Die Sicht der Dinge ändert mit dem Blickwinkel
Natürlich kann René Gassner nicht wie Spiderman die Wände hochkrabbeln oder sich von Haus zu Haus schwingen – dank der Fotomontage sieht es auf den ersten Blick jedoch so aus. Dreht man die Zeitung um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn, ist es nicht weniger faszinierend, mit welcher Körperspannung der 41-jährige Liechtensteiner auf dem Kopf steht.
Alles steht kopf
Nicht nur sich selbst, auch sein Leben hat René Gassner vor rund 14 Jahren auf den Kopf gestellt. Im Alter von 27 Jahren zog es ihn plötzlich hinaus in die grosse, weite Welt. Nach jahrelanger Arbeit als gelernter Maurer und seinem anschliessenden Job bei der Landesverwaltung «hatte ich das Bedürfnis, meinen Horizont zu erweitern», erklärt der gebürtige Vaduzer.
In Florida verbesserte er zuerst sein Englisch und holte dann am Broward Community College seinen Abschluss (Matura) nach. «Ich kann mich noch genau an den ersten Schultag an der Uni erinnern – ich fühlte mich alleine und zitterte vor lauter Aufregung am ganzen Körper.» Seine Professorin wusste ihn jedoch zu beruhigen. «Sie konnte sich sehr gut in meine Lage versetzen und sprach mir Mut zu.» War die erste Hürde einmal genommen, fand er sich in den USA schnell zurecht und meisterte seinen Abschluss mit Bravour. Nun standen dem jungen Auswanderer sämtliche Türen offen.
Studium zum Verlieben
An der Logan University in St. Louis machte er 2004 den Doktor zum Chiropraktiker (2004) und Naturmediziner (2006). Dort lernte er im Alter von 29 Jahren auch seine Frau Aida kennen und lieben. Drei Jahre später, am Valentinstag, heirateten die beiden und sind mittlerweile stolze Eltern zweier Töchter – Monet ist 6, Samantha 16 Jahre alt. In St. Louis, Missouri, fühlte sich die Familie so wohl, dass René Gassner sich entschloss, ein?Haus zu kaufen. Mehrere Jahre war er in privater Praxis tätig.
Nun ist er wieder in Liechtenstein. Hier arbeitet er seit Anfang September mit Markus Kindle im Zentrum für Chiropraktik in Ruggell. «Die Zusammenarbeit mit Markus klappt super. Ich schätze ihn sehr und halte sehr viel von ihm», freut sich René Gassner. Auch die Zusammenarbeit mit den Ärzten könnte nicht besser sein. «Jeder hilft jedem und alles läuft reibungslos. Dabei steht das Wohl des Patienten immer im Vordergrund», ist der 41-Jährige dankbar. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass René Gassner sehr viel von seiner Heimat hält. «Ich schätze das Land, die Leute – einfach alles hier.» Erst wenn man mal weggewesen sei, würde man sehen, wie hilfsbereit die meisten Menschen hier sind, wie herzlich und gutmütig. «Unsere neuen Nachbarn haben uns so herzlich empfangen – das hat mich sehr berührt.» Das Leben hier sei irgendwie «unschuldig», so René Gassner. «Alle sitzen im gleichen Boot und – auch wenn es vielleicht manchmal nicht so scheint – wenn es darauf ankommt, ziehen alle an einem Strang», ist er sich sicher. Auch seine Frau und seine beiden Töchter haben sich bereits gut integriert und fühlen sich in Triesen wohl.
Home sweet Home
Es kam ganz plötzlich – das Heimweh nach Liechtenstein. Der Ehemann und Familienvater wollte zurück an den Ort seiner Wurzeln. «Ich habe gespürt, dass es Zeit ist, nach Hause zu kommen», erinnert er sich. Als er vor einiger Zeit mit seiner jüngsten Tochter Monet in Liechtenstein Urlaub machte, merkte René Gassner, wie sehr ihm seine Heimat fehlt. «Wir sind mit dem Sessellift auf Sareis gefahren, und als ich hinunterschaute, verspürte ich eine innere Ruhe – ich wusste, das ist ein Zeichen.» Am gleichen Abend, beim Kartenspiel mit seiner Tochter, merkte auch Monet, dass Papa ruhiger war als sonst. «Sie sagte zu mir: ‹Papa, wir rufen Mama an und dann wohnen wir alle hier.›»
Gesagt, getan. Innerhalb kurzer Zeit brach Familie Gassner ihre Zelte in St. Louis ab und «fuhr» nach Triesen. «Normalerweise wanderte man früher mit dem Schiff nach Amerika aus – wir wollten jedoch mit der Queen Mary 2 nach Hause fahren.» Das Highlight der Schifffahrt war das Eheversprechen, das die beiden sich bereits zum vierten Mal gaben. «Es war eine Überraschung. Ich dachte mir, ein neuer Abschnitt, ein neuer Anfang – ein guter Grund, um nochmals zu heiraten.»
Auf dem richtigen Weg
Dass die Chiropraktik seine Berufung ist, zeigte sich in den vergangenen Jahren immer wieder. Viele seiner Patienten reisten stundenlang mit dem Auto, um sich von ihm behandeln zu lassen. «Eine Patientin kam sogar von England in die USA», wundert er sich heute noch darüber. Ein Rezept für seinen beruflichen Erfolg hat der 41-Jährige nicht. «Ich denke, es ist die respektvolle Behandlung, die meine Patienten schätzen.»
Während seines Studiums, 1998, war René Gassner in Florida in einen Autounfall verwickelt. Die Folge war ein Bandscheibenvorfall, der ihn für drei Wochen ausser Gefecht setzte. Dieser Vorfall zeigte ihm, wie wichtig die Chiropraktik wirklich ist und brachte ihn seinen Patienten ein grosses Stück näher. «Wenn man selbst so etwas erlebt hat, dann geht man mit einem anderen Bewusstsein auf die Patienten zu», erklärt er. So hat er für jeden das nötige Verständnis, weil er sich in dessen Lage hineinversetzen kann. Zudem bedeute für ihn Geld nicht gleich Erfolg. «Geld steht nur symbolisch für den Wert – nicht mehr und nicht weniger. Mein Erfolg ist meine Familie, die Selbstständigkeit, die Gesundheit etc. – Dinge, die Körper und Seele in Einklang bringen.»
Alles hat seinen Sinn
Nicht nur der Unfall, auch viele andere Ereignisse, die René Gassner bisher erleben durfte, haben ihm immer wieder gezeigt, dass alles im Leben seinen Sinn hat. «Nur weil wir ihn nicht immer gleich begreifen, heisst es nicht, dass es ihn nicht gibt», ist er sich sicher. «Es gibt eine chinesische Geschichte – ‹Der Bauer und das Pferd› (siehe Kasten) –, die dieses Phänomen ganz gut beschreibt.» Diese Erkenntnis helfe ihm, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind, denn «nichts geschieht ohne Grund».
Mit der Bewegung im Einklang
Die Ruhe, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit, die René Gassner ausstrahlt, kommen ein Stück weit auch von seiner regelmässigen sportlichen Betätigung. So übt sich der Sportbegeisterte seit über 20 Jahren in Karate und seit vier Jahren in Yoga. Obwohl es scheint, dass René Gassner nicht gerne über seine sportlichen Erfolge spricht, darf man erwähnen, dass er in den 80ern und 90ern viel erreicht hat. 1991 stand er für Liechtenstein bei den Europameisterschaften im Karate im Finale, und vor zwei Jahren bei den Ü32 gewann er die US-Karatemeisterschaft. Das heisst, der Liechtensteiner ist auch 20 Jahre nach seinem grössten Erfolg noch topfit.
In Florida unterrichtete René Gassner während zwei Jahren Karate, in Georgia eröffnete und leitete er eine Karateschule – nun ist er glücklich, wieder in Liechtenstein trainieren zu dürfen. «Überall, wo ich war, habe ich mit den verschiedensten Karatemeistern trainiert, doch nirgends waren die Trainer mit mehr Herz dabei als hier.» Das verwundert, ist diese Sportart doch asiatischen Ursprungs. Ebenso wie Karate braucht René Gassner mittlerweile auch Yoga für den Ausgleich. «Diese Art der Bewegung hilft mir, Körper und Seele in Einklang zu bringen.»
Jeder darf glücklich sein
Nicht immer war René Gassner so offen und weitsichtig, was das Leben und seine Wunder angeht. «Ich habe mich selbst lange aus nur einem Blickwinkel angeschaut», erinnert er sich. Manchmal helfe es, die Lupe ein wenig weiter weg zu halten, denn «dann sieht man plötzlich, was um einen herum geschieht.» Sein Bewusstsein erweiterte sich mit der Reise in die USA. Er begann sich für Philosophie, Physik und Chemie zu interessieren, las Bücher, sah sich wissenschaftliche Beiträge an und lernte für sein Leben. So wurde ihm bewusst, dass viele Leute das Gefühl haben, dass sie es nicht wert sind, glücklich zu sein, dass nicht wichtig ist, was einem im Leben widerfährt, sondern was man daraus macht und dass das Leben eine ständige Weiterentwicklung ist, der man nicht im Wege stehen sollte, denn «nur so kann man das Leben annehmen und es in vollen Zügen geniessen». (jg)
Steckbrief
Name: René Gassner
Wohnort: Triesen
Alter: 41
Zivilstand: Verheiratet
Beruf: Chiropraktiker
Hobbys: Sport, Philosophie
Leibspeise: Cevice (dominikanisches Gericht)
Getränk: Eistee
TV-Vorliebe: Wissenschaftliche Sendungen (Science Channel), «Heroes»
Lektüre: Biografien interessanter Leute
Stadt/Land? Gute Mischung
Sommer/Winter? Beides
Ort: Liechtenstein
Stärke: «Ich gebe nie auf.»
Schwäche: «Ich sag nicht gern Nein.»
Motto: «Nie der Weiterentwicklung im Wege stehen»
Traum: «Das Leben ist traumhaft.»
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«Liewo-Porträt»