Gymnasiummord: Zehn Jahre Haft
Vaduz. – Neun Monate sind seit dem Unglück vergangen – gestern holte sie der besagte Tag aber wieder ein. Angeblich nicht nur gestern: «Es vergeht kein Tag, an welchem ich nicht den Wunsch habe, an jenem Montag meine Freundin nicht von der Arbeit abgeholt zu haben», sagte der Deutsche noch vor seiner Befragung. «Es ist mir ein grosses Anliegen, die von mir verfassten Zeilen gleich zu Prozessbeginn vorzutragen.» Es sei nie seine Absicht gewesen, den Ehemann seiner Freundin zu töten – «ich bereue mein Verhalten zutiefst.»
Dennoch bekannte sich der Beschuldigte als nicht schuldig. «Ich habe aus Notwehr gehandelt», gab er vor dem Kriminalgericht an. Er erinnerte sich: «Ich habe eine Stunde lang auf dem Parkplatz vor dem Gymnasium auf meine Freundin gewartet.» Diese war dort als Reinigungskraft tätig. Als sie nicht auftauchte, habe er sie erst in der Wohnung gesucht und dann mehrmals angerufen. Schliesslich sei er zum Gymnasium zurückgekehrt und habe sie in dem Putzraum der Schule aufgesucht. «Ich hörte ihre verzweifelte Stimme aus dem Putzraum: Nein, ich will nicht!». Die Türe war verschlossen. Er habe mehrmals gegen die Türe geklopft und sie angerufen – solange, bis sie endlich die Türe öffnete. Hinter ihr stand ihr Ehemann mit geöffnetem Reissverschluss.
«Der Vorwurf schmerzt»
«Ich habe in diesem Moment Rot gesehen», soll der Beschuldigte später einem Polizisten erzählt haben. Er habe sich aber nichts anmerken lassen wollen. Nach verbalen Attacken habe ihn der Liechtensteiner in den Schwitzkasten genommen. «Als ich mich lösen konnte, ging er erneut auf mich los», gab der Angeklagte an. Er sei «extrem wild» gewesen. «Es kam mir vor wie in einem Film, der immer wieder zurückgespult wird: Der 36-jährige Mann fiel zu Boden und stand wieder auf. Er fiel erneut zu Boden und stand wieder auf – und so weiter.» Erst nach einem kräftigen Faustschlag sei er schliesslich liegen geblieben. «Puls und Atmung waren noch spürbar, worauf ich ihn in die Seitenlage gebracht und den Raum verlassen habe.» Laut einem rechtsmedizinischen Gutachten sei es aber unmöglich, dass das Opfer nach solch einem Schlag wieder aufgestanden sei. Auch hatte er noch 1,9 Promille Alkohol im Blut. Die Tritte des deutschen Mannes haben gesessen – er machte während seines Miliärdienstes eine Kampfausbildung.
Die Ehefrau des Opfers will von dem Kampf nichts mitbekommen haben, wie sie gestern angab. «Noch während sich die beiden Männer verbal attackierten, nahm ich den Autoschlüssel, stempelte aus und wartete draussen.» Sie habe Angst gehabt, die Arbeitsstelle zu verlieren. «Ich bin auf den Lohn angewiesen.» Wie wichtig ihr die Kinder sind, brachte sie noch vor der Befragung zum Ausdruck: «Es ist meine grösste Angst, nicht mehr zu meinen Kindern zu dürfen», sagte sie. Der Vorwurf, sie habe den Tod ihres Ehemannes gewollt, sei ungerechtfertigt und schmerze sie sehr. «Ich bedaure, dass ich es nicht geschafft habe, eine endgültige Regelung zwischen mir und meinem Mann zu finden.» Sein Tod sei für sie und ihre Kinder ein katastrophaler Verlust. «Leider habe ich den Ernst der Lage viel zu spät erkannt.»
«Beide waren zurechnungsfähig»
Wie ein forensischer Psychiater gestern sagte, seien beide Beschuldigte zum Tatzeitpunkt in ihrer Zurechnungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen.
Das Gericht entschied sich nach seiner Beratung, den Beschuldigten wegen Mordes zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Die Witwe kam wegen unterlassener Hilfeleistung mit einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten davon. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (bfs)