Rost, Schweiss und jede Menge Leidenschaft
Edgar Büchel aus Balzers lässt alles rosten und gestaltet aus vermeintlichem Abfall Skulpturen und Alltagsgegenstände aller Art. Bei Ausstellungen in der Region fasziniert der 42-jährige zweifache Familienvater immer wieder mit seinen Objekten.
Für die meisten ist Rost ein Zeichen des Verfalls, des Defekten. Nicht für Edgar Büchel. Ihn fasziniert Rost, seit er denken kann. Er hat verstanden, nicht das Endstadium des Verrostens zu sehen, sondern den Prozess und die Bewegung dahinter. «Alles ist vergänglich ? und dieser Prozess ist mit viel Leben erfüllt», sagt der Balzner. Die warme rotbraune Farbe ist ein fester Bestandteil auch an und in seinem Haus, das er mit seiner Partnerin Brigitte Frick gemeinsam vor 4 Jahren entworfen und mit dem Architekten Ralf Jehle umgesetzt hat. Als Vorbild für seine Werke nennt er Bernhard Luginbühl, von dem auch das Prädikat «Eisenplastiker» stammt. «Ich bringe Eisen in eine Form; von dem her ist dieser Begriff sehr passend», sagt Büchel. So schafft er heute Auftragsarbeiten, Alltagsgegenstände und Kunst-skulpturen, die «mir meist ohne Planung in den Sinn kommen».
Vom Familienbetrieb in die Selbstständigkeit
Edgar Büchel absolvierte nach der Schule eine Lehre zum Mechaniker bei der PAV in Vaduz. Danach stieg er in den elterlichen Betrieb ein. Zu dieser Zeit sammelte er auch erste Erfahrungen mit dem Schweissen. «Ich war immer schon kreativ. Sei es beim Malen oder beim Schweissen: Bei mir drehen sich ständig neue Formen und Figuren im Kopf herum», erklärt der 42-Jährige.
Als Schuljunge kam er intensiv mit dem Malen in Berührung. Bei Martin Frommelt, der «Im Gässle» in einem verlassenen Gebäude eine «Malschule» für Kinder angeboten hatte, lebte er seine Kreativität aus. «Man konnte dort ein- und aus gehen und dabei auf Wänden und auf Papier seinen Ideen freien Lauf lassen. Das hat mir immer sehr gefallen.» Vor sieben Jahren machte er sich selbstständig und verliess den Familienbetrieb. «Es war ein wichtiger Schritt, wie ich später bemerkte, doch er hat sich für mich definitiv gelohnt.» Er habe dadurch die Chance erhalten, sich selbst zu verwirklichen.
Von Reisen inspiriert
In seiner Jugend war Edgar Büchel oft auf Reisen, ob in Asien oder in Nordafrika. «Mich faszinierte die Kultur, wo aus Dingen, die man bei uns einfach wegwirft, etwas Sinnvolles erstellt wird. Alles wird recycelt», erklärt der Eisenplastiker. Seit 15 Jahren macht auch er aus scheinbar nutzlosen Gegenständen aus Eisen oder Stahl entweder Skulpturen oder andere Gegenstände, die man im Alltag nutzen kann: Möbel, Leuchtkörper, Raketenöfen, Grabmale oder Briefkästen. Bei Edgar Büchel kann man praktisch alles fertigen lassen, was aus Metall gefertigt werden kann. Das Grundhandwerk seiner Arbeit, das Schweissen, bringt er sich seit 15 Jahren im Selbststudium bei.
Was ihn auch immer auf seinen Reisen begleitete, war die Faszination für den Rost. Auf alten Schiffs- oder Autowracks zeichnet das Korrosionsprodukt Lebensläufe. «Besonders bei dicken Stahlteilen sieht man das Leben, das von der Eisenoxidation ausgeht. Ich machte Makroaufnahmen von diesen Löchern und studierte den Rost regelrecht.» Ausserdem fragte sich der Balzner, ob es denn möglich wäre, Rost nachzubilden.
Die Entwicklung der Rostfarbe
Einen ganzen Winter lang hantierte er mit den verschiedensten Materialien, unterstützt von viel Internet-Recherche, um endlich den Durchbruch zu schaffen: Er entwickelte die Rostfarbe. «Auf Fliesen gab es beispielsweise die Rostfarbe schon, doch das war mir zu wenig authentisch. Ich wollte diese raue Schicht und die Grobheit wiedergeben», erklärt der 42-Jährige. Ein Paradebeispiel für seine Farbkreation sieht man auf seinem Firmenauto, das er mit seiner Farbe bestrich. Der Renault sieht nun aus wie ein total verrostetes Auto ? ist aber völlig intakt und funktionstüchtig. «Ja, die Diskussionen bei der Motorfahrzeugkontrolle oder an Grenzübergängen waren schon amüsant», erinnert sich Büchel. Doch es habe nie gröbere Probleme gegeben.
Das «Rost-Auto» fasziniert Passanten. «Manchmal beobachtet man die Menschen, wie sie das Auto anfassen und kaum glauben können, dass so was überhaupt geht», erklärt Brigitte Frick, Lebenspartnerin und Mutter seiner Kinder. Doch nicht nur das Auto lebt von seiner Rost-Oberfläche. Auch sein Haus ist mit rostigen Metallplatten als Fassade ausgestattet: Auf den ersten Blick eigenartig und befremdend, auf den zweiten Blick faszinierend. «Ich kam eine Woche lang jeden Tag auf die Baustelle und sprühte die Fassade mit einer Lösung ein, um das hinzukriegen», erklärt Büchel. Er habe noch mit den Nachbarn gescherzt, dass das jetzt die Flugrostzone sei. Sie hätten aber erst verstanden, was er damit meinte, als das «Kunstwerk» fertig war.
Der Hingucker bei Ausstellungen
Bei Ausstellungen und Messen aller Art ziehen Büchels Objekte die Aufmerksamkeit auf sich. Ob im Schlösslekeller 2011, als er die Ausstellung «Rosterius» mit seiner Rostmalerei und einigen Skulpturen lancierte, in Bregenz und Werdenberg als Teilnehmer einer Gruppenausstellung oder an der OpenArt in Roveredo, wo er unter rund 70 Ausstellern seit 2011 seine Objekte und Skulpturen ausstellt: Mit seiner Faszination für den Rost steckt er die Besucher an.
Ein grosser Traum von ihm wäre es, einmal einen Auftrag für eine grössere Skulptur im öffentlichen Raum an Land zu ziehen. «Ja, das wäre etwas Besonderes und natürlich eine grosse Ehre für mich», sagt der Eisenplastiker.
Metall auch in der Freizeit
Edgar Büchel untersucht unterwegs jedes Metallteil, erkennt schnell, was man daraus machen könnte und nimmt es mit in seine Werkstatt, wo er es zu neuem Leben verschweisst. Damit hat er auch schon seine Kinder angesteckt. Diese sind allerdings noch auf das Kleben angewiesen, weil das Schweissen noch zu gefährlich sei.
Metall begleitet ihn aber auch abseits des Schweissgeräts, denn Büchel ist auch Musiker. Früher bei der Guggamusik Pföhrassler, heute bei der Band Diez Teppichos aktiv, ist auch hier das Metall omnipräsent. Aus Alltagsgegenständen fertigen die sechs Musiker Instrumente und geben ihre Songs zum Besten. «Geprobt wird, wenn wir neue Auftritte in Planung haben. Wir sorgen bei jedem Firmenfest oder anderem freudigen Anlass für jede Menge Spass.» Und der sei unerlässlich, damit man nicht «einrostet», fügt Edgar Büchel schmunzelnd hinzu. Entspannung verschafft er sich auf seiner ? wie könnte es anders sein ? rostigen Triumph. «Ich steige sehr gerne aufs Motorrad, um meinen Kopf zu lüften oder wie ich gerne sage: ?Wind essen zu gehen?», lacht der Balzner. (mw)
Steckbrief
Name: Edgar Büchel
Wohnort: Balzers
Alter: 42
Beruf: Mechaniker, Eisenplastiker
Hobbys: Reisen, Velofahren, Wandern, Motorradfahren, Musik machen (Diez Teppichos)
Leibspeise: Indisch und Thai
Getränk: Wasser, Murphy?s
Lieblingsfilm: Pulp Fiction
Musik: Jazz, Rock, Funk
Lektüre: «Magazin» vom Tages-Anzeiger, National Geographic
Stadt/Land? Land und «ab und zu in eine Stadt fahren und das Leben aufsaugen»
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Fressino (TI)
Stärke: Spontanität
Schwäche: Ungeduld
Motto: Das Gesicht ist euch geschenkt, lachen müsst ihr selbst!
Kontakt: www.eisenplastiker.li
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