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«Es ist ein Privileg, nicht arbeiten zu müssen»

Monika Arpagaus vom Gamserberg hat ihren Job in der Schule an den Nagel gehängt, um jungen Lehrern Platz zu machen. Heute nutzt sie ihre freie Zeit, um sich ehrenamtlich in verschiedenen Vereinen in Gams zu engagieren.

Auf dem kleinen runden Tisch brennt eine Kerze. Monika Arpagaus macht Kaffee und serviert dazu ihre selbst gemachten kleinen Nussgipfel. Es riecht förmlich nach Gemütlichkeit in dem kleinen Claro-Lädeli in Gams. Monika Arpagaus erklärt: «Nach dem Einkauf offerieren wir unseren Kunden einen Kaffee gegen den Alltagsstress.» Die 59-Jährige erzählt, dass so schon viele schöne Gespräche zustandegekommen sind. Zwar hätten viele Besucher des Weltladens keine Zeit, aber es gebe immer wieder Menschen, welche die Gelegenheit gerne nutzten, sich einmal kurz hinzusetzen und zu verschnaufen.

In Nendeln aufgewachsen

Monika Arpagaus legt auch zu Hause grossen Wert auf eine gemütliche Atmosphäre und persönliche Gespräche. Wenn ihre Familie am Abend nach Hause kommt, möchte sie sie gut gelaunt und auf keinen Fall gestresst empfangen. «Ich backe ab und zu einen Kuchen und freue mich dann, wenn auch die Kinder, die ausgezogen sind, zum Kaffee kommen», lächelt die Mutter von drei Töchtern und einem Sohn. Sie erzählt, dass sie mit zwei Schwestern und zwei Brüdern aufgewachsen ist – «als geborene Batliner in Nendeln», wie sie stolz hinzufügt.

Die Liechtensteinerin besuchte nach der Realschule das Lehrer­seminar in Sargans, weil damals grosser Lehrermangel herrschte. Nach dem Studium hatte sie daher auch fünf oder sechs Stellenangebote. Sie nahm die Stelle an der Primarschule in Mauren an. Später arbeitete sie in Nendeln. Insgesamt war sie 12 Jahre als Lehrerin tätig, bevor sie heiratete und vier Kinder zur Welt brachte. «Im Gegensatz zu vielen anderen Müttern genoss ich es, Hausfrau zu sein und mich ausgiebig um meine Kinder und den Haushalt kümmern zu können», erzählt Monika Arpagaus.

Mit dem Mann Rollen getauscht

Nach Gams zog Familie Arpagaus, weil sie in Liechtenstein keine passende Liegenschaft für den Bau eines Eigenheims fand. Sie erhielt die Möglichkeit, ihren Traum vom eigenen Haus im Wolfsagger am Gamserberg zu realisieren. Da eine Tochter allerdings eine Hörbehinderung hat, verbrachte die Familie zuvor noch zwei Jahre in Rorschach, wo die Kleine eine Sprachheilschule besuchte. «Ziel war es, unsere Tochter in eine Schule mit Hörenden integrieren zu können», erklärt Monika Arpagaus. Dies klappte dank glücklicher Umstände problemlos: Die damals 40-Jährige erhielt in Gams die Gelegenheit, wieder als Lehrerin zu arbeiten und dabei ihre gehörbehinderte Tochter zu unterrichten. Damit das Familienleben nicht darunter leiden musste, sorgte ihr Mann während dieser Zeit für den Haushalt, das Essen und die Kinder. Monika Arpagaus scheint zufrieden zu sein: «Mein Mann und ich haben unsere Aufgaben immer sinnvoll aufgeteilt.»

Zeit für Freiwilligenarbeit

Heute ist Monika Arpagaus wieder Hausfrau. Nachdem sie sieben Jahre lang 100 Prozent als Lehrerin arbeitete und weitere sechs einzelne Stunden unterrichtete, kündigte sie ihren Job. «Ich wollte Platz für junge Menschen machen», erklärt sie. Die vierfache Mutter hat seither Zeit für Freiwilligenarbeit. Sie engagiert sich bei der Frauengemeinschaft in Gams, organisiert verschiedene Anlässe und Kurse, trifft sich mit anderen Frauen zum Jassen und besucht regelmässig das Altersheim, um mit den Bewohnern zu spielen und zu singen. Ihre Nachbarin hatte sie schon öfter gefragt, ob sie der Frauengemeinschaft beitreten möchte, doch als Monika Arpagaus noch unterrichtete, fehlte ihr die Zeit dazu. «Ich mache lieber nur etwas und das dafür richtig.» 

Andere Menschen unterstützen

Ebenfalls durch eine Bekannte ist Monika Arpagaus zum Claro-Lädeli in Gams gekommen. Mittlerweile engagiert sie sich seit 11 Jahren ehrenamtlich im Weltladen. Sie betont «Weltladen» und erklärt, dass es früher ein Drittweltladen gewesen sei. Heute verkaufen die «Weltlada-Frauen», wie sie sich untereinander nennen, nicht mehr nur Produkte von Kleinbauern aus Drittweltländern, sondern auch von Produzenten aus ärmeren Regionen, zum Beispiel Ligurien.

Ausserdem unterstützt der Claro- Weltladen in Gams verschiedene Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung oder einer psychi­schen Erkrankung. «Das liegt mir persönlich sehr am Herzen», gesteht Monika Arpagaus. Als Mutter einer gehörbehinderten Tochter ist es ihr wichtig, dass man Menschen hilft, die aufgrund einer Beeinträchtigung in einer beschützenden Werkstätte arbeiten müssen. Sie fügt hinzu: «Es haben nicht alle so viel Glück wie meine Tochter, die trotz ihrer Hör­behinderung eine normale Lehre machen konnte.»

Eine Oase im Alltagsstress

Im Claro-Weltladen in Gams kommt so eine breite Produktpalette zusammen. Im kleinen Geschäft neben dem grossen Löwenplatz gibts Teigwaren, Saucen, Öle und Süssig­keiten aus fairem Handel, handgemachtes Spielzeug und selbst her­gestellten Schmuck. Für Weihnachten kann man auch persönliche Geschenkkörbe zusammenstellen. «Seit wir eine Kaffeemaschine haben und ein kleines Tischchen, ist das Lädeli zu einer Oase geworden», erzählt Monika Arpagaus. Sie erinnert sich lächelnd an einen Besucher, der sich nach dem Einkauf immer Zeit für einen Kaffee und ein nettes Gespräch nimmt.

Die Hausfrau arbeitet gerne im Weltladen. «Wir sind ein Team von 11 Frauen, die sich im Verkauf abwechseln», erzählt Monika Arpagaus. Dabei übernimmt jede noch zusätzlich eine andere Aufgabe im Verein. Die 59-Jährige leitet die Sitzungen – selbstverständlich ehrenamtlich. «Zur Belohnung stossen wir Ende Jahr gemeinsam an und gehen Pizza essen», strahlt die 59-Jährige und zeigt damit, dass ihr die Gemeinschaft und das Gefühl, etwas Gutes zu tun, wichtiger sind als Geld.

Bewegung als Meditation

«Es ist ein Privileg, nicht arbeiten zu müssen», ist sich Monika Arpagaus bewusst. In einer Zeit voller Hektik geniesst sie es, sich viel in der freien Natur zu bewegen. «D’Weltlada-Frau» erklärt: «Das ist für mich wie meditieren.» Sie fährt Velo, wandert in den Bergen und geht regelmässig am Gamserberg spazieren. Zu ihren Hobbys gehört auch die Garten­arbeit: Äste bindet sie heute noch leidenschaftlich gern zu «Böschile», wie sie im Liechtensteiner Dialekt sagt, zusammen. Neben ihrer Arbeit bei der Frauengemeinschaft Gams und im Claro-Weltladen singt die Hausfrau auch im Kirchenchor. Sie ist vielseitig engagiert – ähnlich wie Rosmarie Lenherr-Künzle, die Gründerin des Drittweltladens in Gams.

Vision existiert seit 28 Jahren

Wie es der Zufall so will, war auch Rosmarie Lenherr-Künzle in der Frauengemeinschaft Gams aktiv. In diesem Zusammenhang besuchte sie oft überregional veranstaltete Kurse. Dabei lernte sie verschiedene Frauen aus der ganzen Schweiz 

kennen, die sich stark für den fairen Handel engagierten. Dies weckte den Wunsch in ihr, sich ebenfalls für Menschen, die Hilfe benötigen, einzusetzen. In Gams fand sie schnell Gleichgesinnte, mit denen sie 1983 den Drittweltladen eröffnete. Die weltoffene Frau ist mittlerweile verstorben, der Claro-Weltladen wird aber bis heute durch Frauen wie Monika Arpagaus in ihrem Sinn weitergeführt. (hl)

 

Steckbrief

Name: Monika Arpagaus-Batliner

Wohnort: Gams

Alter: 59

Zivilstand: Verheiratet

Beruf: Gelernte Primarlehrerin, heute Hausfrau und Verkäuferin im Claro Weltladen in Gams

Hobbys: Bewegung in der freien Natur, Singen, Musizieren, Lesen

Leibspeise: Alles, was frisch zubereitet wird

Getränk: Wasser und ab und zu ein Schnäpschen

Musik: Barock und Klassik

Lektüre: Vieles, aber keine Krimis

Stadt/Land? Land

Sommer/Winter? «Beide haben ihre schönen Seiten»

Stärke: «Ich bin genügsam und ausgeglichen, …»

Schwäche: «… aber kann mich jeweils nur schwer entscheiden.»

Motto: Im Kleinen wirken

 

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