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«Ich würde sofort wieder couchsurfen»

Marc Smith aus Altstätten hat schon viele Erfahrungen mit Couchsurfing gesammelt ? sowohl als Gastgeber als auch als Gast. Auf seiner Reise nach Neuseeland hat er auf zahlreichen Couchs geschlafen und dabei so manchen interessanten Menschen kennengelernt.

Marc Smith ist 24 Jahre alt, arbeitet bei der Hilti AG in Buchs und hat gerade ein berufsbegleitendes Studium zum Systemtechniker an der NTB Hochschule für Technik in Buchs begonnen. Davor gönnte er sich eine sechsmonatige Auszeit. Mit dem Ziel, seine Verwandten in Neuseeland zu besuchen, machte er eine kleine Weltreise.

Erste Erfahrungen als Gastgeber

Marc Smith wollte günstig reisen und meldete sich daher bei couchsurfing.org an. Ein Arbeitskollege hatte ihm von diesem Gastfreundschaftsnetzwerk erzählt. Um erste Erfahrungen mit Couchsurfing zu sammeln, trug sich Smith zuerst selbst als Gastgeber ein. Er wohnte damals alleine in Widnau. Seine ersten Gäste waren zwei Jungunternehmer aus Deutschland, die auf Geschäftsreise waren. «Ich verstand mich prächtig mit den beiden Männern. Sie waren nicht viel älter als ich und kamen abends gerne in eine Beiz mit», erzählt der 24-Jährige.

In der Wohngemeinschaft seiner Freunde stiess er ausserdem auf einen Couchsurfer aus Österreich, der als Sicherheitskraft an der Rhema in Altstätten angestellt war. Marc Smith lacht: «Er war weder ein ‹Kasten› noch hatte er eine versteinerte Miene – für einen Security hätte ich ihn nie gehalten.» Smith tauschte sich mit dem Besucher aus und erfuhr dabei, dass der Sicherheitsbeauftragte ursprünglich ausgebildeter Koch war und mit Couchsurfing durch ganz Spanien gereist ist. Spätestens nach diesem Gespräch war für den damals 23-Jährigen klar: «Ich muss unbedingt auch einmal couchsurfen.»

Die Wohnung überlassen

Im Juli 2010 trat Marc Smith seine Reise nach Neuseeland an. Die ersten drei Wochen begleitete ihn ein Freund. «Unglaublich, was wir dabei erlebt haben», beginnt der Student seine Erzählung. 

In Zagreb, Kroatien, fanden die beiden eine Couchsurfing-Gelegenheit in einer Einzimmerwohnung. Der Gastgeber sei ein grosser Musikfan gewesen und zeigte ihnen bereits am ersten Abend seine ganze Schallplattensammlung. Die drei jungen Männer unterhielten sich die halbe Nacht. Smith reisst seine Augen weit auf, als er weitererzählt: «Am nächsten Morgen drückte uns der Gast­geber doch tatsächlich seine Hausschlüssel in die Hand und sagte, dass er auf eine Geschäftsreise müsse.» Marc Smith und sein Freund konnten es kaum fassen: Ein wildfremder Mann überlässt ihnen einfach so seine Wohnung für fünf Tage – das musste Vertrauen sein. «Zum Dank füllten wir ihm den ganzen Kühlschrank mit Bier», lacht der 24-Jährige. 

Ohne Verpflichtung

Couchsurfing ist kostenlos – vom Anmelden auf der Homepage (www.couchsurfing.org) bis zur Übernachtung. «Wenn es uns sehr gefallen hat, haben wir uns mit einem kleinen Geschenk erkenntlich gezeigt, aber das ist kein Muss», erzählt Marc Smith und lächelt. Er erinnert sich, dass die Jungunternehmer als Dankeschön ein Wärmebild von seiner Wohnung machen wollten. «Bei einer Veganer-WG habe ich zum Dank einmal vegan gekocht, und bei einem Paar habe ich den Küchendienst übernommen», erzählt Smith weiter.

Für den Gast sei es weder ein Muss, sich in irgendeiner Form erkenntlich zu zeigen, noch müsse sich der Gastgeber mit dem Besucher abgeben: «Man muss das Risiko eingehen, dass der Gastgeber keine Zeit hat.» Dann müsse man die Stadt eben selbst erkunden, was ja auch nicht schade. Marc Smith hat jedoch immer Glück gehabt. Jeder Gast­geber habe sich Mühe gegeben. «In Wien zum Beispiel nahm mich ein Geschichtsstudent auf ein Fest seines Fussballvereins mit, in Prag war ich bereits am ersten Abend an eine Geburtstagsparty eingeladen», erklärt der angehende Systemtechniker. Nachdem er sich zuerst komisch vorkam unter den vielen tschechisch sprechenden fremden Menschen, verständigte er sich schliesslich gut mit Englisch sowie mit Händen und Füssen. Dabei erfuhr er, dass der Bruder einer Anwesenden in Buchs wohnt und in Liechtenstein arbeitet. «Ein unglaublicher Zufall, die Welt ist wirklich klein.»

Gastgeber befriedigt sich selbst

Auf einer Reise wurde Marc Smith einmal von einem Gastgeber angeschrieben, der ihm von sich aus eine Schlafgelegenheit anbot. Er gab sich als Südtiroler aus, der als Lehrer in Tschechien arbeite und auf der Couchsurfing-Homepage sah, dass sich Smith in der Nähe aufhielt. «Ich freute mich, dass ich mir das Suchen ersparen konnte», so der junge Couchsurfer und schüttelt daraufhin den Kopf. «Ich hätte eigentlich da schon merken müssen, dass etwas faul ist.» Nachdem Marc Smith zusagte, verlangte der Südtiroler ein Foto von ihm, damit er ihn erkenne. Smith schickte ein Foto, auf dem er ein T-Shirt mit einem Regenbogen trug. Der Gastgeber fragte ihn daraufhin, ob er schwul sei. «Ich verneinte, fragte jedoch, ob das denn ein Problem wäre, worauf er das Thema wechselte», erzählt Smith.

Nichtsdestotrotz: Marc Smith machte sich keine weiteren Gedanken und fuhr nach Brünn. Der erste Abend mit dem Gastgeber begann gemütlich: Sie setzten sich ins Wohnzimmer und unterhielten sich. Smith erzählte von seiner bisherigen Reise, worauf ihn der Südtiroler unverblümt fragte, ob er unterwegs bereits mit vielen Frauen geschlafen habe. «Ich antwortetete, dass ich eine Freundin habe und wechselte das Thema», erzählt der 24-Jährige. Dann habe der Gastgeber vorgeschlagen, gemeinsam Pornos anzusehen. Marc Smith verliess darauf den Raum, ihm wurde es zu viel. Als er einige Minuten später wiederkam, traute er seinen Augen kaum: «Mein Gastgeber sass vor dem Computer und befriedigte sich selbst.» Den Rest des Abends verbrachte Marc Smith in der Küche und grübelte über sein weiteres Vorgehen.

Wie ein umgedrehter Handschuh

«Auf der einen Seite fand ich die Situation äusserst unangenehm, auf der anderen Seite in irgendeiner Form amüsant», erzählt Marc Smith. Er entschied sich schlussendlich, zu bleiben – aus zwei Gründen: «Erstens wollte ich mich nicht durch dieses Verhalten vertreiben lassen und zweitens wollte ich wissen, wie weit er wirklich gehen würde.» Die Prostituierte, die der Gastgeber kommen lassen wollte, sei auf jeden Fall nie aufgetaucht. Marc Smith schmunzelt: Das Interessante an der ganzen Sache sei gewesen, dass der Lehrer der Einzige war, der ihm seinen Haustürschlüssel nie überliess. «Ich musste immer mit ihm abmachen, damit er zu Hause war, wenn ich von den Besichtigungen zurückkam», erinnert er sich, «das Beste kommt aber erst noch.»

Eines Abends brachte der Gastgeber in Brünn eine Frau mit nach Hause, eine Holländerin, die an derselben Schule arbeitete wie er. «Er war wie ein umgedrehter Handschuh, nett und sehr zuvorkommend», schmunzelt Smith. Ausserdem sei der grosse Stapel Pornohefte im WC plötzlich verschwunden gewesen. «Wenn ich eine Frau gewesen wäre, hätte ich meine Sachen am ersten Abend wieder gepackt», gesteht der 24-Jährige, aber er fand es spannend, die beiden Seiten des Gastgebers zu erleben.

Bewertungen beachten

Marc Smith erfuhr auf seiner weiteren Reise, dass das Profil dieses Südtirolers in Brünn gelöscht wurde. «Beim Couchsurfing kann man Gastgeber und Gäste bewerten – wer negative Rückmeldungen erhält, wird ausgeschlossen», erklärt Smith. Es sei daher wichtig, dass man die Bewertungen der Couchsurfer berücksichtige. Trotz des Restrisikos kann der 24-Jährige Couchsurfing nur weiterempfehlen. «Ich würde bei meiner nächsten Reise sofort wieder couchsurfen», schwärmt er. (hl)

 

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