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«Der Austausch mit Menschen nährt mich»

Heidi Schmid aus Grabs macht eine unübliche Karriere. Ihren Beruf als Coiffeuse musste sie gesundheitsbedingt an den Nagel hängen. Seitdem hilft sie anderen Menschen, die selbst Probleme mit ihrer Gesundheit haben.

Ich bin ein nachdenklicher Mensch, aber nicht grüblerisch», erzählt Heidi Schmid, die vor Kurzem in Sargans ihre Praxis für Ernährungs-Psychologische Beratung (Pebs) gründete. Dass die gelernte Coiffeuse nun in der persönlichen Beratung tätig ist, kann ? wie sie sagt ? kein Zufall sein. «Der Austausch mit Menschen nährt mich ? und ich wollte schon mit Mitte 20 einen Beruf in dieser Richtung ausüben.»
Dennoch gab es einige Schicksalsschläge, welche der Grabserin den Weg in einen neuen Beruf ebneten. Eine seltene Art der rheumatoiden Arthritis zwang sie, ihr Coiffeurgeschäft aufzugeben. «Es gibt Tage, da habe ich Schmerzen am ganzen Körper. Da liege ich wirklich flach und kann mich kaum rühren», erklärt Heidi Schmid ? ihrer Art entsprechend gelassen und mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.

«Ich schaue lieber nach vorne als zurück»

Statt sich ihrem Schicksal zu ergeben und im Selbstmitleid zu versinken, hat sie sich entschieden, das Beste aus der Situation zu machen, statt darüber zu jammern. «Ich lebe in der Gegenwart und schaue lieber nach vorne als zurück. Diese Einstellung half mir bei der Bewältigung der Situation», sagt Schmid.
Der Friseurberuf hat ihr grosse Freude bereitet. «Denn auch hier ist man mit den Kunden im Gespräch. Mit dem neuen Beruf geht man tiefer ins Detail, was mir sehr entgegenkommt, weil ich mich für Menschen interessiere.»

Wissen macht stark

Nachdem sie im Jahr 2010 ihre Ausbildung zur Ganzheitlichen Ernährungsberaterin begann, war es erneut eine Krankheit, die sie herausforderte. «Meine Beine schmerzten. Sie schwollen an und zunächst konnte mir niemand sagen, was die Gründe waren. Ich dachte zunächst, es käme von meiner autoimmunen Rheumaerkrankung. Doch irgendwie passte das nicht zusammen», blickt Heidi Schmid zurück. Innerhalb von einem Monat wuchs der Umfang ihrer Beine derart, dass sie gleich zwei Hosengrössen zulegte. «Ich habe mit mir gerungen, ob das vielleicht ein Zeichen sein könnte, dass ich auf dem falschen Weg mit meiner Ausbildung als Ernährungs-Psychologische Beraterin bin.»
Sie fand am Ende einen Arzt, der die Diagnose stellen konnte: Es war ein Lipödem mit Lymphstauung ? umgangssprachlich auch Reiterhosensyndrom genannt. Heidi Schmid setzte sich aktiv mit der Krankheit auseinander und wollte alles darüber wissen, da die Ärzte ihr nicht so recht sagen konnten, wie sie damit umgehen soll. «Dabei gibt es bereits einige Erkenntnisse dazu. Leider erkennen viele Ärzte das Lipödem nicht, obwohl die Krankheit nicht so selten ist. Sie schreibt zurzeit bezüglich ihrer vierjährigen Ausbildung für ihre Diplomarbeit über das Thema Lipödem und gründete 2012 eine Selbsthilfegruppe für Betroffene, um den Austausch zu ermöglichen und Ängste bei den Betroffenen abzubauen. «Die meisten wissen nicht, dass die Krankheit gut behandelt werden kann, obwohl sie kaum erforscht ist.» Weil sie selbst niemanden hatte, der ihr helfen konnte, möchte sie den Erkrankten somit Hilfestellung bieten. «Es gibt Behandlungsmethoden, über die wir aufklären können.»

Seit gestern «Vereinigung Lipödem Schweiz»

Die Erkenntnisse rund um die Krankheit Lipödem sollen nun von der Vereinigung Lipödem Schweiz, die gestern ihre Gründung feierte, weiter gesammelt vermittelt werden. Nicht nur den Betroffenen hilft die Vereinigung mit Selbsthilfegruppen in Grabs, Chur, St. Gallen und Zürich. Weitere folgen. Auch Ärzte sollen im Umgang mit der Krankheit informiert werden. «Die Rückmeldungen der Mediziner sind sehr gut, denn auch sie können nicht alles wissen und sind froh, dass sie Inputs bekommen», weiss Heidi Schmid.
Im Herbst erscheint ausserdem Heidi Schmids erstes Buch zum Thema Lipödem. Es sei für sie sehr überraschend gewesen, dass gleich der erste Verlag, den sie angeschrieben hatte, zusagte. Offenbar ist es ein interessantes Thema. Dadurch, dass es autobiografische Züge hat und mit diversen Interviews von Experten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich und den ergreifenden Geschichten von verschiedenen Lipödem betroffenen Frauen ergänzt wurde, spricht es ein breites Publikum an. Es bietet einen tiefen Einblick in die Welt von Betroffenen und der Autorin selbst, sachliches Wissen über die Krankheit, spannende Details über den Aufbau der ersten Selbsthilfegruppen der Schweiz bis zur Gründung der Vereinigung Lipödem Schweiz. «Mit diesem Buch möchte ich die Mitmenschen für diese verkannte Krankheit sensibilisieren.»

Hilfe bei Ernährungsfragen

Sowohl beim Lipödem als auch allgemein ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, um das Wohlbefinden zu steigern und gesund zu bleiben. In ihrer Praxis in Sargans geht sie mit ihren Klienten das Thema Gewicht reduzieren ganzheitlich an ? ohne qualvolle Diäten. «Von alleine geht dies jedoch nicht. Man muss schon bereit sein, etwas zu verändern in seinem Leben.» Menschen mit Essstörungen wie Bulimie, Binge Eating und Anorexie berät und begleitet sie professionell. Im Gespräch wird zusammen mit dem Klienten nach der Ursache der Essstörung gesucht, anschliessend gelernt, im Hier und Jetzt besser damit umzugehen. «Wir leben in einer Zeit des Überflusses. Die Wahrnehmung von Hunger- und Sättigungsgefühl erfahren viele Menschen nicht mehr. Ich berate Menschen, die mit ihrem Essverhalten nicht mehr zurechtkommen und begleite sie auf Wunsch beim Lebensmitteleinkauf», erklärt die Grabserin. Ihre Philosophie: «Essen ist ein Bedürfnis, Geniessen eine Kunst.»
Mit der Farbtyp-Beratung, die sie schon seit über acht Jahren praktiziert, können zusätzlich Problemzonen kaschiert und müde wirkende Haut zum Strahlen gebracht werden. Gekonnt mit Farbe und Stil gekleidet, können ungeliebte Rundungen auch sexy sein.

Nächstes Buch bereits in Arbeit

«Um das Thema Ernährung geht es auch in meinem nächsten Buch», so die leidenschaftliche Schreiberin. Darüber verrät sie: Es geht um Achtsamkeit, den Umgang mit Ressourcen, immer im Zusammenhang mit den Nahrungsmitteln, gespickt mit Eigenkreationen zum Nachkochen und wertvollen Tipps für den Essalltag. «Keine Angst, für dieses Buch muss man kein Profi in der Küche sein», erklärt Schmid.
Sie geniesst die ruhigen Stunden beim Schreiben und braucht ab und zu Zeit für sich alleine, das war schon als Kind so. Damals war Schmid, die in einer Bauernfamilie aufwuchs, im Sommer gerne auf der Alp und genoss die einsamen Tage, um in Ruhe über das Leben und die Zukunft nachzudenken. Dafür fehle im Alltag meist die Zeit.

Nie den Mut verlieren

«Schwere Zeiten haben immer etwas Gutes an sich», ist sich Heidi Schmid sicher. Nach allen gesundheitlichen Rückschlägen dürfte neben ihrer inneren Ausgeglichenheit auch die Unterstützung ihrer Familie das Geheimnis sein, warum sie nie die Hoffnung verloren hat und anderen Mut macht, den schwierigen Lebensphasen etwas Positives abzugewinnen.
Ihre positive Ausstrahlung und ihre Zuversicht schaffen Vertrautheit. «Wenn Menschen mit meinem Wissen und meinen Erfahrungen wieder in ein gesundes Essverhalten oder zu einem besseren Selbstbewusstsein finden, bin ich glücklich und fühle mich genährt.» (mw)

Steckbrief
Name: Heidi Schmid
Wohnort: Grabs
Alter: 46
Beruf: Ganzheitliche Ernährungsberaterin
Hobbys: Schreiben, Lesen, Reisen
Leibspeise: Käse- und Thaigerichte
Getränk: Wasser, Chai Latte
TV-Vorliebe: «Lena»
Musik: Aktuelle Charts
Lektüre: Sachbücher und alles über interessante Personen
Stadt/Land? Beides
Sommer/Winter? Frühling
Ort: Blumige, ruhige Landschaft
Stärke: Durchhaltevermögen
Schwäche: «Ich akzeptiere meine körperlichen Grenzen nicht gerne.»
Kontakt: www.pebs.ch und www.lipoedem-schweiz.ch

 

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