«Eigentlich bin ich Homöopathin»
Ein Besuch am Hasenweg 1 in Vaduz gibt einen kleinen Einblick in das ereignisreiche Leben seiner Bewohnerin: Beim Betreten der Wohnung steigt einem ein angenehmer Weihrauchduft in die Nase und in einigen Regalen entdeckt man orientalische Kunstwerke. In einem kleinen Raum befindet sich ein in der Farbe Blau gehaltener Büroraum. Er beherbergt einen modernen Schreibtisch, einen Aktenschrank und ein Regal, auf dem viele kleine Fläschchen stehen. Die Herrin dieser einzigartigen Wohnung ist Annette Ospelt, ihres Zeichens diplomierte Homöopathin und Bewunderin der ägyptischen Kultur.
Einige Zwischenstationen
Annette Ospelt ist in Feldkirch geboren und aufgewachsen. Den Weg nach Liechtenstein und zu ihrer Berufung als Homöopathin fand sie erst über einige Zwischenstationen. So zog sie im Alter von 15 Jahren mit ihrer Familie nach Wien, wo sie vier Jahre später mit der Ausbildung zur Maskenbildnerin begann. Berufsbegleitend arbeitete sie zudem an der renommierten Wiener Volksoper. «Ich war schon immer kulturell interessiert und die Arbeit als Maskenbildnerin entsprach meiner kreativen Ader», weiss sie zu berichten. Doch lange konnte die Hauptstadt Österreichs die tatkräftige junge Frau nicht an sich binden. Nach Ausbildungsabschluss führte der berufliche Weg – und die Sehnsucht nach den Bergen – Annette Ospelt in die Schweiz, wo sie vorerst ihre Zelte in Montreux aufschlug und später nach Wildhaus umsiedelte. Wie es der Zufall so will, traf sie in der kleinen Gemeinde des Obertoggenburgs auf ihren zukünftigen Mann. «Wir wohnten in derselben Pension und trafen uns einmal zufällig im Gang», erzählt sie von ihrer ersten Begegnung. Es sollte nicht lange dauern, bis sich aus diesem zufälligen Treffen eine Partnerschaft entwickelte.
Ein gewaltiges Pensum
Wenige Monate nach ihrer Begegnung zog Annette Ospelt mit ihrem Partner nach Vaduz Kurz darauf gaben sich die beiden das Jawort und gründeten eine Familie. «Mein damaliger Mann hatte bereits einen Sohn aus erster Ehe, und ein Jahr später kam unsere erste Tochter zur Welt», berichtet sie von ihrem Familienglück. Mit der Geburt ihrer zweiten Tochter im Jahr 1980 wuchs die Familie auf fünf Personen an.
Die damalige Situation verlangte von der jungen Mutter, dass sie berufstätig wurde. So begab sie sich auf Jobsuche und fand schon bald eine Anstellung auf einer liechtensteinischen Bank. Diese gab ihr die Möglichkeit, berufsbegleitend eine kaufmännische Ausbildung zu absolvieren. «Ich bin heute noch sehr dankbar für diese Chance», erzählt die Vaduzerin. Neben ihrer Tätigkeit beim Finanzinstitut und ihrer Ausbildung zur Kauffrau arbeitete Annette Ospelt zudem sporadisch als Maskenbildnerin beim Theater am Kirchplatz (TAK). Ein gewaltiges Pensum, wenn man genauer darüber nachdenkt: Mutter von drei Kindern, eine Ausbildung, ein Job auf der Bank und ein Nebentätigkeit. Für viele wäre dies kaum zu bewältigen, doch die tatkräftige junge Frau schaffte es, irgendwie all diese Verantwortungsbereiche unter einen Hut zu bringen.
Ihre Berufung gefunden
Als ihre Kinder das jugendliche Alter erreichten, wuchs in Annette Ospelt der Wunsch, sich einer neuen Herausforderung zu stellen. «Ich habe mich schon immer für die Alternativmedizin interessiert und nach einigen Überlegungen beschloss ich, Homöopathin zu werden», erzählt die Vaduzerin. So begann sie im Jahr 1995 eine vierjährige Ausbildung in klassischer Homöopathie an der SHI in Zug. Ihr Studium bezeichnet die heute 58-Jährige als sehr intensiv und als Schule fürs Leben. «Es waren für mich vier wichtige Jahre, in denen ich sehr viel gelernt und viele tolle Menschen getroffen habe», resümiert sie.
Im Jahr 1999 erhielt sie ihren Abschluss mit Examen. Heute betreibt sie eine eigene Praxis für klassische Homöopathie. «Ich empfinde meine Tätigkeit als sehr erfüllend, sinnstiftend und spannend», berichtet sie. Durch ihre Behandlung könne sie zudem Menschen helfen, auf einem sanften Weg wieder gesund zu werden. «Die Homöopathie aktiviert die Selbstheilungskräfte, unterstützt das Immunsystem und bringt den Organismus wieder in Harmonie.» Dabei kann sie auch auf die Mithilfe ihrer Tochter Haike zählen. Diese ist ärztlich diplomierte Masseurin und hilft den Patienten unter anderem, Blockaden zu lösen. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Tätigkeitsbereiche von mir und meiner Tochter auf ganz unterschiedlichen Ebenen gut ergänzen», erzählt Annette Ospelt. Sie schätzt die familieninterne Zusammenarbeit sehr und empfindet sie als Bereicherung für ihre Tätigkeit als Homöopathin.
Die Liebe zu Ägypten
Einen ganz besonderen Platz in Annette Ospelts Herzen hat das Land Ägypten eingenommen. Vor 13 Jahren reiste sie das erste Mal in den afrikanischen Staat und verliebte sich sofort in das Land und seine Leute. «Es war, als wäre ich heimgekommen», schwärmt sie. Die Wüstenlandschaft, das tiefblaue Meer und vor allem die gastfreundlichen Einheimischen bezauberten die Vaduzerin regelrecht. Doch Ägypten hatte auch weniger schöne Seiten: «Zu sehen, wie diese Menschen in Armut lebten, brachte mich manchmal an die Grenze zur Ohnmacht», berichtet sie. Anstatt wie viele andere Touristen einfach wegzuschauen und die Ferien zu geniessen, beschloss Annette Ospelt, etwas gegen diese Misere zu unternehmen: «Sowohl meine Liebe zum Land und seinen Bewohnern als auch mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn verlangten dies von mir.» Ausserdem habe sie sich schon immer für die Schwächeren eingesetzt, fügt sie lächelnd hinzu.
Etwas Gutes tun
Annette Ospelts erste Gelegenheit, die Welt ein wenig zu verbessern, ergab sich durch einem Besuch einer koptischen Kirche in Hurghada. Als kulturinteressierte Touristin betrat sie das Bauwerk, um es etwas näher in Augenschein zu nehmen. Während sie ehrfürchtig die heilige Stätte erkundete, kam ein Geistlicher auf sie zu und begann ein Gespräch. Der rege Austausch mit dem angehenden Priester weckte in Annette Ospelt den Wunsch, etwas für die koptische Kirchengemeinde zu tun. Sie begann damit, auf ihren künftigen Ägypten-Reisen immer wieder kleine Notwendigkeiten – wie beispielsweise Kleidung – mitzubringen. «Pater Yousef und seine Gemeinde sind dankbar für jede noch so kleine Unterstützung» berichtet sie. Mittlerweile verbindet die Liechtensteinerin und der koptische Priester eine enge Freundschaft.
Mit der gelegentlichen Unterstützung der koptischen Kirchengemeinde war bereits ein Schritt in eine bessere Welt getan. In den Augen von Annette Ospelt war dies aber noch nicht genug. Sie wollte in einem grösseren Rahmen etwas Gutes tun, und so unterstützt sie mittlerweile auch noch ein Projekt in Kairo, bei dem eine Auffangstation für Strassenkinder errichtet wird. Leider wird der Bau zurzeit durch die politischen Unruhen immer wieder unterbrochen.
Die Geschichte geht weiter
Bisher führte Annette Ospelt ein ereignisreiches Leben: Als Mutter und Grossmutter geniesst sie ihr Familienleben und besonders die vielen Aktivitäten mit ihren beiden Enkeln. Zudem hat sie die Chance ergriffen, eine fremde Kultur näher kennenzulernen und Gutes zu bewirken. Als Homöopathin fand sie eine erfüllende Tätigkeit und führt ihre eigene Praxis. Sporadisch arbeitet sie immer noch als Maskenbildnerin und kann so ihre kulturliebende und kreative Seite ausleben. Als gelernte Kauffrau ist sie zudem in einem Teilzeitpensum für die katholische Pfarrgemeinde in Vaduz im Einsatz. Langeweile wird im Leben der 58-Jährigen wohl so schnell nicht einkehren. Vor allem wenn man bedenkt, dass sie die nächste Ausbildung bereits in Angriff genommen hat: «Im Herbst habe ich eine zweijährige Fortbildung im Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapien und Traumapädagogik in Augsburg begonnen.» Ein Thema, das ihre Arbeit in der Praxis auf spannende Weise ergänzt. Es scheint also, als würde Annette Ospelt sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und ihrer ereignisreichen Lebensgeschichte noch einige Kapitel hinzufügen. (sb)
Steckbrief
Name: Annette Ospelt
Wohnort: Vaduz
Alter: 58
Beruf: Dipl. Homöopathin
Hobbys: «Ganz viele»
Leibspeise: Arabische und indische Küche
Getränk: Tee in allen Varianten
TV-Vorliebe: «Keine, dafür mag ich gute Kinofilme.»
Musik: Jazz, klassische Musik und Austropop
Lektüre: Fachlitertur, Biografien
Stadt/Land? Beides
Sommer/Winter? Sommer
Lieblingsort: «Ich kann auf der ganzen Welt glücklich sein.»
Stärke: «Ich bin belastbar, kann Sachlichkeiten und Emotionen trennen und betrachte auch die Dinge im Hintergrund.»
Schwäche: «Ungeduld, und dabei möchte ich ganz oft die Welt retten.»
Kontakt: a.ospelt-homeopathy@adon.li
Schlagwörter
-
«Liewo-Porträt»