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Mit der Kettensäge an die Weltmeisterschaft

Der Werkhofmitarbeiter Armin Tanner hat sich für die Berufsweltmeisterschaften der Förster im September einiges vorgenommen ? mit seiner orangefarbenen Husqvarna will er sich den Weltmeistertitel holen ? und tatsächlich hat der gelernte Forstwart gute Chancen.

Die Sägespäne fliegen und mühelos durchtrennt die Husqvarna die fünf Zentimeter dicken Holzbolzen, die an einem sechs Meter langen Holzstamm angebracht sind. Nur wenige Sekunden braucht Armin Tanner, um den Stamm zu entasten. Die Kettensäge in seinen Händen führt er elegant und millimetergenau am Holz vorbei ? seine Arbeit an der Motorsäge kommt einer gut einstudierten Choreografie gleich. Es ist spannend, diesem Schauspiel zuzusehen, und als Tanner seine orangefarbene Kettensäge nach dem blitzschnellen Entasten beiseitelegt, wird einem bewusst, wie anmutig rohe Kettensäge-Gewalt sein kann.
«Ich bin erst seit zwei Wochen im Training ? bei der Berufsweltmeisterschaft der Förster im September muss das besser gehen», kommentiert der 30-Jährige aus Mauren das eben Geschehene und prüft kritisch die Einkerbungen an dem nun astfreien Holzstamm. Als Teil des dreiköpfigen Liechtensteiner Nationalteams wird er im September im bernischen Brienz um den Weltmeistertitel kämpfen. Der gelernte Forstwart wird in den Disziplinen Zielfällen, Kettenwechsel, Kombinierter Schnitt, Präzisionsschnitt und Entasten an den Start gehen. Laien, die mit diesen Begriffen vielleicht nur wenig anfangen können, soll Folgendes gesagt sein: In allen Disziplinen geht es darum, in Sekundenschnelle und auf den Millimeter genau mit einer vor Kraft strotzenden Kettensäge zu hantieren.

Dem Heuschnupfen sei Dank

Armin Tanner hat für die WM gute Chancen auf eine Medaille in einer dieser fünf Disziplinen und mit ein wenig Glück kann er sich vielleicht sogar gegen seine 120 Konkurrenten durchsetzen und den Gesamtsieg nach Hause tragen. Dass er im September in Brienz als einer der Favoriten ins Rennen gehen wird, ist letztlich jedoch seinem Heuschnupfen und einer gehörigen Portion Glück zu verdanken. Denn als Armin Tanner 16 Jahre alt war, hegte er noch den Berufswunsch Lebensmitteltechnologe. Das Einzige was ihm bei der Ergreifung seines Traumberufs noch im Wege stand, war ein medizinischer Test. Leider ergab dieser jedoch, dass er sich aufgrund einer Heuschnupfen-Allergie nicht für diesen Beruf eignete. «Als ich die Testresultate meiner medizinischen Abklärung erhielt, war ich erst ziemlich geknickt. Alle meine Schulkameraden hatten bereits eine Lehrstelle, und nun musste ich mich innert kürzester Zeit umorientieren», erinnert sich der heute 30-Jährige. Er absolvierte einige Schnupperlehren, unter anderem auch beim Forstwerkhof in Schaan. Seine Zeit dort gefiel ihm damals so gut, dass für ihn klar war, dass er Forstwart werden wollte. Das Schicksal meinte es zudem gut mit dem jungen Mann und er erhielt innert weniger Wochen eine Ausbildungsstelle beim Forstwerkhof in Gamprin. Somit stand seiner Berufsausbildung nichts mehr im Wege.

Mit etwas Glück an die WM

Im Jahr 2002, Armin Tanner war gerade im letzten Jahr seiner Forstwartlehre, entschied er sich, an der liechtensteinischen Qualifikation für die kommende Weltmeisterschaft im Holzen teilzunehmen. «Ich habe mich angemeldet, ohne mir grosse Chancen auszurechnen. Mein stärkster Konkurrent hatte nicht nur viel mehr Wettkampferfahrung, sondern auch das bessere Arbeitsmaterial», erzählt Tanner. Doch das Glück meinte es gut mit dem Forstwart-Lehrling: Am letzten Qualifikationstag beging sein Mitstreiter einen folgenschweren Fehler. Beim Zielfällen schaffte er es nicht, den Baum korrekt auf den Boden zu bringen und verlor dadurch sehr viele Punkte. Von diesem Fehler konnte Tanner profitieren und qualifizierte sich für das WM-Kader.
Den vermeintlich schwächeren Tanner zu der WM mitzunehmen, entpuppte sich letztlich sogar als Glücksfall für das liechtensteinische Nationalteam, denn der ambitionierte Gemeindeangestellte holte gleich auf Anhieb drei Bronzemedaillen und bewies dadurch, dass sein Platz im Kader gerechtfertigt war. Seine guten Leistungen an der WM 2004 in Italien konnte Tanner in den folgenden Jahren wiederholen. Bei der Schweizer Meisterschaft 2007 holte er vier Titel, ein Jahr später konnte er an der WM in Deutschland mit seiner Mannschaft den dritten Platz belegen. Im Jahr 2010 in Kroatien wurde er sogar Vizeweltmeister im Präzisionsschnitt. «Eigentlich wäre in Kroatien sogar mehr drin gewesen», erklärt Tanner. Denn bis vor dem Finale sei er gut im Rennen gewesen und hätte sogar Chancen auf den Weltmeistertitel in der Gesamtwertung gehabt. Doch dann kam alles anders als geplant. Seine Nervosität vereitelte ihm ein Spitzenresultat in der letzten Disziplin: «Ich startete als einer der Letzten von 120 Wettkämpfern ? bis ich dann endlich an den Stamm konnte, war ich bereits so nervös, dass einfach nichts funktionieren wollte.» Hätte er nur einigermasssen durchschnittliche Leistungen abrufen können, hätte es für den Titel gereicht ? so wurde er schlussendlich Neunter in der Gesamtwertung. Diesen September will es Tanner aber besser machen: «Die Voraussetzungen sind da, ich muss es nur noch umsetzen können», fasst er zusammen. Sein Ziel sei eine Medaille in einer der fünf Disziplinen.

Vom Wald in den Werkhof

Auch wenn das Sportholzen Armin Tanners grosse Leidenschaft ist ? den Beruf als Forstwart hat er mittlerweile an den Nagel gehängt. Seit fünf Jahren ist er nun Werkhofmitarbeiter bei der Gemeinde Mauren. Er ist mit seinem fünfköpfigen Team für sämtliche Grünanlagen der Gemeinde zuständig ? drei Hektar Grünfläche und sieben Hektar Naturschutzflächen wollen regelmässig gemäht, über 1000 Stiegentritte im Winter von Schnee und im Sommer von Gras befreit und rund sieben Kilometer Entwässerungsgräben unterhalten werden. «Das ist nicht zu unterschätzen und Arbeiten wie Gebäudeunterhalt und Pflanzen setzen sind hier noch gar nicht mit eingerechnet.» Trotz des immensen Pensums ist der Maurer jedoch sehr glücklich in seiner neuen Position. «Für mich war klar, dass ich nicht bis zu meiner Pensionierung Forstwart sein werde ? die körperlichen Verschleisserscheinungen sind einfach zu gross», meint er. Meniskus- und Gelenkprobleme gehörten eben zum Berufsrisiko eines Forstwarts: «Und ich wollte frühzeitig damit aufhören, bevor auch ich körperliche Probleme bekomme.»

Glücklicher Werkhofmitarbeiter

Dass er vor fünf Jahren die ausgeschriebene Stelle als Werkhofmitarbeiter erhielt, bezeichnet Tanner als absoluten Glücksfall: «Als ich die Stellenausschreibung entdeckte, glaubte ich nicht, dass ich eine Chance habe. Ich war mit Abstand der Jüngste der über 50 Bewerber.» Als er dann doch die Zusage erhielt, griff er zu und wechselte vom Wald in den Werkhof. Diesen Wechsel hat der Maurer bisher noch nicht bereut: «Ich empfinde die Arbeit hier als abwechslungsreicher und habe viel mehr Verantwortung», berichtet er. Als Forstwart sei er sich oft wie ein Einzelkämpfer vorgekommen, der irgendwo im Wald, fernab der Zivilisation, seine Arbeit verrichtete. «Nun bin ich mitten in der Gemeinde unterwegs und meine Arbeit findet nicht irgendwo versteckt im Wald statt, sondern ist für jeden ? auch für mich ? sichtbar».
Doch nicht nur aus praktischen Gründen freut sich Tanner über seine Stelle in Mauren, sondern auch aus familiären. Vor Kurzem erhielten seine Frau und er Familien­zuwachs. «Als Forstwart blieb ich meist den ganzen Tag über im Wald, nun kann ich mittags zu meiner Frau und meinem kleinen Sohn», erzählt Tanner erfreut. Fünf Monate ist der kleine Janis alt. Wenn es im September dann nach Brienz geht, werden Janis und seine Mama Armin Tanner begleiten und ihn von den Zuschauerrängen aus anfeuern. Mit zwei Glücksbringern von solcher Qualität kann Tanner eigentlich nur Weltmeister werden ? jedenfalls ist es ihm zu wünschen. Und wer im Vorfeld schon einmal die Künste des Maurers an der Kettensäge bestaunen möchte, ist herzlich eingeladen, am 31. Mai bei der ersten Liechtensteiner-Bündner Holzerei-Meisterschaft in Schaan vorbeizuschauen. (sb)

Steckbrief
Name: Armin Tanner
Wohnort: Mauren
Alter: 30
Beruf: Werkhofmitarbeiter
Hobbys: Wandern, Radfahren und in der Natur sein
Leibspeise: Alles vom Grill
Getränk: «Hauptsache, es löscht den Durst»
TV-Vorliebe: Keine
Musik: Alles, was aktuell ist
Stadt/Land? Land
Sommer/Winter? Frühling und Herbst
Lieblingsort: Zu Hause
Stärke: Ruhe zu bewahren
Schwäche: Am Morgen aufstehen
Wunsch für die Zukunft: «Dass alle meine Lieben und ich gesund bleiben.»

 

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