«Jeder Mensch kann sich ändern»
Manuela Haldner-Schierscher ist mit Leib und Seele Sozialarbeiterin. Wenn sie von ihrem Beruf erzählt, dann tut sie dies voller Enthusiasmus und Begeisterung. «Ich empfinde die Zusammenarbeit mit Menschen als sehr spannend und bereichernd», erklärt sie. Doch was die 41-Jährige als spannend bezeichnet, wäre für manch anderen unvorstellbar: Als Bewährungshelferin betreut sie Straftäter. Menschen, die aufgrund ihrer Taten ihren Platz in der Gesellschaft verloren haben, erhalten von Haldner Unterstützung darin, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommn.
Auf Umwegen zur Berufung
Zu ihrer Berufung als Sozialarbeiterin fand die sympathische Schaanerin erst über einige Umwege. Nach ihrem Sekundarschulabschluss begann sie eine Lehre als Chemielaborantin. Trotz erfolgreichem Lehrabschluss sah sich die damals 19-Jährige gezwungen, eine andere Arbeit zu suchen. «Ich konnte meinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben, da ich zu Allergien neigte», erklärt sie. So begann sie eine Zweitausbildung zur medizinischen Masseurin. Eine Arbeit, die ihr durchaus Spass machte, ihr aber nicht das Gefühl vermittelte, «angekommen» zu sein. «Mir gefiel vor allem der Kontakt mit den Menschen. Viele von ihnen haben während der Behandlung so einiges von sich preisgegeben, und das fand ich faszinierend», resümiert Haldner. Als die Masseurin dann während ihrer Arbeit eine Sozialarbeiterin kennenlernte, die über ihren Beruf Auskunft gab, war ihr klar: «Das will ich auch machen.» Nach einem einjährigen Praktikum begann sie mit ihrem Studium an der Höheren Fachschule für soziale Arbeit in St. Gallen.
Keine Scheu vor Kriminellen
Im Laufe ihrer Ausbildung geriet Manuela Haldner zum ersten Mal in Kontakt mit dem gesetzlichen Bereich der Sozialarbeit. Während eines Praktikums arbeitete sie bei der Jugendanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Während sich viele ihrer Kollegen vor diesem Teil des Sozialberufes eher scheuten, entdeckte die Liechtensteinerin, dass sie dafür eine gewisse Affinität besitzt. «Die Sozialarbeit in der Strafrechtspflege ist speziell. Die Geschichten, mit denen man konfrontiert wird, sind manchmal schon etwas heftig. Das ist auch der Grund, weshalb viele vor der Arbeit mit Kriminellen zurückschrecken», berichtet die 41-Jährige.
Den Menschen dahinter sehen
Manuela Haldner schreckte davor jedoch nicht zurück: Gleich nach ihrer Ausbildung arbeitete sie in der Jugendstätte Bellevue Altstätten mit sozial auffälligen jungen Frauen und Mädchen. Danach nahm sie eine Stelle im Sozialdienst in der Strafanstalt Saxerriet an und betreute Menschen im halboffenen Vollzug. Mittlerweile ist sie bei der Bewährungshilfe Liechtenstein tätig und begleitet Straftäter auf ihrem Weg zurück in die Gesellschaft. Dabei schafft die Schaanerin, wozu viele nicht in der Lage sind: Sie sieht in erster Linie den Menschen und nicht das Delikt. «Ich setzte mich mit meinen Schützlingen auseinander und versuche zu verstehen, was sie zu ihrer Straftat bewogen hat», erklärt die Bewährungshelferin. Denn wer von einem Gericht verurteilt wurde, in dessen Leben und Vergangenheit sind bestimmt einige Dinge schiefgelaufen.
«Für meine Arbeit ist es unerlässlich, in die Welt des Verurteilen einzutauchen und dessen Abgründe zu erkunden», erklärt Haldner. «Natürlich lehne ich die Taten ab, aber nicht den Täter. Es ist nicht meine Aufgabe, über sie zu richten.» Schliesslich haben die Betroffenen bereits ihre Strafe erhalten. «Ich sehe es als meine Aufgabe an, vorurteilsfrei an jeden Fall heranzugehen. Wie sonst könnte ich jemandem helfen, eine straffreie Zukunft zu planen?»
Humor hilft
Wie wird meine Familie auf mich reagieren? Kriege ich überhaupt einen Job? Wo soll ich wohnen und was kann ich tun, um nicht wieder straffällig zu werden? Dies sind Fragen, die sich viele verurteilte Straftäter früher oder später stellen. Manuela Haldner hilft ihnen bei deren Beantwortung. Denn sie glaubt fest daran, dass Menschen sich ändern können. «Im Sozialbereich sagt man scherzhaft: Die Bewährungshelfer sind die Letzten, die die Hoffnung aufgeben. Eine Aussage, die oft durchaus zutrifft», erzählt sie. Ihr sei aber auch bewusst, dass nicht jeder den Sprung zurück in die Gesellschaft schaffe. Doch auch wenn nicht alle ihrer Schützlinge den Weg der Rechtschaffenheit zu meistern vermögen, ist die Bewährungshelferin von der Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit überzeugt. «Straffälligkeit spielt sich nicht in einer kleinen Ecke ab, sondern betrifft die Gesellschaft als Ganzes.» Ihrer Meinung nach sei es wichtig, dass sich die Menschen damit auseinandersetzen.
Professionalität und die richtigen sozialarbeiterischen Werkzeuge sind für den Beruf der Bewährungshelferin unerlässlich. Doch ebenso wichtig ist laut Haldner Sinn für Humor. «Ich begegne in meiner Arbeit harten Lebensgeschichten. Oftmals gibt es nichts schönzureden und der Weg zurück in die Gesellschaft kann steinig sein. Da kann Humor helfen», erzählt sie. Er entlaste beide Seiten, helfe, den Draht zu einem Betroffenen zu finden und so die Beziehung zu stärken. «Denn Bewährungshilfe ist in erster Linie Beziehungsarbeit. Es ist wichtig, dass man miteinander klarkommt und auch mal gemeinsam lachen kann. Schliesslich ist die Situation meist schon ernst genug.»
Gesellschaftssatire als Ventil
Sinn für Humor beweist Manuela Haldner nicht nur in ihrem Beruf, sondern auch auf der Bühne. Vor vier Jahren hat sie gemeinsam mit einer Freundin das Kabarett Zwietracht ins Leben gerufen. In symbolträchtigen und karikaturesk überzeichneten Trachten üben die beiden Frauen satirische Gesellschaftskritik vom Feinsten. Als Inbegriff der liechtensteinischen Frau sprechen sie vieles aus, was andere kaum zu denken wagen. Ein Erfolgskonzept: Bereits einige Tage vor der Premiere von «Femme fractale» im TAK war die Vorstellung ausverkauft. Aus diesem Grund wird es am 24. Mai eine Zusatzvorstellung geben.
Die Idee zu «Zwietracht» entstand – wie sollte es anders sein – während eines närrischen Fasnachtsabend. Die Kaberettistin und ihre Freundin Rita Frommelt genossen den Abend, witzelten und stachelten sich an. Eine gemeinsame Freundin meinte daraufhin: «Ihr solltet gemeinsam auftreten.» Gesagt, getan: Kurz darauf gaben die beiden Frauen auf der Geburtstagsparty besagter Freundin das erste Mal eine kleine Vorstellung. Aus einer Blödelei enstand ein ernsthaftes Hobby, auf das Manuela Haldner – solange es ihr Spass macht – nicht verzichten möchte. «Das Kabarett rettet mich über die engen Verhältnisse Liechtensteins hinweg. Denn auf der Bühne darf man ohne Zurückhaltung sagen, was man denkt», erzählt sie lächelnd.
Gegen den Strom
Was sie denkt, teilt Manuela Haldner auch im Schaaner Gemeinderat mit. Im Jahr 2007 wurde die zweifache Mutter als FL-Abgeordnete in den Gemeinderat gewählt. Als einzige Vertreterin ihrer Partei hat sie es aber nicht immer leicht. «Ich versuche meinen Prinzipien treu zu bleiben und für meine Meinungen einzustehen. Das ist nicht immer einfach, denn mir ist bewusst, dass mein Weltbild oft nicht dem der Mehrheit entspricht», erzählt die Schaanerin. Dadurch mache man sich natürlich nicht nur Freunde. Damit hat sie aber keine Probleme. Die 41-Jährige schwimmt lieber gegen den Strom, als sich selbst untreu zu sein. Schwierig empfindet sie hingegen manchmal die Reaktionen aus der Öffentlichkeit. «Nicht jeder kann diesselbe Meinung haben, aber ich finde, es sollte legitim sein, dass man Dinge infrage stellt und Verhältnisse kritisch hinterfragt», hält die Gemeinderätin fest. «Wenn das nicht mehr möglich ist, dann ist die Demokratie tot.»
Familie an erster Stelle
Wie die obigen Zeilen belegen, ist Manuela Haldner sehr aktiv und geschäftig. Doch an erster Stelle stehen für sie ihre Kinder Andrin (11) und Florina (9) sowie ihr Mann Patrick. Mit ihm ist sie seit 14 Jahren glücklich verheiratet, und sie weiss, was sie an ihm hat: «Ohne seine Unterstützung wäre vieles für mich nicht unter einen Hut zu bringen», erzählt die zweifache Mutter. Sie könne sich stets auf Patrick und auf ihr familiäres Umfeld verlassen. Ob es nun bei ihrer Arbeit als Bewährungshelferin, ihren Auftritten als Kaberettistin oder bei ihrer Tätigkeit als Gemeinderätin ist. «Und das ist ein gutes Gefühl» fügt sie abschliessend hinzu. (sb)
Steckbrief
Name: Manuela Haldner-Schierscher
Wohnort: Schaan
Alter: 41
Zivilstand: Verheiratet
Beruf: Sozialarbeiterin
Hobby: Kabarett Zwietracht
Leibspeise: Italienische Mittelmeerküche
Getränk: Eiskaltes Schaaner Wasser «vom Hahna»
TV-Vorliebe: Nordische Krimis
Musik: Tango, «Die Toten Hosen»
Stadt/Land? Ein Trip in die Stadt, leben auf dem Land
Sommer/Winter? «Ich mag die Abwechslung»
Lieblingsort: «Unterm Ahorn auf der Terrasse»
Stärke: «Meine Vielseitigkeit»
Schwäche: Ungeduld
Mein Wunsch für die Zukunft: «Dass Menschen, Tieren und unserer Umwelt wieder mehr Wertschätzung und Achtsamkeit entgegengebracht wird.»
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«Liewo-Porträt»