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«Barbie spielen war nie meins»

Sie rockt die Bühne, bringt ihre Fans zum Lachen und Weinen. Ihre Lieder werden in allen deutschsprachigen Radiosendern rauf und runter gespielt. Als ehemalige Teilnehmerin einer Casting-Show hat Christina Stürmer den Sprung auf die grosse Bühne geschafft. Und dabei blieb die Ober-Österreicherin ganz sie selbst. Star-Allüren ? Fehlanzeige. Mit ihr möchte man einfach nur gerne die Nacht um die Ohren schlagen und quatschen. Denn zu sagen hat sie viel.

Christina, was verbindest du mit dem Land Liechtenstein?
Mein Konzert am Life-Festival vergangenen Juli war meine einzige Begegnung mit dem Land. Nachdem wir die Nacht im Tourbus verbracht haben, stieg ich in Liechtenstein und es fühlte sich an, als ob ich in Südtirol gelandet wäre. Die Sonne blitzte durch, alles war grün, überschaubar, überall die Berge und dann die super Aussicht. Ich hatte richtig Urlaubsfeeling. Wir haben auch eine kleine Tour durch das Land gemacht und was ich gesehen habe, hat mir sehr gut gefallen.

Und wie war der Kontakt mit den Liechtensteinern?
Der erste Kontakt mit den Liechtensteinern fand in einer Bäckerei statt – auf der Suche nach Frühstück. Mein Eindruck war sehr positiv. Alle waren irre lieb und ich mag den Dialekt. Er hört sich so freundlich und nett an und klingt nicht so hart wie das eigentliche Hochdeutsche. Ich frag mich, wie es sich wohl anhören mag, wenn ein Liechtensteiner wirklich böse wird (lacht).

Vor deinem Durchbruch bei der Österreicher Casting-Show Starmania im Jahr 2003 hast du schon in einer Band gesungen – damals noch englisch. Heute singst du nur noch deutsch. Wie kommt das?
Meine Musikkarriere begann mit 13 Jahren in einer Kinder-BigBand, in der nur englisch gesungen wurde. Erst spielte ich Querflöte, dann Saxophon und langsam habe ich mich zum Mikrofon vorgearbeitet. In dieser Jazz-Band war ich bis zum Alter von 17 oder 18 Jahren. Anschliessend sang ich rund drei Jahre in einer Coverband. Der Grossteil der Songs bestand aus englischen Nummern von Toto, Alannah Myles und anderen Musikern. Privat hörte ich zu jener Zeit «Sportfreunde Stiller» und ich wollte schon damals deutsch singen. Aber meine Bandkollegen waren der Meinung, dass deutsche Songs uncool seien. Das sei Schlager, den niemand hören wolle, und passe nicht zu unserer Band. Als dann das Ganze «Christina Stürmer» hiess, sagte ich mir, jetzt mache ich, was ich will, und jetzt singe ich deutsch. Zu jener Zeit waren deutsche Interpreten noch eine Marktlücke. Lustigerweise entstanden aber ziemlich zeitgleich die Bands Juli und Silbermond.

Nur wirst du mit deutschen Songs wohl kaum den internationalen Durchbruch schaffen.
Ich glaube, alles ist möglich. Rammstein hat es auch geschafft – sie sind aber auch von ihren Auftritten her Kultfiguren. Da geht es mehr um die Show. Genauso wie bei Tokyo Hotel.

Tokyo Hotel singt mittlerweile ja auch auf Englisch.
Das stimmt. Ich sage mir immer: Sag niemals nie und bleibe immer für alles offen. Wenn ich irgendwann mal denke, dass ich es im Ausland versuchen will und es nur englischsprachig möglich ist, dann überlege ich es mir vielleicht nochmals. Allerdings finde ich es ganz fürchterlich, wenn ein Deutschsprachiger englisch singt und man den Akzent hört. Das ist peinlich und diese Blamage möchte ich mir ersparen. Wahrscheinlich würde ich dann vorher ein paar Monate ins Ausland gehen, um mein Englisch zu verbessern. Aber momentan ist das kein Thema.

Schreibst du deine Texte eigentlich alle selbst?
Bei den Texten lasse ich mir gerne helfen. Ich habe ein Songwriter-Team von rund 10 Personen, das lustigerweise aus fast nur Männern besteht. Ich finde das auch nicht schlimm, wenn man bedenkt, dass wir jetzt fast jedes Jahr ein neues Album heraus gebracht haben. Da stehen wir immer im Zeitdruck. Aber ich schreibe überall ein bisschen mit. Natürlich muss man an einem Song so lange arbeiten, bis er authentisch ist und so, als wenn ich ihn geschrieben hätte.

Wenn du die Songs nicht selber schreibst, kannst du dich trotzdem mit jedem einzelnen identifizieren?
Auf jeden Fall. Die Songwriter in meinem Team, mit denen ich schon lange zusammen arbeite, wissen genau, wo sie ansetzen müssen – sie kennen mich, wissen wie ich spreche, wie ich selber schreiben würde. Das funktioniert sehr gut. Natürlich wäre es schwierig, wenn irgendwer kommt und der Meinung ist, dass er jetzt einen Song für mich hat. Da müsste er schon sehr viel Glück haben, dass der richtig passt. Gerade mit den Texten ist es oft schwer – so dass ich denke, das würde ich nie so sagen, das bin nicht ich.

Deine Texte greifen oft traurige Themen wie Einsamkeit, unglückliche Liebe, Alkohol und Drogen sowie Gewalt, Krieg und Tod auf. Welche Geschichte birgt sich dahinter?
Meine Texte handeln immer von Themen und Geschehnissen, die mein eigenes Leben betreffen, die auf der Welt passieren oder die meine Freunde erlebt haben – Themen, die ich als interessant und wichtig genug empfinde, um einen Song darum zu stricken. Die Texte sind immer sehr persönlich. Es ist mir auch sehr wichtig, dass ich nicht von irgendwas singe, sondern von etwas, das mich bewegt. Zum Beispiel unser erster Song «Mama Ana Ahabak» ist während des Irak-Kriegs entstanden. Ich habe damals sehr viel mit meinem Produzenten darüber geredet – wie es wohl sein mag für die Kinder, die gezwungenermassen den Krieg miterleben, wie sie die Geschehnisse sehen. Sie haben ja keine Ahnung, was Krieg bedeutet, keine Ahnung über die politischen Hintergründe. Wie erklären sie sich, dass sich die Menschen gegenseitig die Köpfe einschlagen? Sie können es nicht verstehen.

Oft enthalten deine Songtexte Fragen. Hast du selbst so viele Fragen an die Welt oder möchtest du die Zuhörer zum Nachdenken anregen?
Ich denke, jeder Mensch hat viele Fragen an das Leben – so auch ich. Ich weiss nicht auf alles eine Antwort und das baue ich in meinen Texten ein. Dabei überlege ich nicht viel darüber, was das Publikum interessieren könnte. Natürlich ist es wichtig, dass man beim Songschreiben auch an die Zuhörer denkt, aber man darf den Song nicht nur fürs Publikum schreiben. Das fände ich komisch. Für mich ist ein Song dann gelungen, wenn ich ihn gut finde und das Publikum auch.

Hast du ein Lieblings-Lied, ein Lied, das dir besonders am Herzen liegt?
Das gibt es so viele. Es gibt Songs, die schön sind live zu singen. Das sind zum Beispiel Balladen, weil diese sehr gefühlvoll sind. Es kann aber genauso eine Nummer sein, die voll nach vorne geht. Spontan fällt mir die Nummer «Bleib hier» ein, weil sie eine sehr persönliche Geschichte von einer Freundin von mir erzählt.

Du singst oft von der Liebe. Ist es schwer, in deinem Beruf die wahre Liebe zu finden? Trauen sich die Männer überhaupt, dich anzureden?
Das Problem ist eigentlich mehr, dass diejenigen, die sich trauen, meistens einfach nicht mein Fall sind (lacht). Klar ist es schwer, jemanden kennen zu lernen, wenn man immer nur mit den gleichen Menschen unterwegs ist. Und wenn ich privat ausgehe – zum Beispiel in Wien oder anderen österreichischen Städten – erkennen die Leute mein Gesicht und gehen ganz anders auf mich zu. Jeder glaubt mich bereits zu kennen und hat ein vorgefertigtes Bild, im Sinne von: Das ist Christina Stürmer, die hat bei einer österreichischen Castingshow mitgemacht und von der weiss man eh schon dies und das. Dadurch geht man nicht mehr unbefangen auf jemanden zu. Im Ausland ist das natürlich völlig anders. Bereits in Deutschland ist es entspannter. Man erkennt mich dort zwar oft, aber ich bin nicht so eine riesengrosse Nummer.

Nicht einfach, wenn man immer und überall erkannt wird. Du wirst kaum Party machen können, ohne dass es nachher jeder weiss.
Das stimmt. Darum feiere ich auch gerne zuhause oder wir lassen es im Tourbus krachen. Auf Partys in Österreich ist es schwieriger – gerade wenn man vielleicht noch ein bisschen über den Durst getrunken hat. In Zeiten von Facebook findet man dann womöglich dann am nächsten Tag ein Foto von dir – verschwitzt und mit knallrotem Kopf. Man muss sich überlegen, ob man das will oder nicht.

Sind dir deine Fans manchmal auch lästig?
Manchmal kann es schon nerven, wenn man immer angesprochen wird. Gerade, wenn man mit Freunden privat unterwegs ist und einfach nur einen gemütlichen Abend miteinander verbringen will. Dann heisst es: hier noch ein Foto, da noch eine Autogrammkarte und «Könntest du nicht noch schnell meiner Schwesters am Telefon Grüsse ausrichten». Aber ich finde es auch unhöflich, wenn man den Leuten sagt: «Weg mit dir!». Denn ohne die Fans, die meine CDs kaufen und manchmal ein bisschen lästig sind, funktioniert das Ganze schliesslich auch nicht. Und irgendwie geniesse ich es ja auch, erkannt zu werden. Kennt dich niemand mehr, bist du nicht mehr gefragt. Und meine Leidenschaft ist es nun mal, auf der Bühne zu stehen und zu singen. In jedem Beruf gibt es halt Sachen, die man gerne macht – darum liebt man den Beruf – und Dinge, die nicht so positiv sind. Das gehört dazu.

Denkst du, deine Karriere hat dich verändert?
Ich glaube, jeder Mensch verändert sich – was auch gut ist. Denn jeder Mensch muss sich weiter entwickeln. Mein Leben ist einfach komplett anders als vorher. Ich habe fast keine Privatsphäre mehr. Deshalb kaufe ich zum Beispiel nicht mehr bei H&M ein, sondern bestelle viele Kleider im Internet. Ich versuche mir mein Leben einfach so angenehm wie möglich zu gestalten.

Wie du erwähnt hast, besteht dein Songwriter-Team fast ausschliesslich aus Männern. Auch deine Band ist männlich besetzt. Zufall oder Absicht?
Das ist eigentlich Zufall. Mit den Jungs in der Band hat sich das so ergeben. Bei den Songwritern haben wir immer wieder mal ein Mädel gehabt, aber da waren vielleicht eine oder zwei darunter, die es für mich persönlich gut gemacht haben. Lustigerweise können sich die Männer wohl alle besser in mich hinein fühlen.

Warst du früher schon öfters mit Jungs unterwegs?
Ich habe schon viele Freundinnen, aber wir waren nie die «Mädchen-Mädchen». Von klein an zogen wir mit den Jungs herum. Wir haben Fussball gespielt, waren Klettern und sind auf Bäume gekraxelt. Barbie Spielen war nie so meins.

Deinen musikalischen Durchbruch hattest du bei der ORF-Castingshow Starmania. Würdest du heute nochmals bei einer Castingshow teilnehmen oder denkst du, dass die Zeit der Castingshows abgelaufen ist?
Hätte ich damals nicht teilgenommen, wäre ich niemals zur zweiten Staffel gegangen. Ich bin froh, dass es die erste Staffel und die erste Sendung war. Keiner wusste damals so genau, was eine Casting-Show ist. Heute ist alles verbogen. Es ist eine Mega-Unterhaltungssendung geworden. Es geht noch weniger ums Singen als es damals bei uns der Fall war. Das finde ich sehr schade. Einer nach dem anderen wird aus der Sendung geschossen. Es ist Sternchen-Produktion auf Fliessband. Und jeder weiss bereits aus den früheren Staffeln, wie er sich verhalten muss, damit er gut ankommt. Man braucht eine dramatische Geschichte, jemand aus der Familie muss schwer krank sein, man kommt von der Strasse oder hat vielleicht Drogen genommen. Bei uns war das damals noch nicht der Fall. Keiner hatte eine tragische Geschichte und wir hatten alle ein glückliches Familienleben.

Wie langweilig...
Das stimmt. Bei uns war es noch schön und gut, heute ist es langweilig. Die Casting-Shows sind meiner Meinung nach verblödet.

Wie stark war der Einfluss von aussen, als du zu den Gewinnern gehörtest? Schrieb man dir vor, wie und was du zu singen hast?
Nein, diesen Druck habe ich eigentlich nie verspürt. Am Anfang hatte ich aber auch noch keinen Manager. Alles war neu. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit Journalisten umgehen sollte. Zu Beginn freute ich mich, dass ich ständig Fragen gestellt bekam und plapperte alles aus. Und irgendwann merkte ich: o.k., ein offenes Buch ist auch nicht so interessant. Es war ein Crash-Kurs in Sachen Medien.

In einem deiner Lieder singst du «Träume leben ewig». Welcher Traum von dir lebt immer noch?
Das einzige, was ich mir wirklich erträume, ist, dass ich, wenn ich sterbe, zufrieden auf mein Leben zurück blicken kann. Alles, was dazwischen passiert, lasse ich einfach auf mich zukommen. (Interview: ne)

 
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