«Ja zu Mobilfunk» von Robert Eberle
Interview: Desirée Vogt/ zum Dossier Mobilfunk
Herr Eberle, warum will sich Orange – wie auch die anderen Mobilfunkbetreiber – nicht aktiv an der Suche nach einer gesundheitsverträglichen Lösung beteiligen und z. B. sein Netz für Testversuche zur Verfügung stellen?
Robert Eberle: Wir haben heute in Liechtenstein eine sehr gute Regelung der Grenzwerte, welche dem vorbildlichen Vorsorge-Prinzip der Schweiz entspricht. Es liegt auf der Hand, dass wir auch in Liechtenstein die heute gängigen Technologien verwenden, um unsere Mobilfunknetze zu betreiben. Es gelten europaweit, ja sogar weltweit dieselben Technologie-Standards. Es wäre blauäugig, zu hoffen, dass speziell für Liechtenstein eine neue Mobilfunklösung von der Industrie entwickelt wird. Dafür sind wir als Staat einfach zu klein. An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass wir uns keineswegs vor alternativen Lösungsvarianten verschliessen. Diese müssen einfach der Qualität und Kapazität der heutigen Mobilfunknetze entsprechen und den zukünftigen Anforderungen genügen. Darüber hinaus sollten sie auch aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig betrieben werden können. Betreffend der Anfrage des Amtes für Umweltschutz, ob und in welcher Form sich Orange an einem entsprechenden Testversuch beteiligen könnte, haben wir nicht grundsätzlich Nein gesagt, sondern unsere Bedenken und offenen Punkte aufgeführt, welche es vorab zu klären gilt, bevor wir weitere Schritte in Erwägung ziehen.
Zur Senkung des Grenzwertes wurden verschiedene Modelle eruiert. So ist beispielsweise von einem Kleinzellenkonzept und Ultra-High-Site-Standorten oder etwa von getrennten Sende- und Empfangsantennen die Rede. Welches Modell erachten Sie als realistisch für Liechtenstein? Keines – lassen Sie mich dies erläutern: Das Kleinzellenkonzept wird heute in Kernzonen von Städten, wie z. B. Fussgängerzonen als Ergänzung zum landesweiten Mobilfunknetz verwendet. Es eignet sich nicht als flächendeckendes Netz, da die Mobilität und Kapazität eines solchen Netzes nicht gewährleistet ist, wenn es als allein stehendes Netz betrieben wird. Die Folgen wären u. a. andauernde Gesprächsunterbrüche und überlastete Mobilfunkzellen. Das Ultra-High-Site-Konzept, mit wenigen, dafür aber enorm hohen Masten (ca. 100 m), welches in grossen flachen Ländern wie Deutschland oder Holland versuchsweise Anwendung findet, kann in einem kleinen Staat wie Liechtenstein nicht umgesetzt werden. Auch hat sich diese Technologie nicht ansatzweise durchgesetzt. Eine Konzept bzw. eine Technologie mit örtlich getrennten Sende- und Empfangsantennen, existiert nach unserem Kenntnisstand in der Praxis derzeit nicht. Der Verein für gesundheitsverträglichen Mobilfunk (VGM) sieht im UHS-Prinzip mit getrennten Sende- und Empfangsanlagen den richtigen Weg zum optimalen Schutz der Bevölkerung. Wie stehen Sie zur dieser Variante? Alle genannten Alternativmodelle – auch das Ultra-High-Site-Konzept mit örtlich getrennten Sende- und Empfangsantennen vom VGM sind praxisuntauglich und reines Wunschdenken. Hier wird den Leuten Sand in die Augen gestreut. Dass mehr Mobilfunkmasten notwendig seien, um den neuen, tieferen Grenzwert zu erreichen, sei aus technischer Sicht glatter Unsinn, ärgert sich der VGM. Die Mobilfunkbetreiber wollten der Bevölkerung mit solchen Aussagen bloss Angst machen. Sind nun mehr Antennen nötig, um den Grenzwert zu senken oder nicht? Und trifft dies auch zu, wenn Mobilfunk mit neuen Modellen, also mit Kleinzellen oder mit UHS, betrieben würde? Wir stützen uns auf die seriöse Wissenschaft und verlassen uns auf die Technik. Wir wollen keine Ängste verbreiten. Eines ist klar: Je feinmaschiger ein Netz gebaut wird, desto mehr Antennenstandorte sind notwendig. Somit sind bei einem Kleinzellen-Konzept mehr Antennen notwendig als bei einem UHS-Konzept (Ultra-High-Site), welches sehr grobmaschig gebaut wird. Doch nochmals: Die vorgeschlagenen Modelle sind nicht für den praktischen Betrieb eines Mobilfunknetzes bei 0,6 V/m geeignet. An dieser Stelle möchte ich auch noch kurz auf die Bedeutung des Grenzwertes eingehen, denn dieser Begriff wird oft falsch interpretiert bzw. gar nicht verstanden. Grenzwerte definieren die maximale elektromagnetische Feldstärke, die beim Betrieb von ortsfesten Sendeanlagen erzeugt werden dürfen. Darunter fallen u. a. Mobilfunkanlagen, Hochspannungsleitungen, Transformatoren, Radiosender, etc. Dabei wird zwischen dem Immissionsgrenzwert und dem Anlagegrenzwert unterschieden. Der Immissionsgrenzwert (IGW) muss überall dort eingehalten werden, wo sich Menschen nur kurzfristig aufhalten können, sogenannte Orte für kurzfristigen Aufenthalt, OKA. Sie liegen für Mobilfunkanlagen frequenzabhängig bei 40 bis 60 V/m und entsprechen den von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfohlenen Grenzwerten. Darüber hinaus hat die Schweiz das Vorsorgeprinzip eingeführt und einen wesentlich strengeren Anlagegrenzwert (AGW) eingeführt, welcher um den Faktor 10 tiefer liegt als der Immissionsgrenzwert. Er gilt für alle Orte mit empfindlicher Nutzung (OMEN), so zum Beispiel für Räume in Gebäuden, in denen sich Personen regelmässig während längerer Zeit aufhalten oder für öffentliche Kinderspielplätze sowie Pausenplätze von Schulen, usw. Für Mobilfunkanlagen liegt der Anlagegrenzwert frequenzabhängig bei 4 bis 6 V/m. Dieses einzigartige und vorbildliche Vorsorgeprinzip wurde auch von Liechtenstein übernommen und ist heute ein wesentlicher Faktor für den Schutz der Bevölkerung. Die aktuelle Diskussion um den Grenzwert bei Mobilfunkanlagen bezieht sich auf den Anlagegrenzwert (AGW), welcher wie oben beschrieben, für Orte mit empfindlicher Nutzung (OMEN) gültig ist. Konsequenterweise wird an jedem anderen Punkt, welcher weiter von der Antenne entfernt liegt, der vorgegebene Grenzwert automatisch eingehalten, da die elektromagnetische Feldstärke mit zunehmender Distanz zur Antenne entsprechend abnimmt. Die heute gültigen Bewilligungsverfahren für Mobilfunkanlagen – und darüber hinaus die Betriebsauflagen sowie die regelmässigen Kontrollmessungen – garantieren die Einhaltung der Grenzwerte. Somit ist jederzeit sichergestellt, dass, egal wo auch immer Mobilfunkantennen aufgestellt bzw. betrieben werden, ein ausreichender Schutz der Bevölkerung gewährleistet ist.
Auch das Problem der Überstrahlung wird mehrfach angesprochen. Wie könnte dieses Problem gelöst werden? Müsste Liechtenstein nicht einfach nur auf die Einhaltung der internationalen Vereinbarungen beharren? Oder gibt es hier auch technische Herausforderungen?
Liechtenstein wie auch unsere Nachbarstaaten halten sich an die internationalen Vereinbarungen. Dies wurde von der Regierung aufgrund einer kleinen Anfrage des Landtages abgeklärt und beantwortet. Das von Ihnen angesprochene Problem der Überstrahlung können wir nicht lösen, denn die elektromagnetischen Mobilfunkwellen können nicht einfach entlang des Rheins gestoppt werden, ausser wir wollen dort einen eisernen Vorhang aufziehen – das würde nicht wirklich in die idyllische Rheinlandschaft passen …Gerne erlaube ich mir an dieser Stelle auch, auf Fragen hinzweisen, die sich im Rahmen der Landtagsdebatte vom Oktober diesen Jahres gestellt haben. So hiess es, dass die hiesigen Mobilfunkbetreiber in Liechtenstein noch keinen Rappen erwirtschaftet haben. Entspricht dies den Tatsachen? Betreiben Sie Mobilfunk aus purer Freude?
Natürlich! (lacht) … wir haben Freude an der Technik und dass die Leute unsere mobilen Dienstleistungen nutzen können. Warum soll man da noch Geld verdienen wollen? Nein, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass sich die Mobilfunkbetreiber seit Jahren hier in Liechtenstein engagieren, ohne einen Rappen verdient zu haben? Uns liegt Liechtenstein mit seinen Mobilfunkkunden sehr am Herzen, und genau aus diesem Grund haben wir in den letzten Jahren Millionenbeträge in die Netzinfrastruktur investiert. Unser Mobilfunknetz entspricht den neusten Technologiestandards und braucht den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.
Um mit den Worten des VU-Abgeordneten Harry Quaderer zu fragen: Warum und wie lange machen die Mobilfunkbetreiber das noch mit? Wie in jedem anderen Unternehmen, müssen auch wir unsere Investitionen rechtfertigen können. Wer investiert schon in einen Markt, in welchem die Rechtssicherheit nicht gegeben ist und somit die Zukunft auf wackeligen Beinen steht. Wir sind froh darüber, dass die bevorstehende Abstimmung Klarheit schaffen wird. Die Mobilfunkanbieter sind nach wie vor an Liechtenstein interessiert
Was passiert, wenn sich die Liechtensteiner für den zehnmal tieferen Grenzwert von 0,6 V/m entscheiden? Zieht sich Orange dann sofort vom Liechtensteiner Markt zurück oder wird abgewartet, bis die Regierung eine neue Lösung gefunden hat? Auch diese Fragen haben wir in unserem Fortschrittsbericht bereits beantwortet. Ich wiederhole gerne: Wenn sich Liechtenstein für einen tieferen Grenzwert von 0,6 V/m entscheiden wird und die heutige Rechtsgrundlage bis 2013 unverändert bleibt, dann ist die Einstellung des Betriebs des Orange-Netzes ein realistisches Szenario.
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