«Steter Tropfen höhlt den Stein»
Céline Doka ist gerade nach Hause gekommen und gönnt sich eine Auszeit auf dem roten Liegesofa im Wintergarten. Sie absolviert derzeit ein dreiwöchiges Praktikum in einer Schule und unterrichtet Fünftklässler in den Fächern Mathe und Deutsch. Nach dem Abendessen steht Lernen an, denn die Semesterprüfungen rücken immer näher. Nebenbei kümmert sie sich um die medizinische Versorgung ärmster Kinder in Honduras. Bevor das straffe Programm weitergeht, holt sie ihre Gitarre aus dem Zimmer und spielt eine Runde. «Ich habe lange Zeit Querflöte gespielt. Um meine Schüler auch gesanglich begleiten zu können, lerne ich jetzt Gitarre spielen», erzählt Céline Doka. Einmal pro Woche nimmt sie Unterricht. «Ich übe sehr gerne und spiele mittlerweile auch freiwillig andere Lieder als die, die ich muss», lacht die 20-Jährige.
«Ich liebe die Herausforderung»
Céline Doka ist mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in einem Haus in Trübbach aufgewachsen. Sie mochte Kinder schon immer, war jahrelang bei der Pfadi und leitete schliesslich selbst eine Gruppe. An der Arbeit einer Primarlehrerin gefällt ihr vor allem die Herausforderung, alle Schüler – so individuell sie sind – gleichermassen zu fördern. Die ersten Erfahrungen konnte sie bereits im Praktikum sammeln. «Ich war erstaunt, welche Unterschiede in einer Klasse herrschen können.» Die 20-Jährige hat mittlerweile ein Jahr an der Pädagischen Hochschule Rorschach verbracht und fühlt sich bestätigt: «Primarlehrerin ist der richtige Beruf für mich.»
Leidenschaft für Hockey
Céline Doka steht auf und setzt sich an den Tisch, um mit dem Lernen zu beginnen. Ihr 14-jähriger Bruder Joël kommt aus dem Wohnzimmer und bringt ihr eine Tasse Kaffee. Die angehende Primarlehrerin hat ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Geschwistern. Durch ihren Bruder entdeckte sie ihre Leidenschaft für Hockey. Joël spielt seit Jahren Unihockey und machte sie vor etwa sechs Jahren darauf aufmerksam, dass die Juniorinnen noch Spieler suchen. Céline Doka, die weder zimperlich noch eitel ist, meldete sich und war sofort begeistert von diesem Mannschaftssport. Mittlerweile spielt sie in der ersten Liga bei den Damen des Unihockeyclubs Schaan.
Als die damals 14-Jährige begann, Unihockey zu spielen, entwickelte sie gleichzeitig Interesse für Eishockey. Gemeinsam mit ihrem Bruder unterstützte sie lange den Hockey Club Davos HCD. Dann wechselte ihr Lieblingsspieler Michel Riesen 2009 zu den Rapperswil-Jona Lakers, der Lieblingsmannschaft ihres Vaters. Céline erinnert sich: «Mein Vater hat mir damals aus Spass einen Schal von den Rapperswil-Jona Lakers geschenkt.» Tatsächlich verfolgt sie seither diese Mannschaft besonders mit. Obwohl gerade Fussball und nicht Eishockey die Welt bewegt, bleibt sie ihrer Leidenschaft auch jetzt treu: «Hockey gefällt mir viel besser als Fussball. Die Spieler stehen sofort wieder auf, wenn sie am Boden liegen und das Spiel bleibt dank seiner Schnellläufigkeit bis zum Schluss spannend.»
Thema für Maturaarbeit gesucht
Das Einzige, was Céline Doka in ihrer Freizeit mehr beschäftigt als Hockey, sind die sozial benachteiligten Kinder in Honduras. Als sie sich vor vier Jahren für das Thema ihrer Maturaarbeit entscheiden musste, war für sie klar, dass sie über ein Hilfswerk schreiben wollte. «Ich unterstütze regelmässig soziale Einrichtungen wie zum Beispiel die Stiftung Kinderhilfe Sternschnuppe finanziell. Bereits als kleines Kind habe ich auf dem Flohmarkt Geld für Hilfswerke gesammelt», erzählt die angehende Primarlehrerin. Sie setzt sich gerne für eine gute Sache ein und findet es lächerlich, wenn gewisse Menschen denken, dass solch kleine Beiträge nichts nützen und zitiert: «Steter Tropfen höhlt den Stein.»
Wie es der Zufall wollte, kam Célines Mutter durch eine Bekannte auf Doris Eggenberger aus Buchs, die ein Stiftungsspital in La Ceiba in Honduras führt. Die Maturandin verabredete sich mit Doris Eggenberger, die sich glücklicherweise gerade in der Schweiz aufhielt. Dabei lud die Gründerin der Stiftung die junge Frau zu einer Besichtigung ihres Spitals in Honduras ein. Céline Doka setzte sich darauf sofort mit ihrer Lehrerin, die ihre Maturaarbeit betreute, Susan Rosenast, zusammen. Diese hatte bereits für Terre des Hommes gearbeitet und war von der Idee begeistert. Somit stand das Ziel für die Maturaarbeit fest: das Staatsspital in Honduras mit dem Stiftungspital von Doris Eggenberger zu vergleichen.
Politischer Umsturz verlangt Planänderung
Im Sommer 2009 war es so weit: Céline Doka erhielt eine Woche länger Sommerferien und konnte nach Honduras reisen. Geplant war, dass sie zwei Wochen Spanisch lernt, um die Umfragen in den Spitälern durchzuführen, und anschliessend drei Wochen in den Spitälern verbringt. Es kam jedoch alles anders: Bereits neun Tage nach ihrer Ankunft musste sie wegen eines politischen Umsturzes nach Texas flüchten, weil ein Bürgerkrieg auszubrechen drohte. Mit Doris Eggenberger wartete sie in Houston auf eine positive Nachricht aus dem Spital. Erst elf Tage später konnten sie wieder zurück nach La Ceiba. Da sie wegen der Ausreise kein Spanisch lernen konnte, musste sie den Plan ändern und somit ihre ganze Maturaarbeit über den Haufen werfen.
Doris Eggenberger zeigte der Maturandin das Kinderhilfswerk «Honduras Children». Dort arbeiten jährlich zahreiche Studenten aus aller Welt. Céline Doka half mit, unterrichtete am Morgen die Kinder und packte am Nachmittag Reis, Mehl und Bohnen in Säcke ab, die anschliessend von den Leitern des Hilfswerks an die sozial benachteiligten Menschen in den Bergen verteilt wurden. Céline Doka erzählt: «Ich war schockiert von den Verhältnissen, in denen die Kinder lebten. Viele trugen weder Schuhe noch Windeln und hatten grausame Zähne.» Da sich die Lage in Honduras erneut zuspitzte, war ihre Arbeit im Hilfswerk aber bereits nach drei Tagen wieder zu Ende. Die damals 17-Jährige hatte jedoch genug gesehen und sich entschieden, den Kindern medizinische Hilfe aus der Schweiz zu organisieren – für das Essen und die Schulbildung war ja bereits gesorgt.
Kinder medizinisch unterstützen
Céline Doka analysierte in ihrer Maturaarbeit schliesslich die Kinderrechte in Honduras und wie das besichtigte Hilfswerk diese verbessert. Zusätzlich zur Arbeit richtete sie ein Spendenkonto für die medizinische Versorgung der Kinder ein. Ihr Bekannter Reto Rahm, der eine Werbeagentur besitzt, wurde aufmerksam auf das Projekt und bot Céline an, die Sache professionell weiterzuführen. Am 16. Dezember 2010 gründete Céline schliesslich mit ihrer Mutter Claudia, Reto Rahm, ihrer ehemaligen Lehrerin Susan Rosenast und Albert Rey den Verein «Medhilfe Honduras». Sie arbeiten alle ehrenamtlich.
Die Kontaktperson in Honduras ist selbstverständlich Doris Eggenberger. Sie wendet sich an Céline Doka, wenn ein Kind aus finanziellen Gründen nicht behandelt werden kann. Innerhalb eines Jahres ermöglichte der Verein eine Mandeloperation, die Entfernung eines Gallensteins und beteiligte sich an einer Chemotherapie. Ausserdem wurden Kindern Hygieneartikel wie z. B. Zahnbürsten und Windeln zur Verfügung gestellt. «Mein Ziel ist es nun, die Menschen zum Spenden zumotivieren, damit wir noch vielen weiteren Kindern medizinische Hilfe ermöglichen können.» (hl)
Steckbrief
Name: Céline Doka
Wohnort: Trübbach
Alter: 20
Beruf: Studentin an der Pädagogischen Hochschule Rorschach
Hobbys: Hockey, Gitarre, Skifahren
Projekt: Medhilfe Honduras
Leibspeise: Lasagne
Getränk: Sprite
TV-Vorliebe: «Desperate Housewives»
Musik: Coldplay
Lektüre: Romane von Nicholas Sparks
Stadt/Land? Beides
Sommer/Winter? Winter
Stärke: «Ich stecke Mitmenschen mit meinem Optimismus an, …»
Schwäche: «… aber ich bin sehr selbstkritisch.»
Motto: «Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.»
Kontakt: www.medhilfehonduras.ch
Schlagwörter
-
«Liewo-Porträt»