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Geschacher ums Bankgeheimnis

Österreich und Luxemburg verteidigen ihr Bankgeheimnis mit Zähnen und Klauen. Weil sie um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Finanzplätze fürchten, haben sie gestern das Betrugsbekämpfungsabkommen mit Liechtenstein blockiert.

Luxemburg. – Das Veto war am Ende keine Überraschung mehr. Schon am Wochenende hatte Österreichs Finanzminister Josef Pröll scharfe Kritik an dem seit Langem unterschriftsreifen Abkommen der Europäischen Union (EU) mit Liechtenstein geübt und das Fürstentum mit Blick auf seine Stiftungen gar mit Kanalinseln und anderen Steuerparadiesen in einen Topf geworfen, in denen nicht einmal die Frage gestellt wird, wem das Geld eigentlich gehört, das dort in Trusts oder anderen Konstruktionen angelegt wird. Ein Abkommen über den Informationsaustausch bringe wenig, so Pröll, wenn die Regierung nicht einmal Zugriff auf die auszutauschenden Daten habe.

Stiftungen im Visier


Das Abkommen hätte es erstmals der gesamten EU erlaubt, von Liechtenstein in konkreten Verdachtsfällen von grenzüberschreitender Steuerhinterziehung Informationen über Konten von Anlegern zu erhalten. Nachdem Pröll das Abkommen gestern im Rat der EU-Finanzminister blockiert hatte, nahm er erneut die liechtensteinischen Stiftungen ins Visier: Der Entwurf für das Abkommen sehe keine klaren Vorschriften für diese vor, sagt er. Damit hätte Liechtenstein einen Standortvorteil. «Ja zu mehr Transparenz, ja zur Betrugsbekämpfung, aber dann restlos und für alle Produkte», erklärte Pröll.


Liechtensteins Regierungssprecher Max Hohenberg warf Pröll daraufhin im Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA vor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Das infrage stehende Abkommen mit der EU sehe einen Informationsaustausch nach den international anerkannten Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor, in dem selbstverständlich auch Stiftungen erfasst seien, sagte er. Die liechtensteinischen Behörden hätten überdies sehr präzise Informationen zu Stiftungen und Bankkunden.


EU-Diplomaten zeigten sich über Prölls Äusserungen verwundert. Die Stiftungen seien in dem Abkommen zwar nicht explizit erwähnt, aber nach Auffassung von 25 der 27 EU-Regierungen durch allgemeine Formulierungen abgedeckt, hiess es.

Scheingefechte in der EU


Letztlich geht es Pröll und seinem luxemburgischen Amtskollegen Luc Frieden, der gestern ebenfalls sein Veto gegen das Abkommen mit Liechtenstein und die Aufnahme von Verhandlungen über ähnliche Abkommen mit der Schweiz, San Marino, Andorra und Monaco einlegte, nach Einschätzung von Beaobachtern um etwas ganz anderes. Sowohl Pröll als auch Frieden treibt die Angst um ihre Finanzplätze um. Sie wollen ihr Bankgeheimnis verteidigen, und das geht paradoxerweise nur, wenn sie jegliche Abkommen über einen Informationsaustausch mit Drittstaaten wie Liechtenstein verhindern.


Dreh- und Angelpunkt ist dabei die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie. Während die Mehrzahl der EU-Länder Informationen über Anleger, ihre Konten und ihre Zinsen für grenzüberschreitend angelegtes Geld automatisch austauscht, haben sich Luxemburg, Österreich und Belgien eine Sonderregelung ausbedungen. So lange Liechtenstein, die Schweiz, San Marino, Andorra und Monaco ihr Bankgeheimnis in grenzüberschreitenden Steuerhinterziehungsverdachtsfällen nicht lockern, dürfen sie Steuern auf Zinserträge anonym in die Wohnsitzländer ihrer Anleger abführen – womit ihr Bankgeheimnis gewahrt bleibt (siehe Box).

Wenn das Unglaubliche passiert


Als Österreich, Luxemburg und Belgien dieser Richtlinie 2003 zustimmten, fühlten sie sich sicher: Niemand glaubte, dass Liechtenstein oder die Schweiz je vom Bankgeheimnis abrücken würden. Nun haben sie es bereits in verschiedenen bilateralen Abkommen gelockert – nicht zuletzt auf Druck der Europäischen Union. Während Belgien ohnehin schon angekündigt hat, zum automatischen Informationsaustausch überzugehen, sind Österreich und Luxemburg als die letzten Verteidiger des Bankgeheimnisses in der Gemeinschaft verblieben – und versuchen nun mit allen Mitteln zu retten, was zu retten ist. Ihre Horrorvision: Während Liechtentein, die Schweiz und die anderen gern als Steueroasen gebrandmarkten Länder künftig nur Informationen auf Anfrage liefern, müssen sie selbst Daten automatisch austauschen. Dieses Diskretionsgefälle, so die Angst in Wien und Luxemburg, werde am Ende zu Geldabflüssen führen.
Entsprechend ging gestern auch die Argumentation von Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden am eigentlichen Thema vorbei: Er äusserte die Befürchtung, Luxemburg werde als Konsequenz aus dem Abkommen mit Liechtenstein seine eigene Steuerpolitik ändern müssen.


EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs stellte unterdessen klar, dass er gar nicht daran denke, das Abkommen mit Liechtenstein fallenzulassen oder neu zu verhandeln. Er werde es den Finanzministern demnächst erneut vorlegen, sagte er: «Es sollte nicht neu verhandelt werden, denn niemand hat den Text kritisiert.» Das Abkommen mit Liechtenstein habe einen zusätzlichen Wert, denn bisher hätten nur fünf der 27 EU-Staaten bilaterale Abkommen über den Informationsaustausch mit Vaduz, sagte er. (wf)

 

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