«Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen»
Vaduz. – Im September wird das Liechtensteiner Stimmvolk über die Initiative «Hilfe statt Strafe» abstimmen, welche einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach einer obligatorischen Beratung legalisieren will.
Die Beratungsstelle «schwanger.li» berät seit fünf Jahren Frauen und Paare in Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt. Circa 50 Frauen aus Liechtenstein haben in dieser Zeit in einem Schwangerschaftskonflikt bei «schwanger.li» Hilfe gesucht. In einem seit heute auf der Homepage der Beratungsstelle veröffentlichten Interview nimmt Christoph Jochum, Geschäftsführer von «schwanger.li», zur Initiative «Hilfe statt Strafe» Stellung.
Beratungspflicht nicht umsetzbar
«Auch wir halten die bestehende gesetzliche Regelung nicht für die beste aller denkbaren Lösungen», sagt Jochum. Die Initiative habe sicherlich eine notwendige Debatte in Gang gebracht. Es brauche zu diesem Thema einen offenen Dialog. Aussagen wie jene des Generalvikars vom «Arzt als Auftragsmörder» seien in einer solchen Debatte nicht hilfreich. Dennoch weist die Initiative seiner Meinung nach einige Probleme auf.
Beratungspflicht funktioniert nicht
So steht er beispielsweise der Beratungspflicht skeptisch gegenüber. «Die Beratungspflicht kann in Liechtenstein, im Unterschied zu Deutschland, nicht funktionieren», sagt Jochum. «Die Liechtensteinerinnen werden auch zukünftig, schon aus Anonymitätsgründen, zum Abbruch in die Schweiz und nach Österreich fahren.» Selbst wenn in Liechtenstein die Möglichkeit zum Abbruch bestünde, würden Liechtensteinerinnen dorthin fahren, wo die Hürde für den Abbruch niedriger ist, weil keine Beratungspflicht besteht.
Eugenische Indikation unnötig
Jochum kritisiert auch die sogenannte «eugenische Indikation», die es erlaubt, einen Abbruch auch nach der Frist von zwölf Wochen straffrei durchzuführen, wenn eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein wird. Diese wurde in Deutschland 1995 abgeschafft, und auch in Österreich wären laut Jochum breite Kreise bereit, die eugenische Indikation wieder abzuschaffen, weil sie behinderte Menschen diskriminiere. Er ist überzeugt: «Das Thema wird nur deswegen nicht angetastet, weil die Angst besteht, dass damit auch die Fristenregelung selbst wieder in Frage gestellt wird.»
Die eugenische Indikation ist laut Jochum nicht notwendig, da Spätabbrüche auch mit der medizinischen Indikation der Frau rechtlich abgedeckt werden könnten. Diese besagt, dass Spätabbrüche möglich sind, wenn eine Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheit der Frau vorliegt. «Wenn der Gesetzgeber also Spätabbrüche rechtlich ermöglichen möchte, braucht er dafür die eugenische Indikation nicht. Er muss nicht das Signal setzen, dass er behindertes Leben für weniger schützenswert hält als nicht behindertes Leben.» Die eugenische Indikation werde zukünftige ohnehin an Bedeutung verlieren, da sich die Pränataldiagnostik sehr schnell entwickle und immer mehr Fehlbildungen immer früher festgestellt werden könnten. (ah)
Mehr in der heutigen Print- und Online-Ausgabe des «Liechtensteiner Vaterland».
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