Ein Kieber-Opfer will es wissen
VON WOLFGANG FREY
Berlin/Vaduz. – Die deutsche Boulevardzeitung «Bild» brachte es gestern gewohnt pointiert so auf den Punkt: «Die Mutter aller Fragen: Darf die deutsche Regierung Geschäfte mit Ganoven machen?»
Als Peer Steinbrück – Sozialdemokrat, Norddeutscher und bekannt für seinen rüden Ton – noch Bundesfinanzminister war, lautete die Antwort eindeutig «ja». Knapp 5 Millionen Euro zahlte der Bundesnachrichtendienst (BND) dem Liechtensteiner Datendieb Heinrich Kieber für DVDs mit Daten aus dem Hause der LGT Treuhand. Dann liess man den deutschen Top-Manager Klaus Zumwinkel vor laufenden Fernsehkameras verhaften – was planmässig zahlreiche Steuerhinterzieher dazu brachte, sich vorsorglich selbst anzuzeigen.
LGT-Treuhand-Kunde will Antwort
Nun plant Steinbrücks Nachfolger, Wolfgang Schäuble – Christdemokrat, Süddeutscher und als etwas versöhnlicher bekannt – den nächsten Coup dieser Art: den Kauf von Schweizer Daten eines Datendiebs. Doch Deutschlands höchstes Gericht könnte ihm am Ende einen Strich durch die Rechnung machen: Ein deutscher LGT-Treuhand-Kunde, dem der Kauf der Kieber-DVD eine Razzia der Steuerfahndung einbrachte, zieht seinen Fall jetzt vors Bundesverfassungsgericht und erhofft sich dabei auch eine grundsätzliche Antwort auf die «Mutter aller Fragen» nach regierungsamtlicher Hehlerei und der Verwertbarkeit der auf diesem Weg erlangten Beweismittel in einem Strafverfahren.
«Ein Grundsatzentscheid wäre unsere Hoffnung, genau deswegen haben wir diese Beschwerde eingereicht», sagte der Anwalt dieses LGT-Treuhand-Kunden, Franz Bielefeld von der Münchner Kanzlei RP Richter & Partner, gestern dem «Liechtensteiner Vaterland». Er rechnet damit, dass die Beschwerde auch in die laufende Diskussion um den Ankauf der Schweizer Daten einfliesst: «Ich denke schon, dass das entsprechende Auswirkungen haben könnte.» Die Bundesregierung bewege sich mit ihren Plänen zum neuerlichen Ankauf gestohlener Bankdaten «zumindest auf juristisch unerforschtem Gebiet». Grundsätzlich sollte die Frage der gerichtlichen Verwertbarkeit gestohlener Bankdaten «juristisch und nicht politisch entschieden werden».
Im Bielfelds Fall geht es um die Beschwerde gegen den Entscheid eines Bochumer Gerichts, das die Durchsuchung bei seinem Mandanten angeordnet hatte. Der stützte sich ausschliesslich auf die – «angeblich» (Bielefeld) – vom BND gekauften Daten. Sonst hatten die Fahnder nichts in der Hand. Bielefelds Mandant kooperierte nicht. Da Geheimdienst und Justiz «wesentliche Akten unter Verschluss» hielten, sei «nicht nachprüfbar», ob die BND-Geschichte vom Datenkauf «so überhaupt wahr ist oder ob eine Legende gestreut wurde, um einen ganz anderen Sachverhalt zu verdecken», sagt der Steuerstrafverteidiger.
Seit Zumwinkels Verhaftung ist dies die erste
Verfassungsbeschwerde, die in diesem Zusammenhang bekannt wird. Aus Angst vor öffentlicher Schmach und Gefängnisstrafe kooperierten die meisten Steuersünder auf der Kieber-Liste lieber mit den Staatsanwälten, gestanden die Steuerflucht, handelten Deals aus und zahlten. Bislang kamen dabei knapp 200 Millionen Euro zusammen. Weil sich keiner von ihnen auf die Hinterbeine stellte, wurde die Frage nach der gerichtlichen Verwertbarkeit der gekauften Kieber-Daten bislang nicht geklärt.
Selbstanzeigen womöglich verfrüht
All diesen Steuerhinterziehern würde ein Bundesverfassungsgerichtsurteil gegen die Verwertbarkeit der Daten nichts mehr nützen. Sie haben ihre Steuerhinterziehung im Rahmen dieser Deals schliesslich selbst zugegeben. Nur, wer bislang standhaft alles geleugnet hat, wäre mit einem entsprechenden Urteil – wann es fällt, ist offen – aus dem Schneider. So wie womöglich Bielefelds Mandant. Der hat weniger als 100 000 Euro hinterzogen, muss daher kein Gefängnis fürchten und will laut Bielefeld nun ein für alle Mal geklärt wissen, ob staatliche Hehlerei erlaubt ist oder nicht.
Der Steuerstrafverteidiger Bielefeld hat dazu eine dezidierte Meinung: «Wenn man keinen Rückfall in den mittelalterlichen Geheimprozess will, dann dürfen solche Beweismittel aus trübester Quelle für die Strafjustiz nicht verwertbar sein.»
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Datenklau