Berliner CD-Sammlung wächst
VON WOLFGANG FREY
Berlin. – Nach tagelangem Hin- und Her hat die Bundesregierung gestern offenbar ein Machtwort gesprochen: Deutschland wird die CD mit ausländischen Bankdaten mutmasslicher deutscher Steuerhinterzieher kaufen, die das Bundesland Baden-Württemberg zunächst nicht erwerben wollte. Das gab die Bundesregierung gestern Vormittag im Finanzausschuss des Bundestags bekannt.
Die Affäre um die vor gut zwei Jahren für einen Millionenbetrag erworbene CD mit Kundendaten der liechtensteinischen LGT Treuhand und der jüngste Beschluss der Regierung, eine dem Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) angebotene CD mit gestohlenen Bankdaten, die von der Schweizer Grossbank Credit Suisse stammen sollen, zu kaufen, hat offenbar eine Welle von ähnlichen Angeboten ausgelöst. Die Bundesregierung erklärte gestern im Ausschuss, den Behörden würden eine «Vielzahl von Daten» zum Kauf angeboten. Unter den Datenhehlern seien jedoch auch «viele Trittbrettfahrer».
Ministerpräsident angezeigt
Im Fall der für 2,5 Millionen angekauften NRW-CD, deren Auswertung inzwischen begonnen hat, gehe es allerdings um «viele steuerlich relevante Fälle», erklärte die Bundesregierung gestern nach Angaben des Parlamentdienstes des Deutschen Bundestags. Auf der Baden-Württemberg angebotenen CD könnten sich «mehrere hundert bis tausend» relevante Fälle befinden.
Noch am vergangenen Wochenende hatte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gegen den Erwerb der CD ausgesprochen und sich damit gegen die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (ebenfalls CDU) gestellt.
Mappus Verhalten stiess gestern Nachmittag in einer aktuellen Stunde des Bundestages auf harsche Kritik der Opposition. SPD-Fraktionsvize Joachim Poss sprach von einem «beständigen Hin- und Her» zwischen Baden-Württemberg und dem Bund. Dies sei ein «krasses Staatsversagen». Die Weigerung der christlich-liberalen Landesregierung in Stuttgart sei ein «zusätzlicher Beleg für die Klientelpolitik» der Regierung.
Der baden-württembergische SPD-Abgeordnete Christian Lange, der Ministerpräsident Mappus und seinen Justizminister Ulrich Goll (FDP) mit Blick auf ihre Weigerung, die Steuerhinterzieher-CD zu kaufen, wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt hat, sprach von einem «einzigen Durcheinander». Lange forderte einen bundesweit einheitlichen Umgang mit angebotenen Steuerdaten. Langes Fraktionskollegin Nicolette Kressl sagte, die FDP spanne in dem Bundesland «ihren grossen Schutzschirm über Steuerhinterzieher» auf. Peter Friedrich (SPD) sagte, die Entscheidung des Bundes, die CD nun doch zu kaufen, sei eine «schallende Ohrfeige» für Mappus, der aus dem Land offenbar ein «Eldorado für die, die den Fiskus fliehen», machen wolle.
«Wir kaufen alles um jeden Preis»
Abgeordnete der Regierungskoalition aus Union und FDP verteidigten dagegen das Vorgehen. Leo Dautzenberg (CDU) sagte, es gebe eine Vereinbarung der Steuerabteilungsleiter der Länder mit dem Bund, wie mit Datenangeboten umgegangen werde. Wie andere seiner Parteikollegen unterstrich er, dass jeder Einzelfall geprüft werden müsse. Der FDP-Abgeordnete Volker Wissing formulierte es an die Adresse der SPD so: «Nehmen wir an, eine Terrororganisation wie Al Quaida bietet uns eine CD an, dürfen wir die SPD dann mit dem Satz zitieren ‹Wir kaufen alles um jeden Preis›?».
In einem Rechtsstaat könne der «Zweck nicht die Mittel» heiligen, unstrich Wissing. Die Frage des Ankaufs von angebotenen Daten könne nicht «holzschnittartig» entschieden werden, wie das die SPD fordere. Eine allfällige Entscheidung gegen einen Ankauf sei «die Praxis eines Rechtsstaats, der sich auch traut, ‹nein› zu sagen». Der SPD warf er «blanken Populismus» vor.
Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach sagte, wenn die Schweiz keine Schwarzgelder ins Land lasse und mit Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abschliesse, in dem das Bankgeheimnis gelockert werde, «wäre jeder CD-Kauf obsolet».
Appell an die Schweiz
Ähnlich äusserte sich der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU). Er appellierte an die Schweiz, rasch ein Abkommen mit Deutschland zu schliessen, dann sei auch der Kauf solcher Daten nicht nötig. So lange es aber keinen Informationsaustausch gebe, «muss die Finanzverwaltung alle Mittel ausschöpfen.»
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