«Für mich kam nie ein anderer Beruf infrage»
Der kleine Esel im Stall wird von seinem Meister sehr schlecht behandelt. Er muss immer grössere Lasten tragen und bekommt immer schlechteres Futter. Eines Tages verschwindet seine Futterkrippe; das alte Heu und Stroh liegt in einem Holzeimer. Auf der Suche nach seinem gewöhnlichen Essenstrog findet der kleine Esel ein junges Ehepaar, Hirten und Schafe. Diese – er glaubt es kaum – stehen um seine Futterkrippe, in der friedlich ein Baby schläft. In diesem Moment wird es dem Esel warm ums Herz und er weiss, dass er Zeuge eines Wunders ist – auch wenn er Maria, Josef und das Jesuskind nicht beim Namen nennen kann. Als die junge Familie weiterziehen muss, lässt sie für den Meister Geld für den Esel zurück. Denn dieser darf jetzt die kostbarste Last der Welt tragen: Sohn Gottes und dessen Mutter Maria.
Klare Botschaften vermittelt
Diese Weihnachtsgeschichte wird in dem neuen Bilderbuch von Ingrid Eggenberger aus Sevelen «Gib nicht auf, kleiner Esel» erzählt. Sie ist gerade im Adonia Verlag erschienen – genau wie das Mini-Musical, das der Geschäftsführer des Verlags, Markus Hottiger, passend dazu geschrieben hat, weil ihm die Geschichte so gut gefallen hat. «Ich habe mir mit diesem Bilderbuch einen Traum erfüllt», strahlt Ingrid Eggenberger. Ihr Ziel war es, dass das Buch in einem professionellen Verlag erscheint. Ihr erstes Bilderbuch – ebenfalls eine Weihnachtsgeschichte – hat sie im Eigenverlag herausgegeben. Es heisst «Raus, kleine Maus» und handelt von einer Maus, die ihr ganzes Leben lang mit Füssen getreten und von Besen vertrieben wird. Als sie wegen eines Schaufelhiebs ein Stück ihres Schwanzes verliert, fühlt sie sich nicht mehr nur ungeliebt, sondern auch noch unvollkommen – grundlos, wie die Maus durch eine Begegnung mit Maria erfahren darf. Die Geschichte zeigt, dass die Maus einzigartig und liebenswert ist – mit oder ohne Schwanz. Das zweite Bilderbuch demonstriert, wie ein kleiner Esel zum stolzen Lasttier mutiert. Die Botschaft ist klar: «Ich möchte den Kindern mit meinen Geschichten Mut machen und zeigen, dass viel Potenzial in Ihnen steckt – egal, was andere sagen.»
Schlaflose Nächte
Die Kindergärtnerin erinnert sich: «Bevor meine erste Geschichte gedruckt wurde, hatte ich schlaflose Nächte.» Das war vor 12 Jahren. Sie hatte viel Geld investiert, um ein eigenes Bilderbuch zu veröffentlichen und wusste nicht, ob es bei den Kindern bzw. den Eltern – ankommen würde. Ihr Werk präsentierte sie erstmals an der Vernissage im Kindergarten Galstramm in Sevelen, wo sie heute noch arbeitet. «Obwohl ich viele Leute eingeladen hatte, habe ich nicht mit einem so grossen Ansturm gerechnet», lächelt die 57-Jährige. Sie hat alle 1500 Exemplare verkauft und konnte der Publikation ihrer zweiten Geschichte «Gib nicht auf, kleiner Esel» daher viel gelassener entgegensehen – und das nicht nur, weil der Verlag ihr viel Arbeit abgenommen hat. «Der Verlag Adonia hat 2000 Bilderbücher gedruckt. Davon ist bereits die Hälfte verkauft», weiss die Autorin und Illustratorin. 350 Exemplare hat sie selbst ergattert, um sie zu Hause und an den Weihnachtsmärkten in Sevelen (24. November) und Vaduz (8. und 9. Dezember) zu verkaufen.
Traumberuf Kindergärtnerin
Den Grund, wieso ihr die beiden Bilderbücher so am Herzen liegen, findet man in ihrer Kindheit. Ingrid Eggenberger ist in Schönenwerd im Kanton Solothurn aufgewachsen. «Weihnachten war für mich immer das Grösste», erinnert sie sich. Sie ging sehr gerne in den Kindergarten und auch zur Schule – das, obwohl sie als Kind wegen ihres geringes Selbstwertgefühls oft Opfer kindlicher Gemeinheiten war: «Ich wurde als Kind – genau wie die Maus und der Esel in meinen Geschichten – oft von meinen Mitschülern aufgezogen.» Das hielt die kleine Ingrid aber nicht vom Lernen ab und bereits in der zweiten Klasse war für sie klar, dass sie Kindergärtnerin werden wollte. Die 57-Jährige lächelt: «Für mich kam nie ein anderer Beruf infrage.» Ihr Ziel klar vor Augen, arbeitete sie nach der obligatorischen Schulzeit in einem Büro als Sekretärin, um ein wenig Geld zu verdienen. Anschliessend machte sie ein Praktikum in einem Kinderheim, das für die Ausbildung als Kindergärtnerin vorausgesetzt wurde. Mit 18 Jahren durfte sie endlich mit dem Kindergartenseminar beginnen.
Region Werdenberg entdeckt
Nach der abgeschlossenen Berufsausbildung verliess Ingrid Eggenberger ihren Heimatkanton, um in Räfis eine freie Stelle als Kindergärtnerin anzutreten. In den fast sechs Jahren, die sie in der Region verbrachte, lernte sie ihren Mann Florian kennen. Berufsbedingt zog das junge Ehepaar in die Nähe von Basel, wo ihre beiden Töchter zur Welt kamen. «Mein Mann, ein gebürtiger Grabser, hatte aber bald Heimweh nach seinem geliebten Werdenberg. So kehrten wir nach fünf Jahren wieder zurück in die Region», erzählt die Kindergärtnerin, die sich in Sevelen sehr wohlfühlt. Dazu beigetragen hat auch der Kindergarten Galstramm, wo sie nach ihrem Zuzug bald Deutschunterricht geben konnte. Es folgten verschiedene Einzelstunden und mehrwöchige Stellvertretungen. Vor sechs Jahren teilte sie sich schliesslich die 100-ProzentStelle mit ihrer Arbeitskollegin Ursula Bernet. Seither arbeitet sie 50 Prozent im Kindergarten und geniesst ihre freie Zeit, in der sie wandert, liest, malt und Kinderbücher schreibt.
Bei der Arbeit einsetzbar
Ingrid Eggenberger hat schon immer gerne gemalt. Dass sie wirklich Talent hat, zeigte sich in der Schule, als sie die ersten Zeichenwettbewerbe gewann. «Meine Mutter malte Aquarellbilder. Das Talent wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Mir war jedoch von Anfang an klar, dass ich meine eigenen vier Wände nicht mit selbst gemalten Bildern tapezieren wollte», lacht sie. Sie besuchte diverse Malkurse und war vor allem fasziniert von der menschlichen Gestalt. Auf die Idee, ein Bilderbuch mit Tieren zu malen, brachte sie schliesslich ein Freund der Familie, der gerne Geschichten erzählt. «Eine seiner Erzählungen gefiel mir so gut, dass ich sie vereinfachte und Bilder dazumalte – mit dem Ziel, das Buch in meinem Beruf einsetzen zu können.» Das zweite Bilderbuch realisierte sie, als sie wegen einer Knieoperation mehrere Monate zu Hause bleiben musste.
Vielseitiger Nutzen
Mit dem Bilderbuch regt die Kindergärtnerin nicht nur die Fantasie der Kinder an und fördert ihren Sprachgebrauch, sondern vermittelt auch wichtige Werte sowie eigene Erfahrungen: «Auch ein Kind, das ‹anders› ist als die anderen und deswegen ausgelacht wird, kann ein erfolgreicher und zufriedener Mensch werden. Ich bin der beste Beweis dafür.» Ingrid Eggenberger liebt ihren Beruf, ihre Familie, das Haus und die viele Freizeit – in der ihr aber nie langweilig wird; zu viele Hobbys und Ideen hat die 57-Jährige. Während sie direkt nach der Veröffentlichung ihrer zweiten Geschichte eigentlich kein weiteres Bilderbuch herausgeben wollte, ist sie sich dieser Sache nun nicht mehr so sicher. Sie lacht: «Was ich sicher weiss, ist, dass es bestimmt keine Weihnachtsgeschichte mehr gibt. Für andere Themen bin ich aber offen.» (hl)
Steckbrief
Name: Ingrid Eggenberger
Wohnort: Sevelen
Alter: 57
Beruf: Kindergärtnerin
Hobbys: Wandern, Lesen, Malen, Schwimmen, Shoppen, Klavier spielen
Leibspeise: Pizza und «Schnipo»
Getränk: Rivella blau
TV-Vorliebe: «Nuts»
Musik: Radio Swiss Pop
Lektüre: Bibel und Biografien
Stadt/Land? «Ich lebe lieber auf dem Land – zum Shoppen ist mir aber die Stadt lieber.»
Sommer/Winter? Herbst
Ort: Sternenberg ZH
Stärke: «Ich kann mich gut in andere Menschen einfühlen …»
Schwäche: «… bin jedoch sehr ungeduldig.»
Traum: «Ich möchte einmal in einer Schokoladenfabrik Schokolade ab Förderband essen, bis mir schlecht ist.»
Kontakt: Tel. 081 785 22 93
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«Liewo-Porträt»