht hingezogen. Dennoch verpassen sie keine Aufführung ihres Gatten und Vaters, «sie sind meine besten und konstruktivsten Kritiker!», freut sich Tone Bürzle.
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