«Kinder sind nicht etwas, was die Eltern ?machen?
Interview: von Michael Winkler
und Julia Gstöhl
Herr Walser, welches ist die Auffassung der katholischen Kirche zum Thema künstliche Befruchtung?
Generalvikar Markus Walser: Die katholische Kirche erachtet es als dem Schöpfungsplan Gottes widersprechend, wenn der Mensch sich als Herr des menschlichen Lebens aufspielt und andere Menschen «machen» oder durch Anwendung gewisser Techniken züchten will. Unter anderem deshalb lehnt sie die Entnahme von Eizellen und Spermien aus den menschlichen Geschlechtsorganen und die Zusammenführung derselben ausserhalb des Körpers der Frau (Befruchtung im Reagenzglas = In-Vitro-Fertilisation, IVF) als unmoralisch ab.
Auf welche Hintergründe führt die katholische Kirche diese Auffassung zurück?
Für jede IVF müssen aus praktischen Gründen mehr Eizellen befruchtet werden, als danach ausgetragen werden können. Es wird also eine Selektion vorgenommen und «überzählige» Embryonen, d. h. bereits auf ihre Entfaltung hin angelegte Menschen, werden getötet. Da sich nur ein Teil der implantierten Embryonen im Mutterschoss weiterentwickelt, werden meist mehrere Embryonen eingepflanzt. Leben mehr Embryonen als geplant weiter und es ergeben sich dadurch Mehrlingsschwangerschaften, greift man in der Regel zur Abtreibung der «überzähligen» Kinder. Das sind weitere entscheidende Gründe für die kirchliche Ablehnung der künstlichen Insemination. Mit Recht spricht man bei der IVF auch von «Abtreibung im Reagenzglas».
1987 lehnte der Vatikan die IVF ab, weil sie «die natürliche sexuelle Vereinigung von Mann und Frau» ersetze. Hat die Auffassung seither geändert bzw. wird darüber diskutiert?
An der Ablehnung der IVF durch das kirchliche Lehramt hat sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern. Die Kirche wiederholt hier die immer gleich bleibende Lehre.
Macht die Kirche einen Unterschied, aus welchen Motiven
heraus bzw. unter welchen Voraussetzungen eine künstliche Befruchtung vorgenommen wird?
Natürlich haben bei jeder Handlung die Motive für denjenigen, der sie vornimmt, eine moralische Bedeutung. Es gibt jedoch Handlungen, die in sich schlecht sind, d. h. auch aus edlen Motiven nicht gut werden. Dazu ist auch die In-Vitro-Fertilisation zu zählen. Es ist und bleibt – unabhängig von den Motiven – eine Missachtung der Tatsache, dass der Mensch von Gott als Mann und Frau geschaffen wurde und deren eheliche Liebesbeziehung – wenn immer möglich – zur Weitergabe des menschlichen Lebens auf natürliche Weise bestimmt hat. Es steht jedoch dem Menschen nicht zu, andere Menschen künstlich zu züchten und dabei bezüglich ihrer Daseinsberechtigung zu selektionieren.
Viele Paare bekommen trotz Kinderwunsch keinen eigenen Nachwuchs. Ist es da nicht angezeigt, ihnen den Wunsch durch künstliche Befruchtung zu ermöglichen?
Das Leben des Menschen ist ein Geschenk Gottes und liegt in Gottes Hand. Kinder sind nicht etwas, was die Eltern «machen». Zu Recht spricht man vom «Kindersegen». Kinder sind von Gott den Eltern zu treuen Händen gegeben, damit sie von diesen zu verantwortungsbewussten, selbstständigen erwachsenen Menschen erzogen werden. Deshalb können es Eltern getrost der von Gott geschaffenen Natur überlassen, ob sie Kinder bekommen.
Und was tun, wenn sich der Wunsch nach eigenen Kindern eben nicht natürlich erfüllt?
Wenn sich der Kindersegen nicht einstellt, gibt es die Möglichkeit, Kinder zu adoptieren, oder es gibt viele andere Möglichkeiten, Gutes für Kinder zu tun.
Gerade in Zeiten der geringen Geburtenraten in den westlichen Industriestaaten sollte doch das Christentum daran interessiert sein, diese zu steigern bzw. zu fördern.
Auch hier gilt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Für eine moralisch gute Tat braucht es neben einem guten Ziel auch gute Mittel.
Wie sollte man dieses Problem Ihrer Meinung nach anpacken?
In diesem Zusammenhang müssten vielmehr die weit verbreitete Verhütungsmentalität und Verhütungspraxis kritisch unter die Lupe genommen werden, ebenso die weltweit horrende Zahl der Abtreibungen.
Was raten Sie einem Paar, beim dem es nicht klappt, auf konventionellem Weg ein Kind zu zeugen, wenn es zu Ihnen kommt und inständig um Ihre Hilfe bittet?
Persönlich würde ich einem Paar raten, es weiterhin mit moralisch korrekten und guten Mitteln zu versuchen. Ich kenne manche Paare, bei denen sich der Kindersegen erst nach mehreren Jahren eingestellt hat. Ich kenne auch Paare, denen die Ärzte sagten, dass sie nie Kinder haben können und die dennoch auf natürliche Weise Eltern wurden. Wenn sich wirklich keine Kinder einstellen, sollte man das als von Gott so bestimmt annehmen, wie andere Menschen auch Einschränkungen annehmen müssen, etwa Krankheiten oder Behinderungen.
Ich kann es nicht nachvollziehen, dass in einer Zeit, in der so viel Wert auf Natürlichkeit gelegt wird (z. B. bei den Nahrungsmitteln, in der Landwirtschaft, beim Umweltschutz), bei der Zeugung des Menschen jedoch Künstlichkeit und Unnatürlichkeit Platz greifen sollen.
Ähnliche Artikel
Umfrage der Woche
Wie sollen Muslime in Liechtenstein bestattet werden?
22.04.2025