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«Kinder brauchen Wurzeln und Flügel»

Mit der Kinderbildungsstätte «K-Palace» in Mauren hat Petra Senti einen Ort geschaffen, an dem Kinder die Möglichkeit haben, zweisprachig gefördert zu werden. Aus Erfahrung weiss die Sozialpädagogin, wie wichtig es für Kinder ist, bodenständig zu bleiben und doch träumen zu dürfen.

«Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.» Da sind sich Johann Wolfgang von Goethe und Petra Senti einig. Dabei möchte die Sozialpädagogin Eltern unterstützen. Im Oktober 2011 hat sie die Kinderbildungsstätte K-Palace in Mauren ins Leben gerufen. Speziell daran: Kinder werden bilingual gefördert. Das heisst, jedes Kind hat die Möglichkeit, zweisprachig – Deutsch und Englisch – aufzuwachsen. Das «K» steht dabei für Kinder, Kreativität, Kommunikation und Kultur. «Ich möchte, dass die Kinder farbig, flexibel und offen für Neues bleiben, dass die Wurzeln sie standfest und selbstbewusst machen und die Flügel sie träumen lassen und zu globalem Denken anregen», so ihr Ziel. In den Räumlichkeiten, die im unteren Stock ihres Wohnhauses liegen, fühlen sich die Kinder wie im Palast. Während drinnen ein Spielparadies auf die Kleinen wartet, hüpfen sie draussen mit den Hasen und Geissen um die Wette. Die Tiere sind nicht nur für die Tierliebhaberin selbst sehr wichtig. «Der Kontakt zu den Tieren hilft den Kindern, ihre Ängste zu überwinden und fördert ihre Sozialkompetenz», weiss Petra Senti.

«Kinder sind wie Schwämme»

Im K-Palace merken die Kinder meist gar nicht, dass sie gerade lernen. «Kinder sind wie Schwämme, die Neues aufsaugen wollen, deshalb fällt es ihnen besonders leicht, Sprachen zu lernen.» Gelernt wird durch Spiel und Spass. Sei es beim Basteln, Essen oder draussen bei der Betreuung der Tiere – die Sprache wird stets in die Aktivitäten eingebunden. Bilder, Lieder oder Handlungen verankern die gelernten Wörter dann im Gedächtnis der Kinder. «Es ist schön, zu sehen, wie schnell die Kleinen Fortschritte machen und mit wie viel Spass sie bei der Sache sind.» 

Natürlich besteht ihre Aufgabe nicht nur darin, den Kindern die Sprache näherzubringen. Die Zwei- bis Siebenjährigen sollen auch eine Erziehung geniessen, Grenzen kennenlernen und Sozialkompetenzen erfahren. Dabei ist es für Petra Senti wichtig, dass die Eltern nicht das Gefühl haben, sie selbst könnten ihre Verantwortung abgeben. Es gebe viele Familien, bei denen beide Elternteile zu 100 Prozent erwerbstätig seien. «Die Zeit für die Kinder darf dabei nicht auf der Strecke bleiben.» Nur wer den K-Palace als Ergänzung und Förderung der eigenen Erziehung anerkenne, habe auch die Garantie, dass sein Kind auf ganzer Linie profitiere.

Go for it – tu es einfach!

Die Idee für das K-Palace hat Petra Senti aus Dubai mitgebracht. Zwei Jahre hat sie in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate mit einer Österreicherin zusammen einen bilingualen Kindergarten geleitet. Was sie dabei erlebt hat, hat sie überzeugt. Ein arabischer Junge konnte nach einem Jahr fliessend und akzentfrei aus einem deutschen Kinderbuch vorlesen. «Das hat mich fasziniert.» Grund genug, dieses erfolgreiche Konzept mit nach Liechtenstein zu nehmen und im Hinterkopf zu behalten.

Nach zwei Jahren hatte sie Dubai satt. Sie kehrte zurück in ihre Heimat, arbeitete als Gruppenleiterin in der Kita in Triesen und wohnte vorerst in Malbun, im Ferienhaus der Familie. In den drei Jahren Kita verstärkte sich ihr Wunsch, selbstständig zu sein. Und Petra wäre nicht Petra, würde sie dem immer wiederkehrenden Bedürfnis nach Veränderung nicht nachgehen. Eine neue Idee, eine neue Aufgabe – K-Palace war nicht mehr weit. 

Viel Farbe im Alltag

Ganz nach ihrem Motto «Akzeptiere oder verändere» lebt Petra Senti bereits seit der Kindheit. Nicht nur die verschiedensten Lebenssituationen, in denen sie sich bisher befand, mussten stets der Veränderung weichen, auch ihr Inneres und Äusseres waren und sind noch heute in ständigem Wandel. «Ich war halt immer schon die Flippige», erzählt sie. Die Haare hatten bereits jede Farbe, die Kleider wurden kurzerhand angemalt, waren sie ihr zu langweilig – Farbe konnte sie nie genug kriegen. «Ich liebe Farben und ich habe sie heute noch gerne an mir und um mich herum.»

Von drei Mädchen, sie war die Jüngste, «hätte ich eigentlich Peter werden sollen», erzählt sie und lacht. Sie war auch nie wie ein typisches Mädchen, denn was die Jungs konnten, hatte sie schon lange drauf. Man habe ihr damals schon angemerkt, dass sie genau wusste, was sie wollte. Ein Selbstbewusstsein, das sich viele wünschen würden, wurde ihr sozusagen in die Wiege gelegt. «Natürlich haben mich meine Eltern auch darin bestärkt.» Nie habe sie sich unterbuttern lassen, sich immer gewehrt – ob für sich oder für ihre Mitmenschen. Wenn jemand ihre Hilfe benötigte, war sie da. Und das ist heute noch so. «Was ich gar nicht haben kann, ist Ungerechtigkeit – sei es bei Mensch oder Tier.» Dann lernt man die zierliche Frau mit gewaltig viel Power von einer anderen Seite kennen. «Nicht schön», betont sie und lacht.

Freiheit schnuppern und «grün» werden

Sich zur Wehr setzen musste sich die 42-Jährige schon des Öfteren – speziell während ihrer Reisen durch die Welt. Früh packte sie die Reiselust. Die Lehre als Arztgehilfin absolvierte sie im Wissen darum, dass ein Auslandaufenthalt ihr nächstes Ziel sein wird. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen. Einen Tag nach der Diplomübergabe machte Petra Senti ihren Führerschein und bereits ein paar Stunden später sass sie im Flugzeug Richtung London. Drei Monate verbrachte sie damit, Englischvokabeln zu pauken, und trotzdem fühlte sie sich irgendwie frei. 

Zurück in Liechtenstein, begann ihre «grüne Phase», wie Petra Senti die Zeit nennt. Sie wurde zur Vegetarierin und besuchte die Rudolf Steiner Schule für Waldorfpädagogik in Basel. Davon genug, entschied sie sich, die Aufnahmeprüfung zur Sozialpädagogin zu machen. Sie musste jedoch die Zeit bis zum 21. Lebensjahr überbrücken. Das kam ihr durchaus gelegen. Sie packte ihre sieben Sachen und düste wieder davon. Dieses mal ging es nach Amerika, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. 

Positiv naiv, aber glücklich

Wenn Petra Senti heute auf ihre Zeit als «Nomadin» zurückblickt, weiss sie, dass sie viele Schutzengel gehabt hat. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass dafür einer aus­gereicht hätte», schmunzelt sie im Nachhinein. Doch es gab einige Momente, in denen ihr das Lachen mehr als nur verging. In der Wüste Amerikas, in der sie einen Monat lang mit den Cowboys Pferde durch die Prärie trieb, schwamm sie mit Krokodilen, in Los Angeles in der Bronx wurde sie von Männern bis vor ihre Hotelzimmertür verfolgt, und bei einer ihrer Heimreisen verlor sie ihr Hab und Gut – um nur einige der weniger schönen Ereignisse zu nennen. Erfahrungen, die ihr Bewusstsein in vieler Hinsicht geprägt haben. «Ich war positiv naiv. Ich dachte gar nie daran, dass mir etwas passieren könnte.» Auch nach den vielen brenzligen Situationen wurde sie nicht wirklich vorsichtiger. «Ich glaube, dass mich meine Menschenkenntnis oft gerettet hat.» Sie wusste sich in den wichtigen Momenten richtig zu verhalten. 

Kieber und die heilige Kuh

Immer wieder kam Petra Senti zurück nach Liechtenstein oder in die Schweiz, um hier zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das alles nur, um wieder so lange wie möglich abhauen zu können. Ihr Highlight war die Weltreise, die sie 1999 antrat. In Neuseeland besuchte sie Heinrich Kieber. Der Datendieb absolvierte damals gerade seinen Pilotenschein. «Der Typ kam mir sehr suspekt vor», erzählt Petra Senti. Sein Auto sei ihm heilig gewesen. «Wie die Kuh in Indien – man musste sogar die Schuhe ausziehen, bevor man sich hineinsetzte», lacht sie. Auch sein Mountainbike war für Kieber anscheinend alles. «Ich habs mir dann mit meinen Überredungskünsten mal ausgeliehen, kam dann recht spät von der Ausfahrt nach Hause, und alles, was ihn interessierte, war, dass ich sein Bike heil zurückbrachte.» 

Doch es kam noch besser: Nach ein paar Tagen bei Kieber führte ihre Backpacker-Route weiter nach Australien. Dort traf sie auf eine junge Französin, die ihr erzählte, dass sie ebenfalls gerade bei Heinrich Kieber auf Besuch war und dessen Auto ausgebrannt sei. «Mit Schadenfreude dachte ich mir noch: ‹Das geschieht im recht.›» Wie es zum Brand kam, erfuhr sie dann erst 10 Jahre später, als sie sich den Film «Heinrich Kieber – Datendieb» anschaute.

Frei für Verantwortung

Seit dem Jahr 2000 lässt es Petra Senti ruhiger angehen. «Ich reise nur noch in den Ferien ans Meer, möchte aber irgendwann noch eine längere Reise durch Europa unternehmen.» Mittlerweile hat sie auch aus ihren Erfahrungen gelernt und würde sich kaum mehr in so grosse Gefahr begeben, wie sie es in ihrer Jugendzeit gemacht hat. Was sich jedoch nicht geändert hat, ist ihre fröhliche und spontane, freiheitsliebende Art. Dass sie ein Haus gebaut hat, grenzt laut Petra Senti an ein Wunder, denn «Verantwortung war noch nie so mein Ding». Doch mittlerweile sei sie sesshaft geworden und wisse auch die Verantwortung zu schätzen. Denn wie Bob Dylan einst sagte: «Ein Held ist jemand, der die Verantwortung lebt, die mit seiner Freiheit kommt.» (jg)

 

Steckbrief

Name: Petra Senti

Wohnort: Mauren

Alter: 42

Beruf: Sozialpädagogin

Hobbys: Klettern, Kunst, Tiere, das Aussergewöhnliche

Leibspeise: «Kratzete» mit Pudding

Getränk: Weiss-Sauer

TV-Vorliebe: Dokus

Musik: querbeet

Lektüre: Fachliteratur Pädagogik

Stadt/Land? beides

Sommer/Winter? Sommer

Ort: Ochsenkopf

Stärke: Orientierungssinn. «Ich bin besser als das Navi.»

Schwäche: Ein kurzes Langzeitgedächtnis

Motto: «Akzeptiere oder verändere»

Traum: Eine zweite Kinderbildungsstätte im Oberland

 

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