­
­
­
­

Zwischen Traumfabrik und Realität

Die 36-jährige Triesnerin Simone Bargetze hat ihren Durchbruch in Hollywood geschafft. Von «Surrogates» über «Avatar» und «Iron Man 2» bis hin zu «Transformers 3»: Die Stuntfrau war beim Dreh fast aller grossen Blockbuster zwischen 2009 und 2011 dabei.

Es sei schwierig, in der Traumfabrik Hollywood den Realitätsbezug zu wahren, sagt die Stuntfrau Simone Bargetze aus Triesen. Dennoch schaffte sie es, am Boden zu bleiben. «Man muss manchmal mit Gewalt ausbrechen aus dieser Welt, in der man fast so verehrt wird wie die Hauptdarsteller selbst.» Und so befand sich Bargetze beim Dreh zu «Transformers 3» (Originaltitel: «Transformers ? Dark of the Moon») in einer Sinnkrise. Nicht zuletzt weil ihre Mutter auf eine Leberspende wartete. «Wenn man mit 34 Jahren innerhalb von wenigen Jahren alles Materielle erreicht hat, was man wollte, werden andere Werte entscheidend.» Hier ein Motorrad, da ein Pferd ? und ein Pool vor dem Haus ist sowieso Standard. «Irgendwann fragte ich mich, ob das alles sein kann, was das Leben zu bieten hat.» Ausserdem hatte sie als Stunt-Double von Hauptdarstellerin Rosie Huntington wirklich Angst um ihr Leben. «Die Stunts liefen oft nicht so, wie es sich Regisseur Michael Bay vorstellte ? fliegenden Autos auszuweichen ist zwar mein Job, aber sie sollten dann halt schon so daherfliegen, wie man das geplant hat.» Ihr Instinkt habe sie in der einen oder anderen Szene vor schlimmeren Verletzungen bewahrt.

Es gibt Wichtigeres

Es braucht nicht nur viel Mut, die Stunts durchzuführen ? es braucht auch viel Courage, einem der bekanntesten Regisseure eine Absage zu erteilen. «Als ich erfuhr, dass ich eine geeignete Leberspenderin für meine Mutter bin, habe ich nicht lange gezögert und verliess das Set.» Michael Bay habe versucht, ihr die Operation auszureden und zu bleiben, weil sie zu gefährlich sei, erzählt Simone Bargetze. Mit ihrer Leberspende zeigte sie jedoch, dass es Wichtigeres gibt als Geld, Ruhm und Ehre. Nach der OP war Simone für vier Monate im Stuntfrauen-Krankenstand wegen möglicher Folgeverletzungen. Diese Zeit nutzte sie, um sich Gedanken über ihr Leben zu machen und die Frage zu beantworten, wie es weitergehen soll. «Ich will zurück zu den Wurzeln und selbst wieder Hand an die Kamera legen, wie ich es damals bei ?Vivaplus LA? gemacht habe.» Dennoch wird sie im kommenden Sommer bei «Avatar» mitwirken und auch ihr Dasein als Stuntfrau pflegen. «Weil mir ?Avatar? sehr viel Spass macht und ich hart dafür gekämpft habe, die Rolle zu bekommen», erklärt Simone Bargetze, die James Cameron, den Regisseur der Filmreihe, sehr schätzt. «Ich habe zwei Wochen lang geprobt und mich selbst dabei gefilmt, wie ich mit Speer, Pfeil und Bogen ein Pferd ohne Sattel reite. Das Video hat Cameron so beeindruckt, dass er mich anderen, ausgebildeten Profi-Stuntreiterinnen vorgezogen hat.»

Schon immer eine Draufgängerin

Doch woher kommt dieser Mut und dieses Gottvertrauen, sich überall hinunter- und hineinzustürzen? «Ich denke, das kommt daher, dass mein Bruder drei Jahre älter ist und ich mich unter den Jungs damals in Mutproben profilieren wollte und mir die Anerkennung wichtig war», erklärt sich Bargetze ihre Unbekümmertheit. Dennoch war es ein weiter Weg von der jungen Simone zur gestandenen Stuntfrau ? oft ein steiniger.
Ihre Karriere vor der Kamera begann bei Star TV in der Schweiz, wo sie als Ersatz von Miss Schweiz Stephanie Berger als Moderatorin eingesetzt wurde. «Mein bester Freund Chrigi hat sich dafür eingesetzt, dass ich ? ohne Erfahrung ? diesen Job bekommen habe. Ich hatte riesiges Glück.» So kam sie auch erstmals mit dem Extremsport in Berührung. Später ging es dann nach Los Angeles, wo sie für das Magazin «Freestyle» tagelange Reportagen mit Extremsport-Grössen wie zum Beispiel dem Skateboarder Tony Hawk filmen, moderieren und schneiden durfte.

Über den grossen Teich

Für den deutschen Fernsehsender Viva war sie dann im Format «Vivaplus LA» ebenfalls als Promi-Reporterin engagiert. Ob Bullriding mit den Rockern von Crazytown, Skifahren mit Snoop Dogg oder Snowboarden mit Coolio: Sie kam mit dem Glamour Hollywoods in Berührung und wurde davon elektrisiert. «Doch irgendwann hatte ich es satt, mein Gesicht ständig zu sehen und meine Stimme zu hören. Mein damaliger Freund riet mir, mal was anderes auszuprobieren», erklärt Bargetze, die sich selbst als schlechte Moderatorin bezeichnet.
Sie knüpfte Kontakte zum Stuntman Oliver Keller und versuchte sich in seinem Stuntpark. Es gefiel ihr und sie hatte gute Veranlagungen. «Meine Figur, meine Einstellung und meine Fähigkeiten passten gut ins Business.» Bargetze lebte in einem Baumhaus unter dem Hollywood-Sign und bemühte sich zwei Jahre lang um ein Arbeitsvisum. «Ich hatte einiges zusammengespart und konnte gut leben», erinnert sich die Triesnerin. Sie blieb ständig dran und sorgte dafür, dass ihr Antrag bei den Behörden durchkommt. Am Ende wurde ihr Einsatz mit einer Greencard belohnt. «Heute undenkbar, denn alle wollen in die USA. Ich hatte auch hier wieder viel Glück», weiss die 36-Jährige. Das Glück des Tüchtigen.

Mit Hollywood angefreundet

Dennoch gab es ein Problem: sie war verletzt. Eine Knieverletzung, die sie sich zugezogen hatte, machte ihr zu schaffen. «An einem ?Beastie Boys?- Konzert mit Michi Beck von den ?Fanta 4? wurde das Knie beim Stage-Diving verletzt», schmunzelt Bargetze heute. So ging es mit dem Rollstuhl nach LA. «Ich begann, BMX zu fahren, um das Knie wieder in die Gänge zu bekommen.»
Den ersten grossen Film drehte sie mit Jim Carrey. Während der Dreharbeiten zu «The Number 23» entstand eine Freundschaft zu Carrey, der privat so gar nicht in die Blödel-Schiene passe, wie es in seinen Filmen oft den Anschein mache. «Er ist ein toller, tiefgründiger Typ und ich schätze ihn sehr», erklärt Bargetze. Schritt für Schritt machte sich die Triesnerin einen immer gefragteren Namen. Engagements bei den Serien «The Mentalist», «Lost» und «True Blood» und Filmen wie «Surrogates», «Avatar» und «Iron Man 2» folgten und sind nur einige wenige ihrer Engagements als Stuntfrau in den Jahren 2009 bis 2011. Der Durchbruch war geschafft.

«Geheiratet wird in Liechtenstein»

Der hektische Hollywood-Alltag hinterlässt seine Spuren und führte Simone Bargetze nicht selten an physische und psychische Grenzen. Der Ruhm hat nun mal seinen Preis. Da findet sie in Liechtenstein ihre Ruhe. «Auch mein Verlobter David findet das den schönsten Fleck auf der Erde. Hier kommen wir immer wieder her, wenn wir unsere Ruhe brauchen.» Deshalb werden die beiden auch im Sommer 2014 hier heiraten. «Leider hat Poldi vom Waldboda in Steg diesen Herbst keinen Platz, darum mussten wir das Ganze auf den Sommer verschieben», sagt sie.
Die Zukunft wird die sympathische und manchmal chaotische Triesnerin so nehmen, wie sie kommt. Dennoch bedarf es der Planung: «Ich bin jetzt 36. Wenn ich noch ein, zwei Kinder möchte, bis ich vierzig bin, dann muss ich mir bald Gedanken darüber machen. Natürlich sind Kinder immer ein Thema.» Das einzige verpflichtende Engagement, das sie in den letzten zwei Jahren angenommen hat, ist der Einsatz bei «Avatar 2» und «Avatar 3». Sie liebäugelt damit, «back to the roots» zu gehen und wieder eigene Formate zu produzieren, die sie filmt, schneidet, moderiert und das ganze Projekt von A?Z selbst managt. «Irgendwie vermisse ich das jetzt.» Auf etwas festlegen möchte sie sich allerdings nicht. Und die einzigen Fixpunkte sind ihre Familie, ihr Verlobter David, ihr Pferd und ihr Liebling, Pitbull Bailey. «Das reicht mir momentan, um glücklich zu sein. Der Rest kommt dann von selbst.» (mw)

Steckbrief
Name: Simone Bargetze
Wohnort: Triesen/Los Angeles
Alter: 36
Beruf: Weltenbummlerin und Stuntfrau
Hobbys: Reisen, Pferde, «Das Leben spüren»
Leibspeise: Käsknöpfle, Blutwurst und alles, was schleimig ist
Getränk: Wasser
Lieblingsfilm: «Neverending Story»
Musik: Klassik und Rock
Lektüre: «Tao Te Ching»
Stadt/Land? Land
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Baumhaus unter dem Hollywood-Sign
Stärke: «Meine Liebe für die Natur, die Tiere und meinen Verlobten.»
Schwäche: «Ich bin eine Selbstzweiflerin.»
Motto: «Ich bereue nur Dinge, die ich nicht gemacht habe.»
Mein Traum: Bei einem James-Bond-Film mitspielen.

 

Schlagwörter

Lädt

Schlagwort zu Meine Themen

Zum Hinzufügen bitte einloggen:

Anmelden

Schlagwort zu Meine Themen

Hinzufügen

Sie haben bereits 15 Themen gewählt

Bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits

Entfernen

Um «Meine Themen» nutzen zu können, stimmen Sie der Datenspeicherung hierfür zu.

Ähnliche Artikel

AboSpezielle Begegnungen
Bei der heutigen Veranstaltung «Entrepreneurship in Exploration» mit innovativen Referenten an der Universität Liechtenstein ist die Organisation «Wisdom Accelerator for Youth (WAY)» Gastgeberin.
21.11.2024
Abo
Aline Danioth hat vier Kreuzbandrisse und sieben Eingriffe am Knie überstanden. Am Samstag gibt die 26-jährige Slalom-Hoffnung ein weiteres Comeback. Menschen, die ihr zum Rücktritt raten, kann die Urnerin nicht verstehen.
15.11.2024
Wettbewerb
3x2 Tickets zum «Benefizkonzert zu Gunsten von SOLie!» zu gewinnen
Christ Andrews
Umfrage der Woche
Was sagen Sie zur geplanten «Revitalisierung» des Rheins zwischen Schaan und Eschen?
­
­