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«Ich habe immer einen Plan B»

Brigitte Schmid aus Grabs wollte schon immer viele Kinder haben. Als dies schliesslich auf natürlichem Weg nicht gelang, entschied sie sich für eine künstliche Befruchtung. Diese war ein voller Erfolg. Das Glück währte jedoch nicht lange.

Brigitte Schmid begleitet Primarschüler beim Schwimmunterricht, engagiert sich beim Unihockey-Club Grabs, arbeitet einmal in der Woche im Büro und organisiert gerne Ausflüge für ihre Kinder und deren Freunde. Im Sommer springen die Schützlinge der halben Nachbarschaft in ihrem Garten auf dem Trampolin herum. An den Geburtstagsfeiern ihrer Jungs unterhält sie jeweils 10 bis 20 Kinder. «Ich brauche diesen Rummel», erzählt Brigitte Schmid mit strahlenden Augen. Die Mutter, die morgen 43 Jahre alt wird, liebt Kinder über alles – schon damals, als sie mit einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder auf einem Bauernhof in Haag aufgewachsen ist. Ihr Traumberuf war Kinderpflegerin. Da ein Haushaltslehrjahr im Welschland vorausgesetzt wurde und die Ausbildung relativ teuer war, entschied sie sich, Textilverkäuferin zu werden.

Unerfüllter Kinderwunsch

1986 pachteten Brigitte Schmids Eltern einen Bauernhof in Grabs, dann ging alles Schlag auf Schlag: Nach einem Jahr beendete die damals 18-Jährige ihre Lehre und zog in eine 3-Zimmer-Wohnung in Grabs. «Ich hatte es gut zu Hause, wollte aber endlich eine eigene Wohnung und ein eigenes Auto – kurz: Freiheit», erklärt Brigitte Schmid. Alleine blieb sie aber nicht lange. Kein Jahr später lernte sie ihren heutigen Ehemann Köbi kennen. Bald kauften sie das Haus, in dem sie heute noch wohnen, und heirateten.

Brigitte Schmid schien ihrem Traum vom eigenen Kind sehr nahe, doch sie wurde nicht schwanger. Schliesslich stellte ein Arzt fest, dass ihr Mann durch seinen Diabetes zeugungsunfähig ist. Die Ehe von Brigitte und Köbi schien zu scheitern. Als sie 29 Jahre alt war, wurde die junge Frau von ihrer Frauenärztin auf die In-vitro-Fertilisation aufmerksam gemacht. Brigitte Schmid: «Die künstliche Befruchtung war unsere letzte Chance.»

Kurzer Halt bei den «Moschtgügelern»

Brigitte Schmid unterzog sich der intensiven Behandlung, obwohl sie panische Angst vor Spritzen hat. Zur Ablenkung trat sie der Triesner Guggenmusik  Moschtgügeler bei. «Ich habe immer einen Plan B», erklärt sie. Falls die künstliche Befruchtung nicht klappen sollte, würde sie bei der Musik und der lustigen Gesellschaft Halt finden. Die junge Frau konnte die Saison jedoch nicht zu Ende spielen, denn die In-vitro-Fertilisation glückte: sie wurde endlich schwanger – und das mit Zwillingen. Die werdenden Eltern freuten sich riesig.

Am 11. Juni 1999 war es dann so weit: Die Mutter aus Leidenschaft gebar zwei gesunde Kinder, ein Mädchen namens Jamie Michelle und einen Jungen mit dem Namen Florin Marino. «Das Mädchen war mein Ebenbild, es war robust gebaut und hatte rote, lockige Haare», erinnert sich Brigitte Schmid. Ihr Junge schien eher schwächer und konnte pro Tag bis zu drei, vier Stunden schreien, während Jamie mit einem Lächeln im Gesicht in der Wiege lag.  Brigitte Schmid erzählt, wie Mitmenschen sie bewunderten, da sie  die Erziehung der Zwillinge mit links meisterte. Die Kinder gediehen prächtig und feierten ihren ersten und zweiten Geburtstag mit viel Freude. Doch bereits den dritten musste Florin allein erleben.

Unvorhersehbarer Tod

Wie das Geburtsdatum ihrer Zwillinge wird Brigitte Schmid den 19. Februar 2002 nicht mehr vergessen. «Es war ein Montag», weiss sie noch genau. Jamie bekam plötzlich Fieber, das die fürsorgliche Mutter mit Essig-socken zu lindern versuchte. Als es dem kleinen Rotschopf bis zum Abend nicht besser ging und blaue Flecken auf seiner Haut zu sehen waren, rief die Mutter sofort ihren Nachbarn Thomas Locher, der Arzt ist, zur Hilfe. Er wies die Kleine sofort ins Spital Grabs ein. Mit Blaulicht wurden Brigitte Schmid und ihre kleine Tochter anschliessend nach St. Gallen gefahren. Ihre Augen werden feucht, als sie sich erinnert: «Jamie sagte mir auf der Fahrt, dass es im Krankenauto wie in einem Flugzeug aussehe und wir in den Himmel fliegen sollen.» Brigitte Schmid besuchte kurz zuvor mit ihren Zwillingen das Flugzeugmodell auf dem Kinderspielplatz am Flug­hafen Zürich-Kloten.

Jamie starb wenige Minuten später an einer Hirnhautentzündung. Brigitte Schmid hielt ihr Kind noch stundenlang in den Armen und konnte es nicht fassen, dass sie eines ihrer Kinder, auf die sie so lange gewartet hatte, wieder hergeben musste. Die Ärzte können sich bis heute nicht erklären, wie es passieren konnte. Das Mädchen hatte neun von zehn Symptomen nicht und war am Tag zuvor noch wohlauf. «Wir waren am Sonntag noch an einem Fasnachtsumzug, vielleicht hat sie die Entzündung dort aufgelesen», stellt die Mutter Vermutungen an. Obwohl ihr die Ärzte versicherten, dass sie nicht anders gehandelt hätten, fragt sie sich manchmal heute noch, ob man etwas hätte tun können. 

Von Herzen dankbar

Brigitte Schmid fiel damals in ein tiefes Loch. Ihr Sohn Florin war für sie damals der einzige Grund, weiterzuleben. Obwohl sie wusste, dass niemand  Jamie  ersetzen konnte, wollte sie weitere Kinder. Die ganze Behandlung begann wieder von vorne, was nicht nur eine nervenaufreibende, sondern auch eine kostspielige Angelegenheit war. «Ich bin jenen Menschen, allen voran meiner Familie und engsten Freunden, ewig dankbar, dass sie mich damals emotional sowie finanziell unterstützt haben», sagt Brigitte Schmid. 14 Monate nach dem Tod ihrer Tochter brachte  sie ihren zweiten Sohn Severin Damian zur Welt. «Es ist ein wahres Wunder, dass er trotz meiner schlechten Gemütsverfassung so gesund und munter wurde», freut sich die 43-Jährige heute noch. Auch Mischa Alexander, der sieben Jahre alt wird, gebar sie zwar schnell, aber nicht ohne Komplikationen.

Der Verlust von Jamie wird Brigitte Schmid immer Schmerzen bereiten, aber ihre drei Jungs haben ihr wieder Lebensfreude geschenkt. Um anderen Menschen ein Stück davon weiterzugeben, was ihr geschenkt wurde, engagiert sie sich in verschiedenen Organisationen, zum Beispiel dem Samariterverein Grabs. «Mir gefällt dort, dass man anderen Menschen helfen kann und gleichzeitig viel für sich selbst lernt», erzählt die Samariterin. Sie ist in der Alarmgruppe und unterstützt zum Beispiel bei einem Brand die Feuerwehr bei der Versorgung der betroffenen Personen.

Schwimmbad Salez geführt

Ein neues Projekt startete Brigitte Schmid 2008. Eine Freundin fragte sie, ob sie mit ihr das Schwimmbad Salez führen würde. Brigitte sagte zu und ist heute stolze Besitzerin eines Schwimmbrevets. «Wasser war nie mein Metier, zu dieser Auszeichunung kam ich sozusagen wie die Jungfrau zum Kind», scherzt Brigitte Schmid. Sie hat ihr Lachen trotz allem nicht verloren. Ihr Motto: Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag. Die Schulgemeinde Grabs wurde auf die vielseitig interessierte Mutter  aufmerksam und fragte sie, ob sie in der Primarschule Schwimmbegleitung machen würde. Brigitte Schmid kam dieses Angebot nach einer stressigen Badesaison gerade recht. Ausserdem war ihr jüngster Sohn auch schon im zweiten Kindergartenjahr und sie hatte Zeit, langsam wieder ins Berufsleben einzusteigen. «Selbstverständlich sorgte ich dafür, dass ich die Kinder nie abschieben musste», erzählt die 43-Jährige.

Persönliche Herbstwanderung

Brigitte Schmid hat aber noch viel mehr auf dem Kasten: Sie spielte früher Fussball und leitete ebenfalls ein Jahr lang die Fussballschule in Grabs.  Heute engagiert sie sich beim UHC Grabs als Waschfrau, Chauffeuse und stille Helferin, weil ihre Jungs nun nicht mehr Fussball, sondern Unihockey spielen. Jeden Sommer fährt sie mit der ganzen Familie, unterdessen mit dem eigenen Wohnwagen, ins Wallis auf ihren Lieblings-Campingplatz. Mittlerweile obligatorisch ist auch der Ausflug in den Herbstferien, den sie extra für ihre Kinder und deren Freunde organisiert. Letztes Mal besuchte sie mit 20 Kindern im Alter von zweieinhalb bis 15 Jahren und acht Müttern Luzern und Weggis. Brigitte Schmid lächelt: «Kurz gesagt ist mein grösstes Hobby meine Familie.» (hl)

 

Steckbrief

Name: Brigitte Schmid-Eggenberger

Wohnort: Grabs

Alter: 43

Beruf: Schwimmbegleitung, Büroangestellte, Vollblutmutter

Hobbys: Samariter, Unihockey, Fussball, Wandern in den Bergen

Leibspeise: Pizza mit Salat

Getränk: Eistee

TV-Vorliebe: «Sieben Jahre in Tibet»

Musik: Querbeet

Lektüre: «Ich bin dann mal weg»

Stadt/Land? Land

Sommer/Winter? «Ich brauche beides.»

Ort: Zu Hause und Umgebung

Stärke: «Ich bin ein Organisationstalent, …»

Schwäche: «… aber manchmal zu direkt.»

Motto: Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag.

Kontakt: koebri.schmid@gmx.ch

 

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