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Schüler in Silum sexuell missbraucht

Immer wieder reiste ein Frater des Maristenkollegs im bayerischen Mindelheim nach Silum, um dort mit den Internatsschülern Wochenenden zu verbringen. Dass es dabei zu sexuellen Übergriffen kam, blieb bislang ein Geheimnis.

Von Bettina Frick
Triesenberg/Mindelheim. – Oberhalb des Bergrestaurants Silum steht das Haus, eingekleidet in braunem Eternit, an der Silumstrasse 59. Bereits vor Jahren wurde es von der Ordensgemeinschaft der Maristenbrüder gepachtet. Es dient dem Orden als Ferienunterkunft für die Schüler des Maristeninternats Mindelheim in Mittelschwaben – regelmässig fahren sie mit ihren Fratern über das Wochenende in das liechtensteinische Alpengebiet, um dort ihre Freizeit zu verbringen. Am Mittwoch kam es nun ans Tageslicht: Frater G., der ehemalige Leiter des Internats, nutzte die Wochenenden in dem idyllischen Ort, um die Kinder sexuell zu missbrauchen oder sexuelle Übergriffe an den Schülern auszuüben.

Zu Oralverkehr aufgefordert

Umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Memmingen haben ergeben, dass Frater G. für mehrere Missbrauchsfälle in Liechtenstein und Deutschland verantwortlich ist.  Zwei Taten sind im Internat selbst geschehen. Gemäss Oberstaatsanwältin Renate Thanner hat der Frater lediglich zwei sexuelle Missbräuche an Kindern unter 16 Jahren zugegeben – einen in Mindelsheim und einen in Silum. Die Taten gehen auf die Jahre 2001 bis 2007 zurück. Der Frater erstattete Selbstanzeige und kassierte lediglich Sozialstunden, die er abarbeiten musste. Laut Staatsanwaltschaft Memmingen hatte der Internatsleiter bei seiner Verurteilung 2007 empört jeglichen Verdacht von sich gewiesen, er könne sich auch an Minderjährigen vergangen haben. Inzwischen ist die Ermittlungsbehörde aber sicher: Es hat tatsächlich Missbrauchsfälle an Minderjährigen gegeben. So habe Frater G. ihm unterstellte Jugendliche wiederholt unsittlich berührt und sie zu Oralverkehr aufgefordert.

Die Taten sind verjährt

Wie Oberstaatsanwältin Renate Thanner im Gespräch mit dem «Vaterland» sagte, können die Missbrauchsfälle strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden: Die Taten sind verjährt. Mit Beginn der Volljährigkeit eines Opfers kann ein Täter bis zu fünf Jahre danach verurteilt werden. Dann kommt er straffrei davon. «Die Opfer haben sich leider zu spät zu einer Aussage besonnen», bedauert Renate Thanner. Mittlerweile wurden alle Fälle eingestellt. Noch zwei, drei Opfer wolle sie befragen – «aber ich vermute, dass ich auch diese Fälle wegen Verjährung nicht vor Gericht ziehen kann», so die Oberstaatsanwältin.

Keine Unterstützung der Mitbrüder

Dass Frater G. nun ungeschoren davonkommt, bedauert auch sein Mitbruder Frater Alois Engel: «Ich hätte ihn gerne im Fegfeuer gesehen», sagt er am Telefon. Er finde es nicht gut, dass Frater G. straffrei davonkommt und wolle seinen Mitbruder diesbezüglich auch nicht schützen. Für den Orden seien die Missbrauchsfälle sehr erschütternd. «Unser Gründer Marcellin Champagnat (1789–1840) hätte solch ein Verhalten nie geduldet und den Mitbruder ausgeschlossen», ist Frater Alois Engel überzeugt. Der Maristerorden hatte im September 2007 insofern reagiert, dass er den Frater von seinem Posten abzog.
Er wurde in ein Maristenkloster nach Recklinghausen versetzt, wo er keinen Kontakt mehr zu Kindern und Jugendlichen hatte. Weder Eltern noch die Maristenschule noch die Öffentlichkeit wurden jemals über die wahren Gründe der Abberufung informiert. Die Medien in Deutschland versäumten es dennoch nicht, den Fall publik zu machen. «Wir haben in der Tat grosse Probleme», gibt Frater Alois Engel gleich zu Beginn des Gesprächs zu. «Wir haben aber alles getan, um Licht ins Dunkle zu bringen», sagt er. Unter anderem habe der Orden die Opfer dazu aufgerufen und ermutigt, auszusagen. «Haben sich Opfer an uns gewendet, haben wir unsere Informationen sofort der Polizei weitergegeben», sagt der Frater. «Wir wollen alles aufklären.»

Vaduz: Missbrauch in den 50ern

Von den sexuellen Missbrauchsfällen in Liechtenstein hat Frater Alois Engel nichts gewusst, wie er angibt. Entsetzt von dieser Nachricht scheint er aber nicht zu sein. Der Frater räumt sogar ein, dass es noch mehrere Frater gegeben haben könnte, die sich an Kindern sexuell vergangen haben. «Im März habe ich von einem Mann eine E-Mail erhalten, in welcher er behauptet, in den 50er-Jahren von einem Mitbruder in Vaduz missbraucht worden zu sein.» In Vaduz, wo der Maristen-Orden 1937 das Collegium Marianum – das heutige Gymnasium – südlich von der Markplatzgarage mit einem Internat, der Villa Blanca, an der Äulestrasse gegründet hat. Es liegt auch nicht fern, dass durch das Wochenendhaus in Silum noch heute Verbindungen zu Liechtenstein bestehen.
Was es mit der Behauptung des Unbekannten wirklich auf sich hat, weiss Frater Alois Engel nicht. Er habe ihm  zurückgeschrieben und dem Mann ein Gespräch angeboten – bislang habe er noch keine Antwort darauf erhalten.

 
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