Das Leben auf der Burg
Das Mittelalter übt noch heute eine grosse Faszination aus. Die «Liewo» nimmt ihre Leser nun mit auf eine Zeitreise ins Mittelalter und erklärt, wie das Leben auf einer Burg ausgesehen hat.
Rauschende Feste, ein abenteuerliches Ritterleben und Reichtum im Übermass ? das Leben auf einer mittelalterlichen Burg stellen sich viele anders vor, als es in Wirklichkeit war. Tatsächlich bot der Alltag nur wenig Abwechslung und war straff organisiert. So besass ein Burgherr in der Regel nicht bloss seine Burg, sondern auch die umliegenden Länder. Er musste dafür sorgen, dass seine Leibeigenen die Felder bestellten, die Wiesen mähten und die Wälder hegten. Ein Burgbesitzer war weniger ein abenteuerlustiger Ritter als vielmehr eine Art mittelalterlicher Manager. Er hatte neben Repräsentations- und Verwaltungsaufgaben auch die Pflicht, Urteile zu sprechen und sein Territorium zu verteidigen.
Spartanische Verhältnisse
Natürlich führte der Edelmann einer Burg ein angenehmeres Leben als der einfache Mann aus dem normalen Volk. Als Angehöriger der herrschenden Oberschicht kam er in den Genuss von Annehmlichkeiten, von dem der sogenannte Pöbel nur träumen konnte: er bekam, wonach er verlangte, wurde bekocht und musste nie Hunger leiden. Und dennoch hauste er nach heutigen Massstäben in spartanischen Verhältnissen. Die Räume seiner Burg konnten nur unzureichend geheizt werden und durch viele Ritzen pfiff der Wind. Zudem waren die hygienischen Einrichtungen mehr als nur dürftig: Baden und Duschen waren Fremdwörter und statt Toiletten gab es Plumpsklos ? demnach muss es auf einer mittelalterlichen Burg furchtbar gestunken haben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Burgbewohner ihren Wohnsitz oft mit Ratten und Mäusen teilen mussten und mit Lausplagen zu kämpfen hatten. Wegen der kaum vorhandenen Hygiene waren die Menschen des Mittelalters oft auch von Krankheiten gebeutelt, was damals aufgrund der rückständigen medizinischen Versorgung eine sehr ernste Sache war. Häufig überlebten die Menschen ihre Krankheiten und Verletzungen nicht. Der Tod war allgegenwärtig.
Getreide zum Mittagessen
Auch wenn der Burgherr kaum Hunger leiden musste, seine Nahrung war nicht so abwechslungsreich und opulent, wie es manche Ritterfilme glauben machen wollen. Kartoffeln, Reis und Nudeln gab es im Europa des Mittelalters noch nicht. Hauptzutaten einer jeden Mahlzeit war Getreide. Es wurde zu Brot und gerne auch zu Brei verarbeitet. Eier und Milch waren ebenfalls vorhanden. Beides wurde häufig zusammen mit dem Getreide zu einem Mus verarbeitet. Fleisch gab es eher selten, denn das Vieh war zu wertvoll, um es frühzeitig zu schlachten. Es kam erst auf den Tisch, wenn es seinen Dienst erwiesen hatte, etwa als Lastentier auf dem Feld. Dann war es oftmals alt und zäh. Ansonsten bestimmte der Jagderfolg der Burgherren, mit welcher Regelmässigkeit Fleisch auf dem Teller kam. Getrunken wurde meist Wasser, Bier und Wein.
Ein Quäntchen Wahrheit
Der Alltag auf einer Burg war hart und ein Kampf ums Überleben. Die Burgbewohner nahmen jede Unterbrechung des eintönigen Alltags begeistert auf. Reiten und Jagen waren bei den Burgherren und Edelmännern sehr beliebte Freizeitbeschäftigungen und hin und wieder sorgten auch Gaukler und Minnesänger, die durch die Gegend zogen, für eine willkommene Abwechslung. Und manchmal ? wenn auch sehr selten ? wurden grosse Feste gefeiert und Turniere ausgetragen, wie man sie aus den Spielfilmen kennt. Zu einem solchen Anlass wurden die Tische reich gedeckt, vor allem wenn andere Adelige zu Besuch kamen. Wildschwein, Hirsch und Hase wurden von der Jagd mitgebracht und den teuren Gästen kredenzt. Wer es sich leisten konnte, liess Gewürze aus fernen Ländern herbeischaffen und servierte erlesene Weine. Derart opulente Feste dauerten oft mehrere Tage, und so schliesst sich der Kreis zwischen wildromantischen Klischees und der Wahrheit über den Alltag auf einer Burg. (sbü/pd)