«Wenns unbedingt si muas ?»
Die offizielle Landespolitik wird es nie zugeben – es geht nämlich um Wählerstimmen –, aber es gibt sie, die Unterschiede zwischen den beiden Landschaften Liechtensteins. Zu lange klaffte eine zu grosse geografische Distanz zwischen dem Ober- und dem Unterland. Bis sich zwei Industriebetriebe aus Schaan und Bendern und ein Tierarzt am Schwarz Strässle verbindend zwischen den Landschaften niederliessen. Der breite Streifen Rietland war zu früheren Zeiten ein guter Grund, als Oberländer nicht ins Unterland zu gehen und umgekehrt. Und bei einigen, so sagt man, hat sich diese Notwendigkeit bis heute auch nicht ergeben. Viele gehen auch heute nur in die andere Landschaft, «wenns unbedingt si muas» – für Geburtstagsbesuche für verzogene Verwandte und ähnliche Geschichten.
Verbindung durch Mobilität
Der motorisierte Verkehr und Fahrräder liessen die geografische Trennung am Ende leichter überwinden. Vor allem bei der jüngeren Generation setzt sich der Gedanke durch, dass es eben beide Landschaften braucht, um als Landeseinheit zu funktionieren. So sind Feste im Unterland und im Oberland mittlerweile sehr gut von Vertretern der anderen Landschaft besucht. Mehr als 3000 im Unterland wohnhafte Personen hatten zum Beispiel im Jahr 2010 ihren Arbeitsplatz im Oberland. Den Weg vom Wohnort im Oberland zur Arbeitsstätte im Unterland machten gerade einmal 900 Personen.
Doch auch kulturell sind die Tendenzen eher in Richtung Oberland ausgerichtet. Man nehme als Beispiel das Volksfest am Staatsfeiertag in Vaduz oder die Lihga in Schaan (die in diesem Jahr übrigens wieder stattfindet), und man sieht zahlreiche Einwohner des Unterlands durch die Strassen flanieren und das eine oder andere Bier trinken. Es wäre unfair, dieses Detail zu unterschlagen: Der Gründer der Lihga ist ein Unterländer. Da ist man dann schnell an einem zentralen Punkt angelangt, wenn man zwischen Ober- und Unterland Vergleiche anstellen möchte: Die grossen Volksfeste, ausgenommen die Verbandsmusik- und Feuerwehrfeste, die alternierend einmal im Ober- und einmal im Unterland stattfinden, sind meist im Oberland. Genauso die Kinos im Land, die sich in Schaan und Balzers befinden. Hat man dann an einem solchen Fest oder bei einem Kinobesuch die Liebe seines Lebens kennengelernt, heisst es für die Unterländer wieder: Ab ins Oberland, denn standesamtlich geheiratet wird nur in Vaduz. So werden heiratswillige Unterländer fast ins Oberland gezwungen. Irgendwie schon ungerecht das Ganze.
Politik: Leichte Vorteile fürs Unterland
Worüber man sich als Unterländer wohl nicht beklagen kann, ist die Tatsache, dass der Regierungschef schon seit elf Jahren aus einer Unterländer Gemeinde kommt. Insgesamt waren, seit der Regierungschef ein Liechtensteiner ist, 41 Jahre lang Unterländer in dieser Position. 51 Jahre lang waren Oberländer am Zug – also auch hier hat das Oberland die Nase vorn. Das Oberland stellt 15 Landtagsabgeordnete, das Unterland 10. Immerhin wird hier das Unterland (40 Prozent der Abgeordneten) im Gegensatz zur Bevölkerungszahl (35 Prozent) mit leichten Vorteilen ausgestattet. Auf der Regierungsbank steht es mittlerweile 3:2 für die Unterländer, nachdem Regierungschef-Stellvertreter Martin Meyer vom Oberland ins Unterland umgezogen ist.
Am Ende bleibt aber nur der Blick und die Besinnung auf die Gemeinsamkeiten – denn «ohne Unterland kein Vaterland» und umgekehrt. Dennoch darf es – auch bei der Unterländer Bevölkerung – wohl erlaubt sein, das Oberländer-Dasein zu feiern. Natürlich sind auch die Unterländer herzlich dazu eingeladen, das Jubiläum des 12 Jahre jüngeren, aber grösseren Geschwisters gebührend zu feiern. Im Oberland wie im Unterland gilt das Motto: «So jung kommer nia meh zemma.» (mw)
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Martin Meyer
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