Genussläufer und «Physio der Nation»
Roland Müller freut sich bereits auf den Gamperney-Lauf, der am letzten Mai-Wochenende stattfindet. Der Physiotherapeut der Liechtensteiner Fussball-Nati trägt als OK-Präsident des Anlasses grosse Verantwortung ? und läuft gerne selbst bei diesem Event mit.
Seine Amtseinführung als Physiotherapeut der Nationalmannschaft war turbulent. Nicht nur, dass er vor neun Jahren spontan für seine Vorgänger beim Spiel in Zürich einspringen musste, sondern auch, weil ihn der Schiedsrichter beim Spiel gegen Portugal (2:2) auf die Tribüne schickte. Er opferte sich jedoch gerne für den Nationaltrainer Martin Andermatt, den eigentlichen Übeltäter: «Martin hatte aufgrund einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters dem Schiedsrichter-Assistenten eine Trinkflasche zwischen den Beinen hindurchgekickt. Als der vierte Offizielle fragte, wer das gewesen sei, zeigte unser Materialwart Josip Topic auf mich», schmunzelt Roland Müller. Auch der Kommentar von Chrisi Kindle, der auf dem Landeskanal das Spiel kommentierte, war für ihn amüsant. «Er sagte, dass man den Arzt auf die Tribüne geschickt habe. Das ehrte mich dann doch sehr», lacht der Wahl-Grabser.
Wie ernst er seinen Beruf nimmt, merken die Patienten in seiner Praxis, die er seit eineinhalb Jahren in Buchs führt. Denn sowohl für sie als auch für die Nati-Spieler ist er da, wenn es irgendwo im Körper zwickt. «Wir haben das Glück, dass die Spieler in der Regel fit sind, wenn sie in den Zusammenzug kommen. Daher sind es meist nur kleinere Wehwehchen, die wir behandeln müssen», erklärt der Profi, der über das Medical-Team des Liechtensteinischen Olympischen Sportverbands (LOSV) zum Job in der Nationalmannschaft kam.
«Das Vertrauen ist wichtig»
Nachdem beim Liechtensteiner Fussballverband (LFV) der Physio-Stab im Jahr 2004 abtrat, war die Führung gefordert, schnell neue Leute zu bekommen. Der LFV fragte beim LOSV nach, ob es eine Möglichkeit gebe, den Bedarf zu decken. Zunächst wurde ein Rotationsprinzip vorgeschlagen, wonach die Physiotherapeuten nach Bedarf für den LFV eingesetzt werden sollten. «Das schien mir aber wenig zielführend. Denn für physiotherapeutische Behandlungen ist es wichtig, dass man dem Physio vertraut und nicht einfach von einem zum anderen weitergereicht wird», erklärt Müller auch die psychologische Komponente seines Berufs. Wenn man dem Physio vertraue, stelle sich auch leichter ein Heilungserfolg ein.
Am Ende wurde Roland Müller, gemeinsam mit seinem damaligen Chef, beim LFV angestellt. «Es macht mir immer noch sehr viel Spass, obwohl ich nun schon neun Jahre mit an Bord bin», erklärt Müller, für den die Einsätze mit dem LFV im In- und Ausland mit vielen positiven Erlebnissen verbunden sind.
Mit der Zeit stellte sich in der Physio-Praxis seines Chefs die Frage, ob es denn möglich sei, den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten, wenn regelmässig zwei Teammitglieder fehlen. «Damals hat sich Bidu Zaugg sehr für mich eingesetzt und ich durfte beim LFV bleiben. Das empfand ich als sehr grosse Wertschätzung meiner Arbeit», freut sich der Grabser, der im Thurgau aufgewachsen ist.
Vom Handwerker und Fussballer zum Therapeuten und Läufer
Als Jugendlicher deutete nichts darauf hin, dass Roland Müller eine Karriere als Physiotherapeut antritt. Doch seine Lehre als Feinmechaniker in Winterthur erfüllte ihn nicht. «Ich sah ziemlich bald, dass ich mit Menschen zu tun haben möchte und nicht für eine dunkle Werkstatt gemacht bin.» Sein sportliches Engagement als Fussballer und Volleyballer brachte ihn mit dem Sport in Verbindung.
Müller entschied sich, in Schaffhausen eine Ausbildung zum Physiotherapeuten zu absolvieren. «Die Aufnahmeprüfung war hart und es gab nur wenige Ausbildungsplätze. Umso glücklicher war ich, als man mich genommen hat.» Seine handwerklichen Begabungen pflegt er bis heute. In der Übergangszeit engagierte er sich bei Verwandten und Bekannten auf verschiedenen Baustellen handwerklich. Auch als Physiotherapeut kommt ihm sein Geschick zugute.
Immer auch sportlich unterwegs
Der Sport begleitet ihn schon, seit er denken kann. Während seiner Zeit als Fussballer und Volleyballer machte er diverse Kurse, die ihn zum Trainer befähigten. «Die verschiedenen Komponenten des Sports faszinieren mich.» Und der Sport war es auch, der ihm den Anschluss in seiner neuen Heimat Grabs wesentlich erleichterte, als er während seiner Ausbildung zunächst am Spital Grabs als Praktikant tätig war. Danach wurde er in einer Praxis in Buchs angestellt. Er trainierte nebenbei die aktiven Frauen und Juniorinnen des Volleyballvereins in Buchs, was ihm sehr viel Spass machte.
In dieser Zeit als Neuling in Grabs begann er auch immer mehr zu laufen und zu joggen. Die Familie Schönholzer, die ihm bei der Wohnungssuche und der Integration half, trug wesentlich dazu bei, dass er sich später beim Gamperney-Berglauf engagierte. «Mein Vater kannte Hanspeter Schönholzer von seinem Mathe-Studium her, und daher lag es nahe, hier einen Anschlusspunkt zu suchen ? und zu finden.»
Der Gamperney-Berglauf ? 29 Jahre Laufgeschichte
Der Gamperney-Berglauf ist eine Tradition in Grabs, der sich auch Roland Müller zusehens verschrieben hat. «Ich wuchs durch die Familie Schönholzer hinein. Da ich mit der Zeit sehr gerne selbst laufen ging, fragten sie mich, ob ich im OK mitwirken wolle. Seit einigen Jahren bin ich nun schon OK-Präsident», erklärt Müller, der für den Lauf im nächsten Jahr bereits einen besonderen Plan hat, denn den 30. Lauf will er bereits gemeinsam mit seinem Nachfolger organisieren. «So kann ich dann einer neuen Kraft Platz machen.» Für ihn ist der Gamperney-Berglauf etwas ganz Besonderes. Nicht nur, weil es sein «Heimrennen» ist. Die Volksfeststimmung und die vielen Teilnehmer bestätigten in den letzten Jahren, dass sich der Lauf bei Sportlern aus nah und fern grosser Beliebtheit erfreut. «Für mich sind diese Läufe ? von denen ich jährlich zwei bis drei absolviere ? primär eine Genusssache. Nicht die Zeiten, die ich laufe, sind für mich entscheidend, sondern das Erlebnis an sich.» So nennt er unter den Anreizen vor allem die Landschaft, deren Eindrücke er beim Laufen aufnimmt. Andere Läufer würden sicher mit Zielvorgaben arbeiten und auf Rekordjagd gehen. «Im Gegensatz dazu sehe ich die Zuschauer am Streckenrand und geniesse auch ein Stück weit die schöne Gegend», erklärt der Physiotherapeut.
Frühaufsteher mit Aussicht
Dass er sich dem Laufen verschrieben hat, merken auch die Kollegen vom LFV, wenn es mit der Nati an Auswärtsspiele geht. «Da ist es für mich wichtig, möglichst schnell eine Destination in der Höhe zu finden, von der ich die Aussicht geniessen kann.» So macht er sich nicht nur am Gamperney-Berglauf auf den Weg in die Höhe. Auch in den Ländern, in der die Nati zu Gast ist, geht es für ihn in aller Herrgottsfrühe auf die nächste Erhebung in der Umgebung. (mw)
Steckbrief
Name: Roland Müller
Wohnort: Grabs
Alter: 45
Beruf: Physiotherapeut
Hobbys: Laufen/Joggen, Gamperneylauf-OK
Leibspeise: «Alles, was meine Frau kocht»
Getränk: Milch und Wasser
TV-Vorliebe: Sport
Musik: Kein ausgesprochener Musikhörer ? was gerade läuft
Lektüre: Zeitungen, Fachzeitschriften
Stadt/Land? Land
Sommer/Winter? Beides
Ort: Jeder Berg mit Aussicht
Stärke: Organisationstalent
Schwäche: «Ich kann schlecht Nein sagen.»
Motto: «Mache aus jeder Situation das Beste!»
Internet: www.gamperney-berglauf.ch
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«Liewo-Porträt»