«Mein Bunker, meine Musik und meine Zigaretten»
Ihn gibt es bestimmt kein zweites Mal. Er ist ein Unikat – ein Schaaner Original sozusagen. Andy Risch ist zwar Bürger der Gemeinde Vaduz und wohnt seit geraumer Zeit in Gamprin, ist aber seit mehreren Generationen in Schaan verwurzelt. 25 Jahre lang wurde er als Partykönig von Schaan gefeiert. «Es war eine schöne Zeit, überschattet von viel Hader und Zank – aber ich bereue nichts.»
Andy’s Partyschopf
Angefangen hat alles 1974. Aus eigener Kraft baut der damals 22-jährige Bursche am Schaaner Rheindamm einen Schopf auf – seinen eigenen Partyschopf. Kaum steht die Hütte, stürmen auch schon die ersten Gäste das Gebäude – eine Party reiht sich an die andere. «Plötzlich hatte ich Leute aus der Schweiz, Österreich, ja gar aus Deutschland bei mir», erinnert er sich an die wilde Zeit.
Das Ganze gleicht einem Festival; die Leute strömen mit Sack und Pack beladen nach Schaan. Ist es warm genug, stellen sie am Freitagnachmittag ihre Zelte auf und feiern bis Sonntagabend durch. Probleme mit Drogen oder «da heiliga Krütle», wie Risch sie nennt, hat er nie. Doch die «Schmier» hat es auf ihn abgesehen. «Sie suchten nach einer Missachtung des Gesetzes, doch sie fanden nichts.» Das habe sie furchtbar wütend gemacht. Auf der einen Seite sei die ältere Generation zwar froh um den Schopf gewesen, weil man wusste, wo sich die Jugend aufhielt, andererseits «waren sie erleichtert, als der Schopf dann brannte.»
Ein wahres «Lauffeuer»
1976 wird der Schopf das erste Mal in Brand gesetzt. Wer die Brandstifter sind, weiss und will Risch bis heute nicht wissen. Er nennt sie liebevoll «die Moral». Doch Andy wäre nicht Andy, hätte er den Schopf nicht wieder aufgebaut. «Zwei Wochen später stand das Ding wieder», erzählt er stolz. Neuer Stromgenerator, neue Anlage, gute Musik – «was will man mehr?», grinst er. Und so geht die Partyära in die zweite Runde. Es folgen (zahlreiche) Plombierungen, die den Zugang zum Gebäude verwehren sollten, doch der partywütige Rebell findet immer wieder einen Weg hinein. «Ich hätte mir niemals vom Staat etwas diktieren lassen.»
Zwei Jahre vergehen und «die Moral» schlägt erneut zu. «Ich habe zwar immer gesagt, dass man mir nicht so viele Schöpfe abbrennen kann, wie ich im Stande bin aufzustellen», aber an diesem Punkt will er nicht mehr. «Ich hatte es einfach satt.» Was ihn am meisten ärgert: «5000 Scherben» gingen so verloren.
Scherben gehören zum Leben
Mit Scherben meint Andy Risch nicht etwa Glasscherben. Scherben nennt er seine Vinylplatten – sein Ein und Alles. Die Musik ist sein Leben, er braucht sie wie die Luft zum Atmen. «Ich könnte nicht ohne sie. Sie gibt mir so viel.» Er steht auf die Klassiker – taktreife Musik der 50er- bis 80er-Jahre ist seine Welt. Was er gar nicht mag: «Diese Hip-Hop-Musik.»
Neben der Musik auch ganz wichtig sind für Andy Risch seine Bücher. Er beschäftigt sich seit 10 Jahren mit der Differenziallehre und dem kategorischen Imperativ von Immanuel Kant. «Ich habe die ganzen deutschen Schriftsteller durchgenommen», erzählt er. Er steht auf die harte literarische Kost. «Schliesslich muss ich mein Hirn fit halten.» Den flimmernden Kasten zum Reinschauen verschmäht er. «Ich schaue nicht fern, das brauche ich nicht.»
Die Technik nimmt ihren grauenhaften Lauf
Andy ist kein Technikfan. Zumindest keiner, der auf die moderne Technik abfährt. Sein altes Handy hat er nur, weil es für ihn geschäftlich als Unternehmer unabdingbar ist. Computer hat er keinen, Internetanschluss findet er total überflüssig. «Was soll ich damit?» Um die ganze EDV kümmert sich seine Buchhalterin Berna. Er selbst will mit dem «Seich» nichts zu tun haben. Andy hält an Papier und Bleistift fest. Damit ist er einer der wenigen, die sich der technischen Modernisierung entziehen. Im Alltag merkt er dies nicht wirklich, doch auf Weiterbildungen wird er des Öfteren darauf angesprochen. Zynische Bemerkungen wie «Du bist wohl noch nicht so weit, Andy?!» gebe es häufig von den Typen mit ihren «Lapitopis», wie er die Geräte gerne nennt. Sein Kommentar: «Stört mich eine Fliege, nehme ich ein Blatt Papier und schlage sie damit kaputt. Und was macht ihr?» Man merkt, dass Andy Risch um keine Antwort verlegen ist – er weiss sich zu wehren.
«Bhalta wora»
Dass Andy Risch sich nicht von der Technik einschränken lässt, passt ganz zu ihm und seinem Lebensstil. Er hat immer versucht, so frei wie möglich zu leben. Klar, als Unternehmer der Firma Gottlieb Risch AG hat er eine grosse Verantwortung zu tragen und ist in gewisser Weise in seiner Freiheit eingeschränkt. Aber den Rest gestaltet er sich nach seinem Gutdünken. «Ich habe immer frei und wild gelebt, nie habe ich mich einengen lassen.» So hielt und hält er es auch mit der Liebe. Wie er so schön sagt, sei er irgendwann von seiner Liebsten «bhalta wora». Mehr verrät er über seinen Zivilstand nicht. Fakt ist, dass die «holde Weiblichkeit» seine grösste Schwäche ist.
Apropos Schwäche: Andy empfindet seine Rauchgewohnheiten keinesfalls als Schwäche. Im Gegenteil, er unterstütze so die Politik «der vollen Aschenbecher». Das heisst, wenn man imstand sei, seinen Aschenbecher mit Zigarettenstummeln zu füllen, habe man etwas genutzt und Arbeitsplätze gesichert. «Nicht wie der Staat sagt, weniger rauchen und gleichzeitig setzen sie die Tabaksteuer höher», ärgert er sich.
«Böhnla statt schwimma»
Solche Probleme hatte er als Bub noch nicht. Damals waren es andere Dinge, die ihn beschäftigten. So muss er zusammen mit seinen acht Geschwistern in jeder freien Minute den Eltern auf dem Feld behilflich sein. «Schlimm war es, als das Freibad Schaan/Vaduz seine Tore öffnete.» Während andere Kinder im Wasser planschen und ihren Spass haben, pflückt er Bohnen. «Damals war es schlimm für mich. Heute sehe ich meinen Vorteil darin – ich weiss die Dinge, die ich habe, zu schätzen.» Dieses Bewusstsein fehle vielen Leuten in der heutigen Zeit.
Nach der obligatorischen Schulzeit begeistert Andy Risch sich fürs Kochen. In Leukerbad im Wallis absolviert er die Lehre zum Koch mit Bravour. «Dann wurde ich zurückgeholt.» Sein Vater, Gottlieb Risch, braucht im Transportgeschäft Unterstützung. «Tja, und da bin ich bis heute hängen geblieben.» In seinem bisherigen Leben bereut Andy Risch gar nichts. Er möchte auch nicht mehr 20 sein, «ausser mit meinem heutigen Wissen».
Im Bunker ist die Welt in Ordnung
Die Zeit im harten Unternehmer-Alltag versüsst er sich, indem er sich jede freie Minute in seinen Bunker zurückzieht. «Ich schliesse die Türe hinter mir zu und bin für mich.» Dort kann er tun und lassen, was er will – ob er seine Arbeit erledigt oder einfach nur über Gott und die Welt sinniert. «Ich drehe meine Anlage auf, lasse mich von der Musik berieseln und mache meine Offerten oder was sonst gerade anfällt.» Der Bunker ist sein zweites Zuhause.
Der Club war nach dem Partyschopf sein grosses Projekt. Und die Geschichte dahinter ist nicht weniger wichtig. 1979 eröffnet Andy Risch in Schaan den Verein «Andy’s Bunker». Eineinhalb Jahre lang ist er Tag und Nacht damit beschäftigt, seine Gäste glücklich zu machen. Musikalisch punktet er mit einer Auswahl von Tausenden von Schallplatten, und als geselliger Gastwirt fühlt sich bei ihm jeder wohl.
Die Arbeit als Geschäftsführer und Wirt macht ihn jedoch müde. «Ich musste mich entscheiden.» So liegt der Bunker nun seit über 20 Jahren brach. Sein momentan einziger Gast ist er selbst, und «das ist auch gut so». Ob er den Bunker irgendwann wieder für die Öffentlichkeit zugänglich machen wird, liegt in den Sternen. «Der Andreis ist mit dem Risch noch nicht einig», schmunzelt er. (jg)
Steckbrief
Name: Andy (Andreis) Risch
Wohnort: 770 77 11
Alter: 59 Jahre
Beruf: Unternehmer
Hobbys: Musik, Lesen
Leibspeise: «Käsknöpfle»
Getränk: eingepackte Sonne (Wein)
Musik: Querbeet – Klassiker der 50er, 60er, 70er, 80er
Lektüre: Kant, Marx, dt. Literatur
Ort: der Bunker
Stärke: «Ich bin stabil.»
Schwäche: Die holde Weiblichkeit
Motto: «Behalte das Gute, vergesse das Schlechte.»
Abmachung: «Ich bin zu schlecht für den da oben und zu gut für den da unten. Folglich werde ich übrig bleiben.»
Schlagwörter
-
Gemeinde Vaduz
-
«Liewo-Porträt»