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«Wir haben niemals unsere Wurzeln vergessen»

Nach 40 Jahren bei der Swissair und später bei der Swiss verbrachte der Balzner Kurt Marxer bis zu seiner Pensionierung in diesem Jahr die meiste Zeit seines Lebens im Ausland. Heute ist er mit einer Ägypterin verheiratet und dreifacher Familienvater.

An Flugzeugen war Kurt Marxer schon während seiner Jugend interessiert. Das Inserat in der Zeitung, wo die Swissair nach Servicemechanikern suchte, kam da wie gerufen. Zwar rechnete sich der 20-Jährige als Liechtensteiner keine grossen Chancen aus, doch er wurde aufgenommen – und von da an blieb kein Stein mehr auf dem anderen. Nach einigen Jahren in Zürich folgten langjährige Auslandeinsätze, Kurt Marxer sah viele Servicestationen der Swissair von innen, gründete mit seiner ägyptischen Frau Magda eine Familie und erlebte das Grounding der Swissair im Jahr 2001 sowie den Wiederaufbau unter dem neuen Namen Swiss als Mitarbeiter in Kairo mit.
All das sind Erfahrungen und Erinnerungen, die er nicht missen möchte. Nun freut er sich nach seiner Pensionierung in diesem Sommer auf den Ruhestand, den er zum Teil in Balzers – wo er mit seiner Frau wieder im Elternhaus wohnt –, zum Teil in Kairo, der Heimatstadt seiner Frau, verbringen wird.

Die Chance am Schopf gepackt

Nach seiner Lehre bei der Balzers AG und zwei Jahren bei der NeuElektrik in Schaan zog es den jungen Kurt Marxer in die Ferne. «Für den Job bei der Swissair waren technische Kenntnisse und gutes Englisch gefragt. Da ich beides besitze, habe ich mich beworben und bin eingestellt worden», erinnert sich der 61-Jährige.
So begann der 22-Jährige in Zürich als Elektromechaniker in der Organisationsstelle «IERA-Installationen» des Departements Technik bei der Swissair. «Auf stetige Weiterbildung wurde man hier richtiggehend getrimmt.» Kein Wunder, ging es dann während 40 Jahren um die Sicherheit der Passagiere. Es galt, die elektrischen Komponenten der Flugzeuge praktisch auswendig zu kennen und Probleme zu lösen. Schon zwei Jahre später erwarb er die Qualifikation «Berufsarbeiter mit Spezialkenntnissen».
 
Heim- und Fernweh zugleich

In Zürich sehnte er sich zum einen nach seinem Freundeskreis in Liechtenstein, zum anderen zog es ihn in die Ferne. «Das Heimweh streifte ich ab, indem ich bei jeder Gelegenheit – das heisst zweimal in fünf Wochen – nach Hause nach Balzers ging.» Das half schon weiter. Doch das Problem des Fernwehs war immer noch nicht gelöst. So qualifizierte er sich als 25-Jähriger für die Ausbildung zum Stationsmechaniker. «Die Stationen waren ein Markenzeichen der Swissair und praktisch rund um den Globus platziert.» 1978 begann als «mitfliegender Mechaniker» eine ausgeprägte Reisezeit.
Er übernahm Ablösungen für seine Mitarbeiter in Paris, Palma de Mallorca, Barcelona, München, Stuttgart, Nairobi, Athen, Kairo, Kuwait, Istanbul, Bombay, Madrid, Frankfurt, Rio de Janeiro, Sao Paulo und Dakar. «Man musste sehr flexibel sein, was mir als Alleinstehender recht leicht fiel. Auch an den Betrieb in der Viererschicht gewöhnte man sich.» Er war auf jeder Station zwischen einem Monat und einem Jahr und sah dementsprechend viele Orte und Komponenten des Flugbetriebs. Im Jahr 1980 wurde er zum Senior Station Engineer befördert, was ihm dann im Jahr 1984 die Verantwortung über die Station in Kuwait bescherte.

Flexible Famile war gefragt

In der Zwischenzeit entwickelte sich das Privatleben weiter. Er lernte die Ägypterin Magda kennen, die für die Austrian Airlines in Kairo tätig war. Sie heirateten 1981 – ebenfalls in Kairo – und entschieden sich, eine Familie zu gründen. «Hier ist uns die Swissair sehr entgegengekommen», ist Kurt Marxer heute dankbar, dass der Arbeitgeber ihn darin unterstützte, einigermassen sesshaft zu werden und die Kinder auf gute Schulen zu schicken. 1984 kam die älteste Tochter Leila zur Welt, es folgten Monika (1987) und Stefanie (1994). Sie alle machten das Deutsche Abitur in Kairo und studierten bzw. studieren an der Universität in Zürich.
1989 führte die Reise der Marxers von Kuwait nach Madrid. Hier wurde Kurt Marxer Supervisor Technical Service. «Zu Madrid konnte ich nicht nein sagen. Zum einen war da die Tatsache, dass ich meine Kinder in Europa zur Schule schicken konnte, zum anderen wurde es in Kuwait aufgrund der Spannungen zwischen dem Iran und Irak ziemlich ungemütlich.» So war die Umsiedlung der Familie auch eine Frage der Sicherheit. «Ausserdem musste meine Familie sehr flexibel sein und ich bin ihr dankbar, dass sie das mitgemacht hat.» Umso mehr freut ihn die Tatsache, dass sich seine Töchter und seine Frau Liechtenstein als Heimat ausgesucht haben. «Das zeigt, dass ich ihnen trotz des Lebens im Ausland vermitteln konnte, wo unsere Wurzeln sind.»

Das Grounding aus der Distanz

Nach Madrid folgten 1995 zwölf Jahre in Kairo, der Heimatstadt seiner Frau. Hier konnten die Kinder die Kultur ihrer Mutter kennenlernen. Heute sprechen sie Arabisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Die Eltern sind überzeugt, dass das Aufwachsen in zwei Kulturen allen für das Leben viel mitgegeben hat.
In Kairo erlebte die Familie auch das Grounding der Swissair im Herbst 2001. «Zum Glück mehr aus der Distanz. Viele verloren ihre Arbeit. Die Station in Kairo war zum Glück rentabel und mein Job war nicht in Gefahr», erinnert sich Kurt Marxer. Die Arbeit machte ihm grosse Freude und der Zusammenhalt unter den Kameraden betont er im Gespräch immer wieder. «Man kommt hier immer wieder an seine Grenzen und kann immer auf die Hilfe der Mitarbeiter zählen.» Es sei besonders die Kollegialität in diesem Beruf, die ihm vom Anfang bis zum Ende seiner Berufstätigkeit imponiert habe. «Jeder ist sich bewusst, dass man eine grosse Verantwortung für die Passagiere und die Fluglinie hat.» 

Die Technik hilft

Das Urteil von Kurt Marxer und seinen Kollegen entschied täglich über mehrere Zehntausend Franken. «Wenn wir aufgrund von Sicherheitsmängeln ein Flugzeug temporär aus dem Verkehr ziehen mussten, um es zu reparieren, kostete das die Fluglinie jedes Mal Geld. Und wir machten den Service ja nicht nur für die Swissair, sondern waren auch bei anderen Linien gefragt», erklärt Kurt Marxer, dessen Arbeit sich im Laufe der Jahre vereinfachte, aber nie weniger wurde.
Im Vergleich zu den Siebzigerjahren, in denen die Mechaniker noch praktisch alles von Hand kontrollieren mussten, habe der Einsatz von Computern vieles vereinfacht. «Die technische Weiterentwicklung führte aber nicht dazu, dass die Arbeit für uns weniger wurde.» Zwar helfen moderne Instrumente bei der Diagnose, ob ein Flugzeug einwandfrei funktioniert oder nicht. Allerdings braucht es unzählige und regelmässige Weiterbildungen bei praktisch jedem Flugzeug, das auf den Markt kommt. «Alle paar Wochen wartet eine Prüfung. Die sind aber kein Problem, wenn man aufmerksam ist und genügend Praxis hat.»

Von Addis Abeba über Athen zurück nach Balzers

12 Jahre durfte Marxer in Kairo tätig sein. «Das ist ungewöhnlich lange, normalerweise wird man in kürzeren Abständen versetzt», erklärt Kurt Marxer. 2008 wurde er in die Hauptstadt Äthiopiens, Addis Abeba, versetzt, ehe er zwei Jahre später zurück nach Europa durfte. «Athen, meine letzte Station, war während der letzten drei Jahre meiner Berufstätigkeit ein guter Ausklang.» Er habe kaum etwas von den Unruhen in der Stadt mitbekommen und sich dort stets wohlgefühlt.
Nun wartet ein neues Kapitel im Leben von Kurt Marxer. Die Tatsache, dass ihm nach dem Tod seiner Eltern das Einfamilienhaus zugesprochen wurde, freut ihn natürlich und erleichtert ihm und seiner Frau die Rückkehr nach Liechtenstein, wo er nun wieder Zeit mit seinen liebsten Hobbys – Radfahren und Wandern – verbringen wird. «Wenn man einmal länger im Ausland war, schätzt man es sehr, was man hier im Land hat.» (mw)

Steckbrief

Name: Kurt Marxer
Wohnort: Balzers
Alter: 61
Beruf: Flugzeug-Mechaniker i. P.
Hobbys: Radfahren, Wandern, Windsurfen, Skifahren
Leibspeise: Alles, was schmeckt
Getränk: Gelegentlich ein Glas guter Rotwein
TV-Vorliebe: Nachrichten
Musik: Fast alles, speziell Volksmusik und auch klassische Musik
Lektüre: Technik und Sport
Lieblingsstadt? Venedig
Lieblingsland? Liechtenstein
Sommer/Winter? Beides
Ort: Hurghada (Ägypten)
Stärke: Ausdauer
Schwäche: Zu viel essen

 

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