Die Blockade bröckelt
VON WOLFGANG FREY
Brüssel. – «Wir haben heute wirklich einen wichtigen Schritt gemacht», sagte die spanische Finanzministerin Elena Salgado gestern nach der Sitzung der Finanzminister der Europäischen Union (EU) in Brüssel. Österreich, das neben Luxemburg als einziges EU-Land noch über ein funktionierendes Bankgeheimnis verfügt, hatte zuvor ebenso wie das Grossherzogtum seine Blockadehaltung in Steuerfragen aufgegeben.
Bislang bestanden beide Länder darauf, sämtliche anstehenden Steuerdossiers von Zinsbesteuerung bis Betrugsabkommen als Paket zu verhandeln, offenbar in der Hoffnung, eine Einigung so möglichst weit hinauszuzögern und das Bankgeheimnis noch für einige Zeit zu retten. «Wir haben heute wahrscheinlich viele überrascht», sagte Österreichs Finanzminister Josef Pröll nach der Sitzung. Österreich und auch Luxemburg hätten sich konstruktiv zeigen wollen. «Der Zeitpunkt war gekommen, unser Prinzip der Paketlösung zu durchbrechen.»
«Wir wollen vorankommen»
Erstes Ergebnis war gestern die in allen Steuersachen notwendige einstimmige Verabschiedung der Beitreibungsrichtlinie, die Staaten die Vollstreckung von Steuerforderungen im EU-Ausland erleichtert.
Weitere – noch offene – Bestandteile des aufgeschnürten Pakets sind die revidierte Richtlinie zur Zinsbesteuerung, die Richtlinie zur Amtshilfe und das Betrugsbekämpfungsabkommen mit Liechtenstein, das als Vorbild für ähnliche Abkommen mit der Schweiz, Andorra, San Marino und Monaco dienen soll.
Finanzministerin Salgado sagte, bei den nächsten Tagungen des Finanzministerrats «wollen wir vorankommen, auch bei den anderen beiden Richtlinien und den Abkommen mit Drittstaaten.» Der spanischen EU-Präsidentschaft bleiben dafür noch rund fünf Monate. Der scheidende EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs würdigte das Programm der Spanier als «sehr ehrgeizig». Ähnlich äusserte sich die Koordinatorin der Liechtensteiner Regierung für internationale Steuerverhandlungen gestern in einem Telefongespräch mit dem «Liechtensteiner Vaterland»: «Der spanische Vorsitz scheint sehr motiviert zu sein, die Steuerfragen zu erledigen.» Mit Blick auf das Betrugsabkommen sprach Gey von einem «Fortschritt». Vaduz sei bereit, das Vertragswerk wie ausverhandelt abzuschliessen.
«Stunde der Entscheidung»
In einem Interview mit Radio Liechtenstein gab sich Regierungschef Klaus Tschütscher gestern «fest überzeugt», dass sich die Verhandlungen über das Abkommen «nun dem Ende zuneigen» und die «Stunde der Entscheidung» jetzt kommen werde.
Sowohl Pröll als auch sein Luxemburger Amtskollege Luc Frieden wollten sich gestern mit Blick auf ihre künftige Haltung jedoch nicht zu sehr in die Karten schauen lassen. Pröll sagte, ihm wäre für die anderen Steuerthemen eine Paketlösung lieber. Wenn aber jedes Thema einzeln gelöst werden könne, gehe auch das in Ordnung. Frieden sagte, er hoffe auf weitere konstruktive Gespräche in den «nächsten Wochen und Monaten». Ein Kompromiss sei immer das Resultat davon, dass sich zwei Seiten bewegten. Dafür brauche es Zeit, er glaube aber an eine Einigung.
«Frage der Übergangszeiten»
EU-Steuerkommissar Kovacs sagte, wichtig werde jetzt im Zusammenhang mit der Zinsbesteuerungsrichtlinie die Diskussion über den Umstieg von Österreich und Luxemburg von der anonymen Überweisung von Zinserträgen zum automatischen Informationsaustausch sein.
Sobald die EU mit Liechtenstein, San Marino, Monaco, Andorra, der Schweiz und den USA Abkommen zum Informationsaustausch auf Anfrage in Verdachtsfällen von Steuerhinterziehung schliesst, müssen Österreich und Luxemburg im EU-Binnenverhältnis zum automatischen Informationsaustausch wechseln. Um dies zu verhindern, blockierten sie bislang das Betrugsabkommen mit Liechtenstein, das ihnen als erster Schritt in diese Richtung gilt.
Kovacs sagte gestern, nun werde es um «die Frage der Übergangszeiten» für die beiden Länder gehen.
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