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«2010 wird für die Wirtschaft ein sehr schwieriges Jahr werden» (Erbprinz Teil 1)

Im traditionellen «Vaterland»-Interview zum Jahreswechsel wünscht sich Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein von den Politikern, dass sie bei der Realisierung der grossen Reformprogramme konstruktiv zusammenarbeiten.

Mit Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein sprach Günther Fritz

Durchlaucht, ein von der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der nationalen Finanzplatzkrise gezeichnetes Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Politik musste rasch handeln. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit der von Regierungschef Klaus Tschütscher geführten Koalitionsregierung erlebt?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Die Zusammenarbeit mit der Koalitionsregierung hat in dieser schwierigen Zeit sehr gut funktioniert.
Inwieweit sind Sie mit der Arbeit der Regierung, die nun seit neun Monaten im Amt ist, zufrieden?
Angesichts der grossen Herausforderungen sowie der beschränkten Kapazitäten in der Landesverwaltung und der kurzen Zeit, welche die Regierungsmitglieder für die Einarbeitung in die verschiedenen Ressorts hatten, kann man mit der Regierungsarbeit insgesamt sehr zufrieden sein.
Die Regierung hat anstelle eines Regierungsprogramms die «Agenda 2020» erarbeitet, welche die strategischen Handlungsfelder in den inhaltlichen Grundzügen bis 2020 vorgibt und prägt. Was halten Sie davon?
Ich begrüsse diese Agenda 2020. Sie erlaubt es der Regierung, die naturgemäss eher auf Vier-Jahres-Horizonte ausgerichtet ist, die für die langfristige Entwicklung des Landes wichtigen Bereiche im Auge zu behalten. Natürlich darf man dann nicht in Versuchung kommen, dringend notwendige Reformen über die Legislaturperiode hinauszuschieben.
Wie funktioniert nach Ihrer Einschätzung das Zusammenspiel zwischen der VU als Mehrheitspartei und der FBP als Minderheitspartner, einerseits in der Regierung und andererseits im Landtag?
Nach meiner Beobachtung funktioniert in der Regierung die Zusammenarbeit zwischen den Koalitionspartnern ganz gut. In Anbetracht der absoluten Mehrheit der VU ist es im Landtag natürlich so, dass die Bürgerpartei auch eine gewisse Oppositionsarbeit betreibt, um sich von der VU zu differenzieren.
Ein Arbeitsschwerpunkt des Regierungschefs stellt sicherlich die Betreuung der Finanzplatzagenden dar. Was waren für Sie bisher die prägenden Elemente im schwierigen Transformationsprozess, dem der Finanzplatz Liechtenstein unter dem Druck der internationalen Staatengemeinschaft nach wie vor ausgesetzt ist?
Zu den prägenden Momenten gehört sicher der Abschluss von wichtigen Steuerabkommen und damit verbunden der Wechsel von der grauen auf die weisse Liste.
Ist mit dem Wechsel auf die weisse Liste im Hinblick auf die Reputation Liechtensteins nun alles in Butter? Ist das Land nun nachhaltig aus der Schusslinie?
Die Reputation des Landes hat durch den Wechsel auf die weisse Liste sicherlich gewonnen. Die Reputation konnte zusätzlich noch verbessert werden, indem wir solche Steuerabkommen mit Staaten wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien abgeschlossen haben. Ich denke, gerade das sehr fortschrittliche Abkommen mit Grossbritannien hat einen besonderen Reputationsgewinn zur Folge. Um uns jedoch nachhaltig aus der Schusslinie zu bringen, sollten wir diese Abkommen nun aber auch entsprechend konsequent umsetzen und in Zukunft ähnliche Abkommen, wie wir sie mit Grossbritannien geschlossen haben, auch mit anderen Staaten abschliessen. Denn erst solche Abkommen können das ganze internationale Problem der Steuerhinterziehung nachhaltig lösen.
Wie beurteilen Sie die Chancen, im Rahmen der Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen mit weiteren Ländern ähnliche Lösungen für gewachsene Kundenbeziehungen wie mit Grossbritannien finden zu können?
Wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit Grossbritannien ein sehr massgeschneidertes Abkommen abgeschlossen haben. Es kann durchaus möglich sein, dass wir mit einigen Staaten ähnliche Abkommen wie mit Grossbritannien abschliessen können. Vielleicht gibt es aber noch ganz andere Konstrukte, die wir mit weiteren Staaten zur nachhaltigen Lösung des Problems der Steuerhinterziehung erarbeiten können. Grundsätzlich bin ich zuversichtlich, dass die Chancen für den Abschluss solcher Steuerabkommen nicht schlecht stehen. Denn viele Staaten haben gerade in der jetzigen Zeit ein grosses Interesse daran, ihre Steuerbasis durch den Einbezug bisheriger Nicht-Steuerzahler mit Vermögen im Ausland zu vergrössern. Aber auch Liechtenstein sowie immer mehr Kunden haben ein Interesse an solchen Lösungen.
Österreich und Luxemburg blockieren bisher das Betrugsbekämpfungsabkommen zwischen Liechtenstein und der EU. Denn mit einer Zustimmung laufen sie aufgrund des EU-Zinsbesteuerungsabkommens Gefahr, auf den automatischen Informationsaustausch umstellen zu müssen. Wie sehen Sie diesen Interessenskonflikt aus liechtensteinischer Sicht?
Liechtenstein hat seinen Beitrag für das Zustandekommen dieses Betrugsabkommens geleistet. Zurzeit können wir nur abwarten, ob die EU-Staaten zu diesem Betrugsabkommen eine Entscheidung finden können oder nicht.
Wird der automatische Informationsaustausch von den treibenden Kräften wie Deutschland oder Frankreich eines Tages doch noch durchgesetzt werden können?
Meiner Ansicht nach könnte es mitunter gelingen, den automatischen Informationsaustausch in Europa durchzusetzen. Ich glaube aber nicht, dass das eines Tages weltweit der Fall sein wird. Die europäischen Staaten müssen sich deshalb die Frage stellen, ob sie durch den automatischen Informationsaustausch nicht Gefahr laufen, Kundenvermögen aus Europa in andere Regionen zu vertreiben. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich besser, sich sinnvollere Alternativen zu überlegen.
Welche Chancen geben Sie der Schweiz, mit dem vorgeschlagenen Modell einer Abgeltungssteuer das Bankgeheimnis langfristig retten zu können?
Die Abgeltungssteuer alleine wird vielen Staaten zu wenig sein. Eine Abgeltungssteuer in Kombination mit weiteren Massnahmen kann aber gegenüber einigen Staaten zu einer Lösung des Problems der Steuerhinterziehung führen.
Schweizer Privatbankiers haben Angst, dass aufgrund des Steuerabkommens zwischen Liechtenstein und Grossbritannien Geld nach Liechtenstein abfliessen wird, weil hier britischen Kunden bis Ende März 2015 privilegierte Bedingungen für die Deklaration ihres Schwarzgeldes angeboten werden. Inwieweit teilen Sie diese Befürchtung?
Ich teile diese Befürchtung nicht. Im Gegenteil, das Abkommen mit Grossbritannien ist für die Schweizer Banken sehr interessant. Britische Kunden von Schweizer Banken können von diesem Abkommen Gebrauch machen, indem sie in Liechtenstein eine Stiftung oder einen Trust etablieren, ohne dass sie ihr Vermögen von den Schweizer Banken abziehen müssen. Nachdem die Schweizer Banken sehr enge Beziehungen zu den liechtensteinischen Finanzintermediären pflegen, sind sie wahrscheinlich nach den liechtensteinischen Finanzintermediären diejenigen, die im Grunde genommen am meisten von so einem Abkommen profitieren können.
Wie wirken sich der Steuerstreit-Vergleich zwischen der UBS und den USA und die daraus resultierende Aushändigung von Kundendaten an die amerikanischen Steuerbehörden zum Beispiel auf die Reiselust liechtensteinischer Finanzintermediäre aus? Ist der Beruf des Treuhänders im Hinblick auf die Beihilfeproblematik nun endgültig zum Risikoberuf geworden?
Je nachdem, wie ein Treuhänder in der Vergangenheit agiert hat, wird sich das Risiko grösser oder kleiner gestalten und dementsprechend umgekehrt auch die Reisefreudigkeit. Probleme sehe ich vor allem dort, wo liechtensteinische Finanzintermediäre unversteuerte US-Gelder, die früher woanders gelegen haben, neu annehmen. Denn dies ordnen die USA als stark straferhöhend ein. Solche Finanzintermediäre gefährden dabei nicht nur sich selbst, sondern auch den Wirtschaftsplatz Liechtenstein.
Sie haben unlängst zur Abkehr vom Schwarzgeld aufgerufen. Das alte Geschäftsmodell der Steueroptimierung ist tot. Welches neue Geschäftsmodell, das für die Zukunft Erfolg verspricht, soll nun aber leben?
Liechtenstein war bisher nicht nur aufgrund des Bankgeheimnisses in Steuerfragen attraktiv. Wir sind ein Standort, der im internationalen Vergleich extrem stabil ist, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. In Liechtenstein musste während der weltweiten Krisenzeit kein einziges Finanzinstitut vom Staat aufgefangen werden. Liechtenstein kann sehr gute Rahmenbedingungen bieten. So gibt es in unserem Land zum Beispiel nur wenig Bürokratie, eine sehr gut ausgebildete Bevölkerung und zuverlässige Dienstleistungen auf hohem Niveau. Stiftungen, Trusts und eine schon bald noch attraktivere Steuergesetzgebung sind zusätzliche Attraktivitäten.
Ausländische Kunden haben heute im Hinblick auf die Stabilität in ihrem Heimatstaat vielfach Angst um ihr Vermögen. Daher müsste es eigentlich im Interesse solcher Kunden stehen, zumindest einen Teil des Vermögens an andere Standorte und damit vor allem auch nach Liechtenstein zu verlagern. Von solchen Ängsten hat der Finanzplatz Liechtenstein gerade in seinen Ursprüngen profitiert, wie die Erfahrungen aus den Zwischenkriegsjahren zeigen. Liechtenstein und seine Finanz­intermediäre sollten sich nicht mehr mit dem Bankgeheimnis in Steuerfragen, sondern mit Sicherheit, Stabilität und der Kompetenz in der Vermögensverwaltung positionieren.
Die Veränderungen auf dem Finanzplatz und die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Exportwirtschaft führen zu einem dramatischen Rückgang der Staatsfinanzen. Die künftigen Landesrechnungen dürften nach Berechnungen der Regierung ein strukturelles Defizit von jährlich 160 Mio. Franken ausweisen. Mit welchen Rezepten kann eine Staatsverschuldung vermieden werden?
Ganz allgemein gesehen braucht es zwei Dinge. Einerseits müssen wir umfangreich sparen und andererseits müssen wir die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft noch attraktiver gestalten, damit wir möglichst bald auch wieder mehr Einnahmen, nicht zuletzt für den Staat, generieren können.
 

 

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