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Tschütscher: «Das ist der falsche Weg»

«Die Verwendung von gestohlenen Daten löst das Problem der Steuerhinterziehung nicht, sondern unterhöhlt den Rechtsstaat», findet Regierungschef Klaus Tschütscher klare Worte zum Kauf gestohlener Bankdaten durch Deutschland.

INTERVIEW: GÜNTHER FRITZ

Herr Regierungschef, was halten Sie grundsätzlich vom Ankauf gestohlener Bankdaten durch staatliche Behörden in der Absicht, damit Steuersünder zu ahnden?

Regierungschef Klaus Tschütscher: Was die grundsätzliche Bewertung der Verwendung gestohlener Daten angeht, hat sich seit 2008 an unserem rechtlichen und politischen Standpunkt nichts geändert. Die Verwendung von gestohlenen Daten löst das Problem der Steuerhinterziehung nicht, sondern unterhöhlt den Rechtsstaat. Und das ist garantiert der falsche Weg. Damit verringert sich der politische Handlungsspielraum und die bilateralen Beziehungen werden beeinträchtigt.

Inwieweit sehen Sie gewisse Parallelen zum Fall «Zumwinkel» vor zwei Jahren und der damit ausgebrochenen deutsch-liechtensteinischen Steueraffäre?

Die Parallelen sind offensichtlich. Auch die Ausgangslage ist ähnlich.

Als Sie vor zwei Jahren noch Regierungschef-Stellvertreter waren, kritisierten Sie die deutschen Behörden, «drakonische und rechtsstaat-feindliche Methoden» anzuwenden. Gilt Ihre diesbezügliche Einschätzung auch für den aktuellen Fall und welche Auswirkungen könnte das auf die schweizerisch-deutschen Beziehungen und die internationale Steuerdebatte haben?

Wir haben unsere Position damals unmissverständlich Kund getan. An diesem rechtsstaatlichen Standpunkt und meiner diesbezüglichen grundsätzlichen Haltung hat sich bis heute nichts geändert. Ich habe immer schon dafür plädiert, Lösungen am Verhandlungstisch zu finden, gerade auch in der internationalen Steuerdebatte. Deshalb habe ich mich in den letzten Monaten auch mit grossem Nachdruck für eine konsequente und rasche Umsetzung unserer Abkommenspolitik eingesetzt.

Hätten Sie von der neuen deutschen Koalitionsregierung allenfalls einen anderen Umgang mit gestohlenen Bankdaten erwartet?

Solange das Thema der unversteuerten Vermögen nicht umfassend zwischenstaatlich geregelt ist, müssen wir uns auf diese Realität einstellen. Deshalb zielt unsere Abkommenspolitik auch auf Lösungen, die eine Besteuerung bisher unversteuerter Vermögen in einem rechtstaatlich abgesicherten Rahmen möglich macht. Der aktuelle Fall hat wie der Fall Kieber gezeigt, dass der Datenschutz weltweit und unabhängig von der Qualität des Finanzintermediäres prekär ist, solange es bei den unversteuerten Vermögen keine bilaterale Regelung für die Vergangenheit gibt. Wie wir mit dem im August abgeschlossenen Abkommen mit Grossbritannien gezeigt haben, ist dieser Ansatz unter Rücksichtnahmen auf die Privatsphäre der Kunden sowie der Steueransprüche der Partnerstaaten erfolgversprechend. Da eine umfassende Regelung, so wie wir sie in unserer Erklärung vom 12. März 2009 vorsehen, im Interesse aller Beteiligten ist, bin ich zuversichtlich, dass sich unser Ansatz letztlich durchsetzen wird.

Liechtenstein steht in der Frage der internationalen Steuerkooperation inzwischen auf der weissen OECD-Liste. Wie würde Liechtenstein heute auf so einen Datenklau reagieren?

Amtshilfe bei Datendiebstahl ist und wäre eine missbräuchliche Auslegung der Kooperation, welche die Abkommen vorsehen, die wir abgeschlossen haben. Wir haben dem potentiellen Missbrauch in diesen Fällen deshalb über eine «Ordre-Public»-Klausel in unserem Amtshilfegesetz einen Riegel vorgeschoben. Wir haben mit der bestehenden Formulierung meiner Meinung nach eine vernünftige Lösung gefunden. Von einer eigenen Datendiebstahl-Klausel, wie sie jetzt gelegentlich gefordert wird, halte ich wenig, da sie in der Praxis zu keiner anderen Beurteilung führen würde.

Hat die aktuelle Diskussion auch Folgen für die Verhandlungen Liechtensteins mit Deutschland über das Doppelbesteuerungsabkommen?

Wir haben in den bisherigen Verhandlungen unsere Position im Bezug auf die Möglichkeit der Verwertung gestohlener Daten unmissverständlich klar gemacht. Das mit Deutschland vorgesehene Doppelbesteuerungsabkommen wird jedoch hauptsächlich die technischen und materiellen Standardfragen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen unseren beiden Ländern lösen. Es hat nur sehr indirekt Relevanz für das Thema der Steuerhinterziehung.

Bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung bewegen wir uns mit dem Abschluss des Steuerinformationsabkommens mit Deutschland bereits seit letztem Jahr im Rahmen der internationalen OECD-Standards. Darüber hinaus ist in Berlin unser politisches Angebot vom März 2009 zur umfassenden rechtstaatlich abgesicherten Lösung dieser Frage bestens bekannt.

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