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«Ich liebe es, wenn der Winter so richtig wehtut»

Andrea Hasler war lange Zeit für den LSV auf den Skipisten Europas unterwegs. Der C-Kader war bis zu ihrem 20. Lebensjahr ihre zweite Familie, bis ein Unfall ihren Traum vom grossen Skizirkus stoppte. Eine Neuorientierung stand an.

Sie liebt den Winter, er kann ihr nicht kalt genug sein. Während die meisten jetzt schon vor Kälte zittern und sich fragen, was sie bei Minusgraden denn noch anziehen könnten, um nicht zu erfrieren, fühlt sich Andrea Hasler derzeit «wie im zweiten Frühling». «Erst wenn ich morgens den ersten Schritt nach draussen mache, die kalte Luft einatme und es schmerzt so richtig in der Nase – erst dann ist der Winter da und ich fühle mich so richtig wohl», erzählt die 25-jährige Liechtensteinerin und lacht.

Das schneidet sich irgendwie mit der Tatsache, dass Andrea Hasler eigentlich aus Brasilien stammt, einem bekanntlich sehr warmen Land. Doch wenn man Andrea anschaut, weiss man: die junge Frau trägt die Sonne im Herzen, und das macht sie höchstwahrscheinlich gegen die klirrende Kälte resistent.

Wieder zu Hause angekommen

Den zweiten Frühling erlebt Andrea Hasler gerade auch durch ihren neuen Job. Seit August arbeitet sie für den Liechtensteinischen Skiverband (LSV) als Administratorin. Als Mädchen für alles, wie sie sich selbst gerne bezeichnet, reicht ihr Aufgabenbereich von der Athletenbetreuung bis hin zur Eventorganisation. Diese Abwechslung, die sie in ihrem Job erlebe, gefalle ihr sehr gut. «Jeder Tag ist spannend, weil er anders ist. Komme ich morgens ins Büro, weiss ich nicht, was mich alles erwartet. Das ist genau mein Ding», freut sie sich. Natürlich gebe es noch einiges, das sie lernen müsse. Dabei komme ihr jedoch ihre Erfahrung als ehemalige Athletin zugute. «Da ich selbst lange Ski gefahren bin, kann ich mich bei meiner Arbeit gut in die Athleten hineinfühlen und versuche so, ein Umfeld für sie zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlen.»

Andrea Hasler fühlt sich wieder zu Hause. Sie freut sich, wieder Teil der Skifamilie zu sein, wenn auch nicht mehr als Athletin. «Es ist ein schönes Gefühl, wieder hier zu sein. Auf diese Weise kann ich dem Verband, der mich in der Verangenheit so sehr unterstützt hat, etwas zurückgeben.» Das Feedback der LSV-Familie sei gigantisch gewesen. «Alle haben sich so sehr darüber gefreut, mich wieder zu haben. Das hat mich sehr berührt.» Die Motivation für ihren neuen Job sei damit noch grösser geworden. «Was gibt es Schöneres, als morgens aufzustehen und sich auf seine Arbeit zu freuen?» 

Abwechslung muss sein

Dass Andrea Hasler viel Abwechslung im Alltag braucht, rührt daher, dass sie in all den Jahren, als sie mehr oder weniger auf den Skiern stand, einiges erlebte. «Zwar ist dir bewusst, dass beispielsweise die ganze Woche Training auf dem Programm steht, aber das Wetter ist immer anders und damit verändert sich auch die Piste. So weisst du nie, was auf dich zukommt.» Es sei ein stressiger Job, man sei ständig unterwegs, habe kaum Zeit für sich und es laufe immer etwas. «Das hat mich aber nicht gestört. Es war meine Welt. Ich war das von klein auf gewohnt.» 

Bereits im Alter von drei Jahren steht Andrea Hasler auf den Skiern. Ein Ferienhaus in Steg, zahlreiche Urlaube in verschiedenen Skigebieten und ihre Eltern, die den Wintersport lieben, bringen es mit sich, dass sowohl Andrea als auch ihre Schwester Carmen früh dem Skiklub beitreten und dort auch erste Rennen fahren. Während Andrea plötzlich die Leidenschaft für das Skifahren packt, bleibt der Sport für ihre Schwester Carmen bis heute ein Hobby. «Meine Schwester fährt sehr gut Ski. Ich bin überzeugt, dass sie damals schon ein grosses Talent war. Aber jeder entscheidet für sich, welchen Weg er gehen möchte.» So bedauert sie den Entscheid ihrer Schwester keinesfalls. 

Ein Herzensentscheid, der schmerzt

Auch ihren eigenen Entscheid, 2006 ihre Karriere zu beenden, hat sie bis heute nicht bereut. Nach einem Unfall auf der Piste 2004 bricht sie sich Schien- und Wadenbein. Die Verletzung will einfach nicht ganz verheilen und so beschliesst Andrea Hasler schweren Herzens, die angestrebte Profikarriere an den Nagel zu hängen. «Es war mir einfach nicht mehr möglich, vollen Einsatz zu bringen. Da ich keine halben Sachen machen wollte, habe ich mich schlussendlich gegen das Skifahren entschieden.»

Lange Zeit hat sie Mühe, mit dieser Entscheidung zu leben. «Zuerst habe ich es richtig genossen. Plötzlich keine Trainings mehr, Zeit für mich, für meine Freunde – das war toll.» Doch dann kommt der Alltag. Sie wird nachdenklich und vermisst plötzlich, woran sie sich all die Jahre gewöhnt hatte. «Wenn man für etwas lebt und das dann plötzlich nicht mehr da ist, gerät man ins Straucheln.» Auch zu sehen wie Marina Nigg, Jessica Briker-Walter oder Sarah Allgäuer-Schädler ihre Karrieren fortsetzen, war für Andrea Hasler schwer. «Natürlich schaue ich den Mädels gerne zu und freue mich auch über jeden Erfolg, den sie haben. Doch damals fiel es mir sehr schwer, mit der Tatsache zu leben, dass das bei mir nicht mehr möglich ist.» Der Gedanke: «Da könnte ich nun auch sein» sei für sie lange Zeit sehr präsent gewesen.

«Daniels Wort zählte»

Dass solch eine Wende im Leben einer 20-jährigen Frau nicht einfach zu verdauen ist, kann man sich vorstellen. Schliesslich hat Andrea Hasler jahrelang sehr hart für ihre Karriere trainiert. Im Alter von sieben Jahren war sie beim Unterländer Wintersportverein (UWV) dabei. Damals war ihr Cousin Daniel Hasler dort Trainer. «Er hat mich trainiert, mir Tipps gegeben, mich unterstützt und gefördert.» Für diese Unterstützung ihres Cousins, der 2008 bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam, ist Andrea Hasler heute noch mehr als nur dankbar. «Daniel war auch während der LSV-Jahre als Juniorentrainer immer an meiner Seite», erzählt sie. Sein Wort hatte bei ihr Gewicht. «Nach jedem Rennen hat mich mein Vater gefragt: ‹Und, was hat Daniel dazu gesagt?› – War er zufrieden mit mir, war ich auch zufrieden.» 

Auch ihr Vater und ihre ganze Familie  habe sie durch diese Zeit getragen. «Es ist schon Wahnsinn, wie selbstverständlich es für meine Eltern war, mich zu unterstützen», staunt Andrea Hasler noch heute. Seien es nun die ganzen Kosten für Schule, Material etc. gewesen oder auch die Zeit, die sie investiert hätten – «das war nie ein Thema». Ihr Vater habe stundenlang im Keller verbracht, um ihre Skier zu präparieren, ihre Mutter habe sie ständig zu den Trainings gefahren, und beide hätten meist an der Zieleinfahrt gestanden und sie angefeuert. «Für all das bin ich ihnen unendlich dankbar.»

Lebensschule für die Zukunft

Wenn Andrea Hasler zurückblickt, merkt sie, dass sie aus der Zeit als aktive Skirennfahrerin einiges mitgenommen hat. «Ich habe früh gelernt, selbstständig zu sein.» Ihre Mutter habe ihr ein-, zweimal gezeigt, wie sie ihre Tasche packen muss – «dann musste ich es selbst können». Sie war während der Zeit im Skigymnasium Stams, als sie im Alter von 15 bis 19 Jahren praktisch im Tirol wohnte, auf sich allein gestellt. 

Das Gefühl, etwas verpasst zu haben, hat sie nicht. «Es war, besonders in der Realschule, oft schwierig, da ich keine Zeit für meine Freunde hatte. Da habe ich mich manchmal schon ausgegrenzt gefühlt. Aber da muss man drüber stehen.» Und sie war damals schon selbstbewusst genug, um auch diese Hürde zu meistern, denn sie wusste ja, wofür sie das alles macht. Im Skigymnasium sei dies kein Thema mehr gewesen, «da dort ja alle das gleiche Ziel verfolgen».

Rundum glücklich

Ihr Selbstbewusstsein ist in den Jahren weiter gewachsen, und wenn Andrea Hasler in die Zukunft blickt, weiss sie, dass sie am richtigen Ort ist. Sie ist wieder zu Hause angekommen. Und dort gibt es ebenfalls einiges zu tun. Derzeit steht die Organisation der 75-Jahre-Jubiläumsfeier des LSV, die am 10. Dezember im SAL in Schaan stattfindet, auf dem Programm. «Das wird eine riesengrosse Party. Wir freuen uns alle schon darauf.» Ansonsten wartet Andrea Hasler sehnlichst darauf, dass die Eiseskälte über Liechtenstein hereinbricht, der erste Schritt ins Freie wieder wehtut und sie auf die Piste kann, denn «einmal Rennläuferin, immer Rennläuferin», lacht sie. (jg)

 

Steckbrief

Name: Andrea Hasler

Wohnort: Mauren

Alter: 25

Beruf: Administration LSV

Hobbys: Freunde treffen, Skifahren

Leibspeise: Italienische Küche

Getränk: Eistee

TV-Vorliebe: «Two and a half men»

Musik: Rock und Metal

Lektüre: Landeszeitungen

Stadt/Land? Land

Sommer/Winter? Winter

Ort: «Dahom ischs am schönschta.»

Stärke: «Ich bin sehr ehrgeizigig und gebe nicht so schnell auf.»

Schwäche: Ungeduldig

 

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