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Ein Leben für die «Kunst der Aussenseiter»

Matthias Frick ist 48 Jahre alt und lebt seit seiner Jugendzeit für Art Brut ? die «rohe Kunst», wie sie auch genannt wird. Die Schizophrenie hat sein Leben zwar verändert, ihn seiner Kunst jedoch noch näher gebracht.

«Das ist einfach meins – ich komme immer wieder darauf zurück», antwortet Matthias Frick auf die Frage, warum er sich für Art Brut interessiert. Er musste sich gar nie dafür oder dagegen entscheiden, denn bereits als Kind malte er im Stil der «rohen Kunst», ohne überhaupt zu wissen, dass diese bereits existiert. «Ich hatte wohl Bücher von Dalí und kannte Hundertwasser, aber Art Brut war mir lange Zeit kein Begriff.» Um mit dieser Gegenposition zur sogenannten etablierten Kunst ernst genommen zu werden und sich durchzusetzen, benötigten sowohl Matthias Frick als auch sein «Vorbild», der bekannte Künstler Adolf Wölfli, einiges an Durchhaltevermögen, denn kaum jemals wurde in der Geschichte der Kunst ein Schaffensbereich so nachhaltig verschwiegen, übergangen und belächelt.

Unterschätzte Kunst

Was Adolf Wölfli (1864–1930) und Matthias Frick verbindet, ist zum einen die Liebe zur Kunst und zum anderen die Krankheit Schizophrenie. Wölfli lebte von 1895 bis zu seinem Tod in der Nervenheilanstalt Waldau (Bern). Während seines über dreissigjährigen Aufenthalts schuf er ein umfassendes Werk an Zeichnungen, Collagen, Erzählungen, Gedichten und Kompositionen. Wölfli gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Art Brut. 

Sein Psychiater Walter Morgenthaler widmete ihm 1921 das Buch «Ein Geisteskranker als Künstler», das erstmals einen an Schizophrenie leidenden Patienten als Künstler ernst nahm. «Ich habe mir Wölflis Werke angeschaut – sie faszinieren mich sehr.» Eines ist für Matthias Frick klar: «Seine Kunst wird auch heute noch unterschätzt.»

Seinen Platz gefunden

Ablehnung ist auch für Matthias Frick kein Fremdwort. In der Vergangenheit wird auch er oft für seine Kunst belächelt und nur selten ernst genommen. Kunstschulen, für die er sich interessiert, verlangen von ihm, dass er sich mit der realistischen Kunst beschäftigt, doch damit kann er nicht viel anfangen. So findet er schliesslich seinen Platz an einer privaten Kunstschule, die sein Talent erkennt und fördert. «Dort fühlte ich mich gut aufgehoben.»

Einen speziellen «Sympathisanten», wie Dr. Morgenthaler es war, hat Frick nicht. Doch als er 1986 mit seiner Mutter von Zürich nach Liechtenstein ins Haus seiner Grossmutter zieht, beginnen die Leute auf seine Kunst aufmerksam zu werden. 

Wenn die Realität fremd wird

Bevor er sich jedoch mit Leib und Seele seiner Kunst hingeben kann, wird der damals 23-Jährige plötzlich von starken psychischen Problemen aus der Bahn geworfen. Es wird immer schlimmer, so schlimm, dass es für die Aussenwelt nicht mehr tragbar ist. Es folgen mehrere Klinikaufenthalte in Pfäfers – der längste dauert ein ganzes Jahr. Die Diagnose: Schizophrenie. Die Realität scheint ihm fremd, er sieht die Notwendigkeit in simplen Abläufen, wie beispielsweise dem Essen, nicht mehr. 

Sieben lange Jahre dauert die Prozedur. Während der Zeit fällt es ihm schwer, seiner Kunst regelmässig nachzugehen. Seine Rolle als Aussenseiter erfährt seinen Höhepunkt. Oft abgeschnitten von der Aussenwelt, nimmt er am gesellschaftlichen Leben kaum mehr teil. Erst mit den richtigen Psychopharmaka geht es wieder bergauf.

Raum für die Kunst

Im Jahr 1993 – endlich wieder zurück im Leben – beginnt Matthias Frick beim Heilpädagogischen Zentrum (HPZ) in Schaan als Industrie- Montagearbeiter. Für die Kunst bleibt nur mehr wenig Zeit. 2001 wechselt er in die beschützende Werkstätte Auxilia, später ins Atelier Sonnenblume. «Dort habe ich meine Zeit damit verbracht, Holztiere zu bemalen und Weihnachtskarten zu basteln», erzählt er. 

Doch auch das HPZ erkennt sein Talent, lässt ihm Raum für seine Kunst und unterstützt ihn dabei. Er malt wieder, geht seiner Leidenschaft wieder nach und blüht richtig auf. Die Bilder kommen gut an – so gut, dass er mit Anfragen überhäuft wird und nach Aufträgen arbeitet. 2003 finden seine Bilder erstmals in einer Ausstellung Platz. Ein grosser Erfolg für den Künstler, der endlich Anerkennung für seine Arbeit erfährt. 

Geregelter Alltag

Doch Matthias Frick spürt auch den Druck, unter dem er steht. «Die Arbeit wurde mir zu viel.» So beschliesst er 2009, das HPZ zu verlassen und sich fortan seine Tage selbst einzuteilen – ganz ohne Druck. Seit zwei Jahren regelt er nun seinen Alltag selbst, und es funktioniert – natürlich nicht ohne Medikamente. Mit ihnen lebt er ganz gut. Bestätigen kann das seine Mutter und Mitbewohnerin, die ihn tagtäglich erlebt. «Wenn sie zu den Ärzten sagt: ‹Er singt und ist fröhlich›, dann ist alles in Ordnung», erklärt Matthias Frick und lächelt.

Ein Schritt ist nicht genug

Wer nun denkt, der Künstler liege den ganzen Tag auf der faulen Haut und lasse sich die Sonne auf den Bauch scheinen, irrt. Ein Tag in Matthias Fricks Leben sieht in etwa so aus: Morgens um acht Uhr klingelt der Wecker – es gibt Frühstück. Unmittelbar danach nimmt er Acrylfarben und Pinsel zur Hand und macht sich ans Werk. Um 11.15 Uhr geht er seiner Aufgabe, dem Kochen, nach. Nach einer kurzen Erholungspause geht es dann wieder ins Atelier. Bis 16 Uhr ist er dort beschäftigt. Dann bleibt Zeit, um mit seiner Mutter etwas zu unternehmen. «Natürlich lässt mein Tagesplan auch Abweichungen zu», lacht er. 

Auf die Frage, inwiefern seine Krankheit seine Kunst beeinflusst hat, anwortet Frick: «Viele Menschen können realistisch zeichnen, doch nicht jeder ist ein Picasso. Für meine Art von Kunst war sie vielleicht der erste Schritt – den zweiten und dritten musste ich jedoch selbst machen.»

Das Papier lebt

Zwei Wochen braucht der Künstler für ein Bild der Grösse 30x30 cm. Hinter jedem seiner Bilder steckt eine Geschichte, hinter jeder Figur ein Gedanke, den er verfolgt. Und so beginnt Matthias Frick immer erst mit der Bordüre, setzt unten rechts Name und Datum und füllt das Blatt Papier Schritt für Schritt mit Leben. 

Ein Jahr ist vergangen und der Art-Brut-Künstler hat 22 Bilder fertiggestellt. Es ist also an der Zeit, die Öffentlichkeit an seinen Werken teilhaben zu lassen. Dazu eröffnet er am kommenden Donnerstag, 22. März, in den Pfrundbauten in Eschen seine Vernissage mit dem Titel «Break Dancing Robot Player». 

Weil es sein Leben ist

Für Matthias Frick ist der Schritt an die Öffentlichkeit nicht ganz ohne. Als Einzelgänger, der eher im Hintergrund steht, «braucht es dafür schon ein wenig Überwindung». Doch mit der Unterstützung von Mutter und Freunden kann nichts schiefgehen. Angst hat er keine. «Ich bin aufgeregt und gespannt darauf, was mich erwartet.» 

Der Künstler freut sich, den Leuten seine Bilder zu zeigen, mit ihnen in Kontakt zu treten und interessante Gespräche zu führen. «Wer weiss, vielleicht entstehen daraus neue Ideen und Projekte.» Eines ist sicher: Egal, wie weit Matthias Frick es als Künstler bringen wird, «ich werde dabei bleiben und weiterhin malen, denn das ist mein Leben.» (jul)

 

Steckbrief

Name: Matthias Frick

Wohnort: Nendeln

Alter: 48

Beruf: Künstler

Hobbys: Musik

Leibspeise: Fleischkuchen

Getränk: Kaffee und Tee

TV-Vorliebe: Nachrichten

Musik: Querbeet

Lektüre: «Perudja» von Hans Henny Jahnn

Ort: Zu Hause

Stärke: Eigensinnig

Schwäche: Schnell nervös

Traum: «Mit meiner Kunst regional bekannt zu werden.»

Vernissage: Donnerstag, 22 März, 19 Uhr, Pfrundbauten in Eschen

 

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