Für die bewährte Schweizer Lösung
Interview: Desirée Vogt
Herr Regierungsrat Martin Meyer, ist das Risiko einer Grenzwertsenkung und sich daraus möglicherweise ergebenden Schwierigkeiten aus wirtschaftlicher Sicht zu gross?
Martin Meyer: Unser Land lebt im Mobilfunkbereich seit Jahrzehnten problemlos mit der Schweizer Lösung, welche sich einerseits am Vorsorgeprinzip orientiert und andererseits dem Gesundheitsschutz angemessen Rechnung trägt. Aus Sicht des Wirtschaftsstandortes ist eine Abkehr vom schweizerischen System nicht zu verantworten, zumal wir bereits zum Ende der 90er-Jahre eine Telefonie-Krise erlebt haben, welche ich unserem Land nicht ein zweites Mal zumuten möchte. Persönlich bin ich der Überzeugung, dass die Schweiz einen sehr guten Grenzwert hat, und wir gut daran täten, wenn wir uns auch künftig an diesem orientieren würden. Diese Sichtweise hat die Regierung auch bei der Schaffung des Umweltschutzgesetzes vertreten. Auch der Schweizerische Bundesrat sieht hier keinen Handlungsbedarf.
Befürworter und Gegner der Senkung widersprechen sich darüber, was bei einem Grenzwert von 0,6 V/m mobilfunktechnisch noch möglich ist. Also kann nur ein Test Klarheit bringen. Dieser kann aber nur unter Mithilfe der Mobilfunkbetreiber durchgeführt werden, die sich dagegen aussprechen, weil sie sich unter anderem an Verträge zu halten haben. Wie soll dieses Dilemma gelöst werden?
Meines Erachtens kann dieses Dilemma nicht gelöst werden, da uns einerseits ein isolierter, theoretischer Feldversuch mit Hochrechnungen nichts bringt und andererseits die Betreiber derzeit nicht in der Lage sind, sich an einem Testversuch zu beteiligen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, zu wissen, dass die Betreiber ihrerseits einen Testversuch nicht grundsätzlich ablehnen, sie haben jedoch zu Recht auf viele offene Fragen aufmerksam gemacht, welche aus heutiger Sicht nicht geklärt sind. Hierzu gehört auch das Risiko möglicher Klagen und allfälliger haftungsrechtlicher Ansprüche von Kunden.
Unter welcher Prämisse könnte die Wirtschaft einem neuen, umzusetzenden Modell zur Senkung der Grenzwerte zustimmen?
Der Wirtschaftsstandort braucht attraktive Rahmenbedingungen und keine Standortnachteile. Wenn ein neues Modell in der Lage ist, die täglichen Bedürfnisse von Wirtschaft, Privatpersonen und Touristen abzudecken, dann hat auch die Wirtschaft kein Problem damit. Ich bezweifle jedoch, dass ein alternatives Modell derzeit in der Lage ist, den täglichen Bedarf von geschätzten 55 000 bis 60 000 Handyverbindungen inklusive Datenverkehr bedürfnisgerecht abzudecken.
Selbst, wenn Liechtenstein eine technische Lösung findet, besteht nach wie vor die Problematik der Überstrahlung aus der Schweiz und Österreich. Warum beharrt Liechtenstein nicht – wie vom Verein für gesundheitsverträglichen Mobilfunk VGM gefordert – auf der Einhaltung der internationalen Vereinbarungen betreffend die maximal erlaubte grenzüberschreitende Strahlenbelastung? Wie kann das Problem der Überstrahlung gelöst werden?
Bei der grenzüberschreitenden Strahlung gibt es logischerweise Überschneidungen, da die Strahlenbelastung nicht trennscharf bei der Landesgrenze eingestellt werden kann. Liechtenstein hat sich in der Vergangenheit zur Nutzung von international koordinierten Funkfrequenzen entschieden und grosse Anstrengungen unternommen, um im internationalen Umfeld koordinierte Frequenzen zu erhalten. Die immer wieder gehörte Behauptung, warum Liechtenstein nicht auf internationalen Vereinbarungen beharrt, ist irreführend, da die internationalen Vereinbarungen lediglich die Stör-/Nutzsignale von Frequenzen regeln. Die zuständigen liechtensteinischen Amtsstellen treffen sich regelmässig mit ihren Amtskollegen aus den Nachbarstaaten, um die Einhaltung dieser Abkommen zu überprüfen. Es wurden in der Vergangenheit keine internationalen Vereinbarungen verletzt.
Was geschieht, wenn sich die Mobilfunkanbieter nach einem für sie negativen Abstimmungsergebnis sofort aus dem Land zurückziehen und nicht abwarten, bis die Regierung eine geeignete Lösung gefunden hat?
Meine Position ist diesbezüglich klar. Persönlich spreche mich für die bewährte Schweizer Lösung und damit für die Initiative aus. Eine Ablehnung würde zu einem enormen Nachteil für unseren Wirtschaftsstandort führen, weil unter Umständen gewisse Dienste nicht mehr angeboten werden können. Die Verantwortung für solch eine Situation müssen dann die Mobilfunkgegner tragen. Den sogenannten Alternativkonzepten sehe ich mit grosser Skepsis entgegen, da sie bisher überhaupt nicht (flächendeckend) erprobt sind.
Welche Rolle könnte künftig die Telecom Liechtenstein spielen, sollten sich alle Mobilfunkbetreiber zurückziehen. Sie betreibt ja heute selbst kein Mobilfunknetz ...
Die Telecom Liechtenstein AG ist heute staatlicher Grundversorger im Bereich der Festnetz-Telefonie und verfügt über kein eigenes Fest- bzw. Mobilfunknetz. Netzbetreiber sind die LKW. Da es sich bei einem Neuaufbau um Investitionen im Millionenbereich handeln würde, wäre natürlich der Ruf nach dem Staat als Bereitsteller der Netzinfrastruktur absehbar. Dies kann jedoch – nicht zuletzt aufgrund der heutigen Finanzlage – keine staatliche Aufgabe sein. Mit einer Verstaatlichung des Mobilfunknetzes und einer Re-Monopolisierung in diesem Bereich sind zudem massive EWR-rechtliche Probleme verbunden.
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