«Je schräger, desto besser»
Dä Jakob vom Bärätobäl» ist ein Rap, den man sich am besten selbst auf YouTube ansieht, denn er ist unbeschreiblich – unbeschreiblich schlecht für die einen, unbeschreiblich gut für die anderen oder einfach nur: unbeschreiblich. Auf jeden Fall benötigt es viel Kreativität, so ein Musikvideo herzustellen, und viel Mut, eine solche Eigenkomposition zu veröffentlichen und Kritik einzustecken. Lorenza Huber ist davon bis jetzt zum Glück verschont geblieben. Ihre Verwandten und Bekannten sind eher überrascht von Lorenzas neuer Leidenschaft fürs Rappen. Die 22-Jährige spielt nämlich seit zehn Jahren Didgeridoo und seit?Neustem auch Alphorn.?Sie hatte schon immer ein Faible für Urchiges. «Je schräger, desto besser», sagt sie. Mit 12 Jahren besuchte sie einen Kurs, um ein Didgeridoo zu bauen, die Zirkularatmung zu üben und die Grundtöne zu lernen. Auf dieser Basis baute das Mädchen auf und begann, auf den ersten Familienfesten zu spielen.
Das Alphorn für sich entdeckt
Lorenza Huber ist in Mastrils im Kanton Graubünden mit drei älteren Geschwistern auf einem abgelegenen Bauernhof aufgewachsen. Die erste Klasse besuchte sie noch in Mastrils, bevor ihre Familie nach Gams zog. Hier beendete sie die Grundschule und absolvierte anschliessend eine dreijährige Lehre als Staudengärtnerin. Lorenza Huber erklärt: «Mich haben mehrjährige krautige Pflanzen fasziniert.»
Anschliessend absolvierte sie eine Zweitausbildung zur Landwirtin. Auf dem Bauernhof, auf dem sie das einjährige Praktikum machte, entdeckte sie das Alphornspielen für sich. «Der Bauer spielte Alphorn. Der einzigartige Klang und das urchige Aussehen des Instruments gefielen mir so gut, dass ich mir selbst eins kaufte», erzählt Lorenza Huber mit strahlenden Augen.
In einer Baumschule tätig
Das Technische und der Umgang mit den Tieren lag Lorenza Huber schliesslich doch nicht so, wie sie gedacht hattte, und so beendete sie ihre Arbeit als Landwirtin drei Monate nach erfolgreichem Abschluss der Zweitausbildung. Die Freude am Alphorn ist ihr dabei nicht vergangen: Die gelernte Staudengärtnerin verbindet das Alphornspielen gerne mit dem Wandern. Sie hat das grosse Blasinstrument bereits auf den Margelkopf, die Staubern und den Alvier geschleppt. Lorenza Huber lächelt: «Das ist zwar sehr anstrengend, aber immer ein Erlebnis.» Sie geniesst es, in der freien?Natur zu spielen und tolle Gespräche mit anderen Wanderern zu führen.
Die offene, direkte und gesellige junge Frau sucht immer neue Herausforderungen. Da sie gerne körperlich und in der Natur arbeitet, erkundigte sie sich bei der Baumschule Lubera in Buchs nach einer Arbeitsstelle. Keine Woche später konnte sie mit der Arbeit beginnen. Seither macht sie Kulturarbeiten an Obstbäumen, Rosen sowie Beerensträuchern und bereitet Bestellungen für die Landi und Privatkunden vor. «Mir gefällt die Arbeit bei der Baumschule sehr. Besonders freue ich mich über das Sortiment, das immer vielseitiger wird», erzählt sie.
Von «Bligg» inspiriert
Die 22-Jährige sucht noch nach ihrer Bestimmung. Da ihre Eltern beide selbstständig sind, ist auch Lorenza Huber auf den Geschmack gekommen: «Wenn man selbstständig ist, muss man zwar mehr arbeiten als ein Angestellter, dafür kann man machen, was man will.» Sie hat daher in ihrer Freizeit drei eigene Projekte aufgegleist, mit denen sie sich verwirklichen möchte. Das Neuste ist das Komponieren und Rappen eigener Songs unter dem Künstlernamen «Loräp». In ihrem ersten Rap «Dä Jakob vom Bärätobäl» singt sie über einen alten, kurligen Mann, der seinen ganzen Haushalt mit Alteisenwaren mechanisiert.
Der Text ist eindrücklich – auf dem Musikvideo, auf dem sie «Dä Jakob» persönlich verkörpert, aber nur schwer zu verstehen. «An der Technik muss ich noch feilen», ist sich Lorenza Huber bewusst. Sie hat sich aus zwei Gründen für das Rappen entschieden: Mit dem Rap kann sie Urchiges mit Modernem kombinieren und – sie lächelt – «ein Rap ist einfacher zu komponieren, da der Text nicht genau zu der Melodie passen muss.» Lorenza Huber erzählt, dass «Bligg» sie inspiriert habe. Die 22-Jährige schreibt bereits an weiteren Songtexten und deren Hintergrundmusik. «Es stehen weitere Songs über Dauermotzer und gescheiterte Liebe an», verrät die junge Frau. Sie faszinieren spezielle Menschen und zwischenmenschliche Beziehungen.
Angehende Imkerin
Das zweite Projekt von Lorenza Huber hat mit der Imkerei ihrer Familie zu tun. Ihr Vater, Imker von Beruf, betreut über 100 Bienenvölker, von denen sie nun zwei übernommen hat. Die 22-Jährige besucht seit einem jahr einen Imkerkurs, um das imkerliche Handwerk zu festigen. Von ihrer Mutter, die Naturkosmetik herstellt, hat Lorenza Huber ihre dritte Idee: Sie möchte getrocknete Beeren herstellen und zum Beispiel als Müsli-Zusatz oder – mit Schokolade überzogen – zum Naschen verkaufen. Den Pflanzplatz hat sie bereits auf dem grossen Feld ihrer Eltern vorbereitet und eine Dörrmaschine gekauft. «Jetzt müssen die Beeren nur noch gepflanzt werden», strahlt sie.
Zurzeit beschäftigt sich Lorenza Huber am liebsten mit dem Komponieren. «Ich hatte schon immer grosse Freude an der Musik», erzählt die junge Frau, die bereits als Teenager gerne Lieder zum Besten gab, die sie selbst gedichtet hatte. Ihr Traum ist es, einmal eine CD herauszugeben und vielleicht schon bald mit einem Partner auf der Bühne zu stehen. Was zunächst naiv klingt, ist in Wirklichkeit ein Versuch von Selbstverwirklichung.
Vielleicht nur im Moment aktuell
«Ich habe durchaus Sinn für Spekulationen, bin aber trotzdem realistisch», erzählt Lorenza Huber. Sie gibt zu, dass ihre Projekte schlicht und einfach Tätigkeiten sind, die sie im Moment mit Leidenschaft verfolgt und dabei versucht, Rendite zu erzielen. Die aufgeweckte Wahl-Gamserin ist sich bewusst, dass sich ihre Projekte in drei verschiedene Richtungen entwickeln können: Entweder sie verlaufen sich im Sand, weil sie keine Zeit oder ensthaftes Interesse mehr daran hat; sie bleiben ein Hobby und somit ein wichtiger Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung oder – und das wäre ihr am liebsten – die neu entdeckte Leidenschaft entwickelt sich über einen langen Zeitraum hinaus zu einem rentablen Geschäft. Lorenza Huber lacht: «Kurz gesagt, ich bin selbst gespannt, was aus den Projekten wird.» (hl)
Steckbrief
Name: Lorenza Huber
Wohnort: Gams
Alter: 22
Beruf: Gelernte Staudengärtnerin und Landwirtin
Hobbys: Didgeridoo und Alphorn spielen, Wandern, Komponieren, Konzerte und Tanzen
Leibspeise: Couscous, Rindfleisch und Tomaten-Mozzarella-Salat
Getränk: Heisser Kakao
TV-Vorliebe: Spielfilme bei Arte, Tierfilme
Musik: Ska, keltische Musik, Rock, Schweizer Mundart-Rap
Lektüre: Zeitschriften über Botanik, Natur und Psychologie
Stadt/Land? «Auf die Dauer bevorzuge ich das Land.»
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Wald, Fabriggli
Stärke: «Ich bin interessiert,natürlich und kreativ, …
Schwäche: … aber auch unpünktlich, launisch und ungeduldig.»
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«Liewo-Porträt»