«Das Religionsgesetz kurz halten»
Interview: Günther Fritz
Durchlaucht, das Thema Entflechtung von Staat und Kirche steht einmal mehr im Fokus der öffentlichen Diskussion. Für wie dringlich halten Sie entsprechende politische Lösungen?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Das Thema Entflechtung von Staat und Kirche wird schon seit Jahren diskutiert. Dass in diesem Bereich Reformen nötig sind, wird von praktisch niemandem bestritten. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es zu gewissen Fragestellungen sehr unterschiedliche Ansichten gibt und vor allem die Entflechtung in vermögensrechtlichen Fragen zwischen den Gemeinden und der katholischen Kirche ein komplizierter Prozess sein wird, der einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte.
Papst Benedikt XVI. und das Erzbistum Vaduz wünschen sich eine Konkordatslösung. Wie stehen Sie grundsätzlich zu diesem Vorschlag und welche Gegenstände sollten gegebenenfalls in einem solchen Vertrag geregelt werden?
Grundsätzlich kann ich mir gut vorstellen, dass verschiedenste Gegenstände mit der katholischen Kirche im Rahmen einer Konkordatslösung geregelt werden. Wir sollten aber auch einige wenige, alle Religionsgemeinschaften betreffende Dinge gesetzlich regeln.
Regierungschef Klaus Tschütscher möchte die Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften auf jeden Fall in einem eigenen Religionsgesetz regeln, was jedoch den Abschluss eines Konkordats mit der katholischen Kirche nicht ausschliesse. Für wie wichtig halten Sie ein solches Religionsgesetz und welchen konkreten Anforderungen müsste dessen Inhalt gerecht werden?
Ein eigenes Religionsgesetz wird sinnvoll sein, weil sich so einiges gleich für alle Religionsgemeinschaften gleichzeitig regeln lässt, wie z. B. der Religionsunterricht an Schulen oder die Seelsorge im Gefängnis und im Spital sowie die damit verbundenen Datenschutzbestimmungen.
Ich würde dieses Gesetz aber möglichst kurz halten. Erstens bin ich sowieso der Meinung, dass Gesetze – wenn möglich – kurz, einfach und für den Bürger leicht verständlich verfasst werden sollten. Zweitens wird es umso schwerer werden, ein Religionsgesetz in absehbarer Zeit zu schaffen, je mehr man darin regeln möchte. Die verschiedenen Vorstellungen – vor allem auch der einzelnen Religionsgemeinschaften – lassen sich nur schwer unter einen «Gesetzeshut» bringen.
In der Frage der Kirchenfinanzierung hat der Regierungschef in einem kürzlich im «Vaterland» veröffentlichten Interview angeregt, «statt einer Finanzierung über eine Steuer die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge anzudenken». Was halten Sie von einem solchen Modell und inwieweit würde sich dieses mit dem von Fürst Hans-Adam II. favorisierten amerikanischen Modell der Spendenfinanzierung allenfalls decken?
Wenn es den Religionsgemeinschaften selbst überlassen wird, wie sie eine Finanzierung über Mitgliedsbeiträge gestalten wollen, halte ich es für ein gutes Modell. Nicht empfehlen würde ich das Modell eines Pflichtbeitrages, der durch einen Kirchenaustritt vermieden werden kann. Ein solches Zwangssystem führt zu einer negativen Einstellung bei den Mitgliedern gegenüber ihren Religionsgemeinschaften. Besser fände ich ein Modell, in dem jeder freiwillig Beiträge gemäss seinen Möglichkeiten und Überzeugungen leistet.
Generalvikar Markus Walser hat erst kürzlich wieder darauf hingewiesen, dass sich das italienische Modell bisher erstaunlich gut bewährt habe. Eine solche Mandatssteuer nach italienischem Vorbild wurde auch im Vernehmlassungsentwurf vorgeschlagen. Inwieweit könnte das eine konsensfähige Lösung für Liechtenstein darstellen?
Das italienische Modell könnte ich mir grundsätzlich auch als Lösung vorstellen, auch wenn ich persönlich eine Finanzierung aufgrund freiwilliger Beiträge für besser erachte, weil es einfacher, unbürokratischer ist und mehr auf die Eigenverantwortung des Einzelnen setzt. Ob das italienische Modell konsensfähig ist, kann ich nicht beurteilen. Ich konnte aber bereits in der Ausarbeitungsphase dieses Modells feststellen, dass Diskussionen losgingen, wer sich alles für das italienische Modell wird qualifizieren können. Kann sich beispielsweise der Verein für eine offene Kirche qualifizieren? Welcher der muslimischen Religionsgemeinschaften können Mandatssteuern gewidmet werden? Wie steht es mit den Zeugen Jehovas? Letztere haben unlängst gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihre staatliche Anerkennung erfolgreich durchgesetzt.
Sobald man einen Sack Geld auf den Tisch stellt, beginnt der Streit um die Verteilung des Geldes. Da sind selbst die Vertreter der Religionsgemeinschaften meist auch nicht anders. Auch ein noch so gutes Mandatssteuergesetz wird immer zu mehr Bürokratie führen als eine Finanzierung über freiwillige Beiträge.
Wir könnten der Verwaltung und den Gerichten einiges an Zeitaufwand und damit auch an Kosten ersparen, wenn wir im Zuge der sowieso nötigen Sparmassnahmen auf eine staatlich organisierte Finanzierung der Religionsgemeinschaften verzichten und stattdessen auf eine Finanzierung durch private Beiträge setzen.
Nach Ansicht des Regierungschefs ist bei einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche auch die Entflechtung der vermögensrechtlichen Beziehungen unumgänglich, doch stelle das aus seiner Sicht kurzfristig kein absolutes Muss dar. Wie beurteilen Sie eine allfällige Abkoppelung des schwierigen Themas Gütertrennung von den anderen Entflechtungsbereichen, bei denen wahrscheinlich rascher ein Konsens zu finden ist?
Ich halte eine Entflechtung der vermögensrechtlichen Beziehungen für sehr wichtig und bald nötig, weil sie immer wieder zu unnötigen Reibereien zwischen den Gemeinden und der katholischen Kirche führen. Wie aber erwähnt, ist dies ein komplizierter Prozess, der einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Es ist auch ein Problem, das praktisch nur die katholische Kirche betrifft und bei dem die rechtliche Situation in den Gemeinden sehr unterschiedlich ist. Daher empfehle ich, die Entflechtung von Kirche und Staat rasch anzugehen, nur das Nötigste in einem Religionsgesetz festzuhalten, die Finanzierung auf private Beiträge umzustellen und mit der katholischen Kirche hinsichtlich aller anderen Fragen eine Konkordatslösung anzustreben.
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